Bundestagsabgeordnete tauschen Meinung mit russischen Parlamentariern ausRahr, Prof. Alexander bild © russlandkontrovers

Bundestagsabgeordnete tauschen Meinung mit russischen Parlamentariern aus

Der Dialog war extrem schwierig; dennoch kam er zustande. Am Freitag traf eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten aus drei unterschiedlichen Fraktionen zum Meinungsaustausch mit russischen Parlamentariern zusammen. Ein solch hochkarätiges Treffen hatte es seit Beginn der Ukraine-Krise nicht mehr gegeben.

Die Russen beschworen die Aussöhnungspolitik mit Deutschland nach dem Grauen des Zweiten Weltkriegs, die bis zur Ukraine-Krise ja gut funktioniert hatte. Die Deutschen gaben jedoch zu verstehen, dass eine Normalisierung der Beziehungen nur über eine Befriedung der Ostukraine laufe.

Eröffnet wurde die Zusammenkunft durch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. Sie warb hauptsächlich für bessere regionale Wirtschaftsbeziehungen. Parallel zur bilateralen Tagung des Föderationsrates, trafen sich führende „Kapitäne“ der deutschen Wirtschaft mit Kremlchef Vladimir Putin. Auch dort wurde darüber nachgedacht, wie der beidseitige Handel, trotz verschärfter US-Sanktionen, intensiviert werden kann.

Deutsche Wirtschaftsvertreter unterstrichen die wachsende Bedeutung des russischen Marktes. Deutsche Mittelständler seien bereit, drohenden US-Sanktionen zu trotzen. Großunternehmen sahen allerdings die kommende Entwicklung äußerst alarmierend.

Ein erhoffter Dialog über eine mögliche künftige gesamteuropäische Friedensordnung kam nicht zustande. Die deutsche Seite forderte von Moskau mehr Akzeptanz und Empathie für die Befindlichkeiten der Mittelosteuropäer, hinter deren Rücken Berlin niemals mehr mit Moskau verhandeln wolle. Nichtsdestotrotz warben einige deutsche Stimmen für eine Kooperation zwischen der EU und der Eurasischen Union, auch in sicherheitspolitischen Fragen.

Die russische Seite warf Deutschland dagegen vor, sich zu sehr hinter geopolitischen US-Interessen zu verstecken. Deutschland solle mehr Verantwortung für Europa und weniger für die transatlantischen Beziehungen übernehmen.

Ein hochkarätiger russischer Außenpolitiker zeigte sich im Nachhinein ernüchtert. Er seufzte: Deutschland könne sich aus dem Orbit der USA gar nicht mehr lösen. Wie soll Berlin dann konstruktiv auf eine polyzentristische Weltordnung hinarbeiten?

Deutsche Politiker schüttelten nur den Kopf: stabile transatlantische Beziehungen seien für sie weiterhin der Garant einer freien und friedlichen Weltordnung.

COMMENTS

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    Rolf Finger 5 Jahren

    @Horst Beger
    Ihren Worten und Darstellungen muss nichts hinzugefügt werden.
    Die geistige Verkrüppelung deutscher, insbesondere westdeutscher Politiker, ist nicht zu übersehen.
    Wessen Brot ich fress dessen Lied ich sing.

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    In der Diagnose einer geradezu sektiererischen und weder durch die deutsche Verfassung, noch den mehrheitlichen Bevölkerungswillen, noch durch die EU-Verfassung irrationalen Fixierung darauf, die USA seien ein Anker des Friedens in Europa, kann man aber doch russischen Parlamentariern nur zustimmen.

    Ich verstehe es einfach nicht, wie man nicht erkennen kann, dass Zustand und faktische Politik der USA spätestens seit 1999 das größte Sicherheitsproblem statt ein Garant des europäischen Friedens ist – und das erkennbar.

    Die deutsche Regierung gibt einerseits vor, als sei konsequente Verrechtlichung und die Ausweitung von auf rechtsstaatlichen Modellen basierende Formen von Governance-Vorstellungen der Garant für Frieden, weigert sich aber zu sehen, dass dies nicht mit der von ihr als damit identisch vorausgesetzten Unterordnung unter US-Suprematie vereinbar ist, die sie in der Tat stillschweigend gleichzeitig von den Russen verlangt.

    Sie universaliert somit gegen alle Empirie die spezifische westdeutsche Erfahrung von 1949, nämlich dass damals im Westen Deutschlands nach der verbrecherischen Usurpation des NS-Regimes unter US-Besatzung in der Tat Rechtsstaatlichkeit in Deutschland wieder hergestellt wurde, und fordert nach diesem „Rezpept“ eine analoge „Therapie“ für Russland – ohne zu sehen, dass das mit den USA schon seit Jahrzehnten nicht zu machen ist und Russland davon ebenso wenig wie Europa Stabilität und Frieden erwarten kann.

    Diese blinde Unterwerfung unter die US-Suprematie ist nur noch pathologisch zu nennen – und sie hat durchaus auch zu der massiven Vertrauenserosion der deutschen Politik bei der eigenen Bevölkerung zu tun.

    Rekapitulieren wir: Bereits mit Bill Clinton, als die USA ihre europäischen „Verbündeten“ (Z. Brzezinski sprach offen von „Vasallen“) dazu nötigten, gegen Serbien – oder „Restjuggoslawien“, einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu führen und die Europäer, um ihre rechtsstaatliche Verankerung zu retten, Kriegsführung dennoch durch das internationale Gericht in Den Haag zu verrechtlichen versuchten, drohte ein US-Präsident dem Nato-„Partner“ Niederlande mit einem Angriffskrieg, sollte je ein US-Soldat für Kriegsverbrechen dort zur Rechenschaft gezogen werden.

    Nicht erst unter Donald Trump ist die US-Devise im Prinzip nicht nur „America first“, sondern „America only“. In allen außen- und sicherheitspolitischen Veröffentlichungen sowie allen Reden von US-Präsidenten zur Außenpolitik der USA wird ganz klar gemacht, dass die USA nichts als ihre eigenen nationalen Interessen verfolgen. Und darunter verstehen sie, nichts als ihre nationale globale Hegemonie in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht – und zwar mit allen Mitteln, die sie ganz allein dafür für richtig halten. Obama hat in seiner vor der Militärakademie in Westpoint explizit gesagt, das alleinige Verfolgen eigener nationaler Interessen erfolgte, wenn möglich, im Rahmen internationaler Bindungen und im Einklang mit „Verbündeten“, wenn nicht möglich, aber auch gegen jedes Recht und gegen die „Verbündeten“. Kein außenpolitisches Dokument der USA lässt irgendeinen Zweifel daran, dass das Hauptprinzip der, wie sie sie verstehen, „Pax Americana“ die Unterordnung des Rests der Welt allein unter den Willen der USA bedeutet, der über allem Recht steht.

    Wer das bezweifelt, ist in einer irreal subalternen Sicht der Welt befangen. Er leugnet den Inhalt der Wolfowitz-Doktrin und der von Robert Kagan die für das Pentagon unter George W. Bush verfasste außenpolitische Schrift „Rebuilding America’s Defenses“. Er leugnet die erkennbaren Prämissen der unter der von Zbgniew Brzezinski, dem einflussreichen Berater dreier demokratischer Präsidenten, Carter, Clinton und Obama, konzipierten außenpolitischen Anspruch der US-Dominanz auf dem „Grand Chessboard“, die, wie man an Hans-Dietrich Genschers Vorwort zur deutschen Ausgabe erkennt, durchaus in der deutschen Politik bekannt sein muss. Er leugnet den realen Gehalt aller wesentlichen außenpolitischen Reden Obamas sowie den Inhalt des auch unter diesem Präsidenten veröffentlichten War Manual des Pentagons von 2015, in denen die USA nicht nur erneut absolute globale Dominanz als oberstes „Sicherheitsprinzip“ festschreiben, sondern sich für den Zweifelsfalls jedes nur denkbare Kriegsverbrechen, bis hin zur Errichtung von Zwangslagern zur Brechung des Willens der Bevölkerung überfallener Staaten, sondern sogar – für das Szenario völkerrechtswidriger Kriege – die gewaltsame Blockade von Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz oder dem Roten Halbmond zur nahrungstechnischen und medizinischen Versorgung der Bevölkerung, sollten die USA deren Aushungerung als Mittel der Erzwingung von Subalternität für nötig befinden. Denn niemand kann dieses 1200 Seiten starke und vom Department of Defense veröffentlichte und immer noch gültige „Law of War Manual“, das im Internet offen als Quelle zugänglich ist, irgendwie anders verstehen als eine globale Selbstermächtigung der USA zu jedem Kriegsverbrechen, sollten sie dieses als opportun betrachten. Niemand kann gleichfalls bestreiten, dass der Begriff der „Defense“ seitens der USA, entgegen dem Völkerrecht, keineswegs der Verteidigung ihres Territoriums, auch nicht des Territorium ihres ‚Bündnis‘-Raums, sondern allein ihrer globalen Dominanz gilt. Und auch diese globale Dominanz gilt keineswegs der ‚Ausbreitung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie‘ (sonst könnte wohl kaum einer der Eckpfeiler von US-Geopolitik im Nahen Osten ausgerechnet Saudi Arabien sein!), sondern der Garantie des vollständigem Zugriffs auf globale Ressourcen und Märkte nach dem Primat der Profitbedürfnisse der eigenen großen Korporationen und Finanzakteure.

    Es ist nicht nur verständlich, dass Russen es absurd finden, dass die Europäer vorgeben, es ginge der deutschen Politik um die Etablierung verbindlicher Regeln in der internationalen Politik, wenn zugleich diese deutsche und europäische Politik die Anerkennung des Primats der Unterwerfung unter einen selbsterklärten Hegemon bedeutet, dessen Politik von Selbstermächtigung über alle Gesetze und Rechte von Menschen weltweit bestimmt ist und alleine das Primat des nationalen Eigeninteresses absolut setzt.

    Und das wurde den europäischen „Verbündeten“ auch bereits im Jahr 2000 auf einer vom US-Außenministerium organisierten Konferenz in Bratislava mitgeteilt: Der damalige deutsche Vertreter dort, der Sprecher des OSZE-Ausschusses des Deutschen Bundestags, Willy Wimmer, hat in einem offenen Brief an Bundeskanzler Gerhard Schröder berichtet, dass ein Sprecher des US-Außenministeriums dort die „verbündeten“ Staaten unterwiesen hätte, dass sie für zukünftige Nato-Interventionen nicht mehr europäischen Rechtsvorschriften folgen könnten, sondern in ihrer faktischen Kriegspolitik den Rechtsauslegungen der US-Regierung zu folgen hätten. Hier, in Bratislava, wurde auch schon 2000 offen der geopolitische Fahrplan der US-Politik angekündigt – und zwar die vollständige Isolierung Russlands und seine Blockade im Ostmeerraum und im Schwarzen Meer. Wimmers Schlussfolgerung war, dass hier ein Grundpfleiler europäischer Rechtsgeschichte seit dem Westphälischen Frieden eingerissen wurde.

    Und die unfriedlichen Konsequenzen dieses außenpolitischen Verständnisses haben die Europäer als sukzessive Erschütterung ihrer Sicherheit erfahren müssen. Seit 2015 ist klar, dass selbst innenpolitisch die systematische Zerstörung der Tektonik des Nahen Osten durch die USA – mit reichlich französischer und britischer und leider auch teilweise deutscher Hilfe – europäische Gesellschaften ins Wanken geraten sind.

    Oder will auch nur ein denkender Mensch bezweifeln, dass neben der Zerstörung des sozialen Friedens durch den gleichfalls von den USA vorangetriebenen post-90er Chicago-Boys-Kapitalismus, den, nach dem Modell von Thatcherismus und Reagonomics, unter Blair und Schröder ausgerechnet Sozialdemokraten „salonfähig“ in Europa machten, auch die nachhaltige Zerstörung des Sicherheitsumfelds Europas zum sukzessiven Tod der beiden tragenden Volksparteien, der Sozial- und der Christdemokraten, geführt haben, die die ganze Geschichte des westlichen Nachkriegseuropas formten? Und damit auch zur bedrohlichen Renaissance des Rechtsextremismus und radikal rechter Parteien in Europa?

    Wollen deusche Politiker so tun, als hätte dies mit der Politik völkerrechtswidriger Angriffskriege und illegaler Drohnenangriffe gegen Staaten, gegen die die US offiziell gar nicht im Krieg sind (womit deren Regierung derart als nicht souverän vorgeführt werden, dass auch der Staatsverfall rasant vorangetrieben wird) zu tun? Begonnen unter George W. Bush, weiter ausgedehnt unter Obama, erfolgen diese Angriffe inwzischen, von deutschem Grund, im Durchschnitt im Abstand von zwölf Minuten.

    Dazu kommt die offene Förderung all solcher Terrorstrukturen, entstanden durch das Machtvakuum nach der Demontage von Staatsgewalt im Nahen Osten, die abwechselnd den Vorwand für US-geführte Kriegsakte bilden, dann aber wieder gegen ‚unbotmäßige‘, nämlich gegenüber US-Hegemonialansprüchen renitente, Regierungen und ihre Bevölkerungen in Stellung gebracht werden. Dass ‚der Westen‘ (die gloriose ‚westlich-wahabitische Wertegemeinschaft‘) Islamisten in Syrien unterstützt hat, hat nicht nur Russland behauptet, sondern u.a. auch der investigative Nahostkorrespondent des Independent, Robert Fisk, durch Recherchen nachgewiesen.

    Und damit kommen wir zu einem weiteren Punkt, an dem man als Bürger nur mit Befremden konstatieren kann, dass deutschen Politikern offensichtlich die Fortsetzung einer auf der Unterordnung unter US-Hegemonie beruhenden Machtstruktur so wichtig ist, dass sie dafür die innere Sicherheit und Stabilität der eigenen Gesellschaften gerne anscheinend aufkündigen: Um diese Politik hinter einem pseudo-humanitären Mäntelchen zu kaschieren, wird lieber riskiert, dass der Rechtsextremismus in Euoropa zu neuer Blüte kommt, als dass je ein kritischer Blick auf die westliche Hegemonialpolitik geworfen wird, die so gerne vollmundig unter humanitärem Mangel daherkommt.

    Denn im vermachteten Diskurs der europäischen Öffentlichkeit scheint die Kritik an westlicher Kriegspolitik, vor allem wenn sie den eskalatorischen Folgen westlicher ‚Hybridpolitik‘ gilt, ein derartiges Tabu zu sein, dass man lieber eine grassierende Zunahme des Rassismus in Kauf nimmt: Denn wie kann es sein, angesichts eines derartig erschütternden Legitimationsverlust gegenüber nationalen und EU-Strukturen in EU-Europa, nach der Massenflucht aus dem Nahen Osten, vor allem aus Syrien, nach 2015, dass niemand aus den Rängen deutscher Medienvertreter auf die Idee kommt, den deutschen Beitrag an der Auslösung dieser Katastrophe unter die Lupe zu nehmen, obwohl der offen auf der Hand liegt. Nämlich um sich hinter das geopolitische Schachspiel der USA zu stellen und diesmal davon mitzuprofitieren (damit, anders als im Irak, deutsche Konzerne diesmal nicht leer ausgehen sollten), hat gerade die Bundesregierung unter Merkel den entscheidenden Schritt der inneren Eskalation in Syrien getan: nämlich mit den Mitteln des Wirtschaftskriegs.
    Denn wenn eine Gesellschaft derart sanktioniert wird, dass die Durchschnittseinkommen von durchschnittlich über 1000 Euro auf 250 Euro pro Familie fallen, dann ist das keine humanitär sich verbrämen lassende „Unterstützung gegen den demokratischen Protest gegen einen Diktator“, sondern dann ist dies eine Form der Massakrierung der Bevölkerung! Als jemand, der mit vielen Geflüchteten regelmäßig zu tun hat, weiß ich, dass die meisten nicht vor primären Kriegshandlungen, sondern vor den sekundären Kriegsfolgen geflüchtet ist. Was glauben eigentlich diese subalternen US-Zöglinge, was zwischen Menschen abgeht, wenn eine Gesellschaft so abstürzt? Wieviel Gewalt dort freigesetzt wird? Wie schnell die psychische Transformation vieler junger Männer vonstatten geht, die den psychischen Folgen von Ohnmacht durch das unentrinnbare Elend durch Radikalisierung entfliehen? Vor allem wenn wahabitische Partner des „Wertewestens“ kräftig mit der Türkei dafür sorgen, dass gewaltbereite Terroristen von außen, als Folgen des verpfuschten völkerrechtswidrigen Irakkriegs, nach Syrien strömen?

    Natürlich hat die Flüchtlingskrise als Folge westlicher Aggressionspolitik den europäischen Bevölkerungen einen Vorgeschmack darauf gegeben, wie fragil die eigene kollektive Sicherheit ist, wenn um Europa rum Gesellschaften zusammenkrachen. Und da die inszenierte (und deshalb zynische) Verzückung über die „humanitäre Kanzlerin“ die Ursachen des massiven Kollapses einer ganzen Region nur verhüllte, brachen sich rassistische und mythisch-konspirative Erklärungen des eigenen verspürten Sicherheitsverlusts (inklusive von dessen sozialpolitischen Komponenten) die Bahn und gefährden nun den demokratischen Konsens in Europa durch rechtsextreme Parteien.

    Und nun kommen wir zur Ukraine, bei der ich mich gleichfalls frage, ob überhaupt unsere Politiker noch in der Lage sind, auf der Grundlage unserer Verfassung unsere Interessen zu vertreten, mit denen sich nämlich die US-Hörigkeit beißt.

    Machen wir uns noch einmal die Ungeheuerlichkeit dessen, was hier US-Politiker betrieben haben, deutlich: Die europäische Bevölkerung hat, genau wie die russische, eigentlich ein natürliches Interesse an einer gesellschaftlich stabilen Ukraine, die eine – wirtschaftliche und politische – Brücke zwischen Russland und EU-Europa bildet. Die USA haben das nicht – für sie ist eine kooperative Beziehung zwischen Russland und Resteuropa eine Gefährdung ihrer Hegemonie.

    Deshalb war, wie auch bereits Günter Verheugen kritisch anmerkte, bereits das Assoziationsangebot nach dem ‚Entweder EU – oder Russland‘-Prinzip destruktiv. Nun hatte aber dies die russische Führung mit dem Vertrag zwischen Steinmeier, dem französichen und polnischen Ministerpräsidenten über Neuwahlen in der Ukraine akzeptiert.

    Als was für einen Schritt muss nun also die deutliche US-Unterstützung für den gewaltsamen Bruch dieses Vertrags durch einen vorzeitigen Sturz eines gewählten ukrainischen Präsidenten sein? Diese US-Führung bei der Gewalteskalation haben gleichfalls führende US-Vertreter explizit ausgesprochen: Ich erinnere an das Interview Obamas durch CNN, bei dem er sagte: „Putin was taken by surprise when we brokered the deal of the transition of power in Ukraine“. Auch hier scheint im deutschen politischen Diskurs das Tabu der Kritik an US-Suprematie so tief verwurzelt zu sein, dass man so tut, als hätte das alles so gar nicht stattgefunden und als hätten die lieben US-Verbündeten durch die Herbeiführung des gewaltsamen Umsturzes nicht ihren werten Kollegen Steinmeier öffentlich als politisch impotenten Trottel dastehen lassen. Vor allem aber scheint es ein Tabu zu sein, auszusprechen, was Frau Nuland im Telefonat mit dem US-Botschafter Pyatt ausgesprochen hat: Was meinte denn die gute Frau, die Jazenjuk vorab als Nachfolgeregenten ankündigte, mit ihrem „Fuck the EU“? Das hieß ja wohl deutlich: ‚WIR=die USA haben hier, in Europa, die Eskalationsdominanz.‘ Wer hier nicht begreift, dass dies ein unfreundlicher Akt der USA, ein Unterwerfungspostulat ist, das gegen die Sicherheit und Souveränität Europas wie Russlands gerichtet ist – und dass es sich hier weder um Werte- noch rechtsbasierte Politik handelt, sondern um autoritäre Hegemonialpolitik nach der Devise Carl Schmitts (‚Souverän ist, wer über über den Ausnahmezustand herrscht‘).

    Resultat: Wie im Falle der Gesellschaften des Nahen Osten ist die Ukraine inzwischen ein „failed state“, dem die vollständige Auflösung durch Migration aller jungen Leute, mit Ausnahme der rechtsextremistischen Szene, droht. Während Frau Merkel sich von der deutschen Presse für ihre Minsk-Verhandlungen preisen ließ, ist die deutsche Regierung komplett unfähig, die Einhaltung der Abmachungen seitens der Ukraine zu beeinflussen – und versucht dies noch nicht einmal. Warum? Weil Poroschenko auch nur einen Hauch an Interesse hat, die Ukraine im Sinne der eigenen Bevölkerung und Europas zu regieren? Oder weil die nach wie vor ungebrochen bestehende Eskalationsdominanz der USA in der USA, die kein Interesse an Frieden haben, ein Tabu ist, das noch nicht einmal angesprochen werden darf?

    Obgleich die Ankündigung der Aufkündigung des INF-Vertrags, die der einseitigen Aufkündigung des ABM-Vertrags durch die Busch-Regierung folgt, droht, die Europäer kollektiv wieder in das Elend nuklearer Geiselhaft bei dauerhafter Gefahr eines nuklearen Vernichtungskriegs zu zwingen (welche souveränen demokratischen Regierungen können eigentlich so etwas zulassen? – angeblich besteht doch das Besatzungsstatut nicht mehr!), ist die anscheinend die Unterordnung unter die US-Hegemonie die einzige Konstante westeuropäischer Politik. Und wenn aktiv von deutschen Parlamentariern, gegen alle außenpolitischen Doktrinen aller US-Regierungen seit Bill Clinton und gegen die Faktizität der für Europa sicherheitspolitisch fatalen US- und Nato-Politik, dies blind vertreten wird und die Folgen negiert werden, dann kann ich als deutsche Staatsbürgerin die Sprachlosigkeit russischer Parlamentarier nur teilen.

    Offensichtlich sind – durch das Netzwerk transatlantischer Lobbyorganisationen und durch Nato-Institutionen (wie hinsichtlich unseres publizistischen Diskurses die Formung der Einstellungen von Alpha-Journalisten durch die Konferenzen der Nato-Exzellenzzentren und der East StratCom TaskForce)- die Filter deutscher Politik erfolgreich strukturiert worden, dass nur in verantwortliche Positionen gelangen kann, wer unter politischem Analphabetismus leidet – anders noch als zur Zeit von Politikern von Brandt bis Helmut Kohl.

    Offensichtlich kapieren unsere „Vertreter“ nicht, dass demokratische Rechtsstaaten nur stabil als souveräne, wenn auch kooperative, Vertreter ihrer Bevölkerungen auf ihrer eigenen verfassungsmäßigen Grundlage funktionieren können. Sie halten den absoluten geschichtlichen Sonderfall, dass die westeuropäischen Regierungen von 1949 auch in hegemonialer Abhängigkeit von den USA ihre Bevölkerungen zumindest innenpolitisch demokratisch vertreten konnten, für ein universalisierbares Modell und haben aus der Selbstkolonialisierung gegen die empirische Realität seit 1990 ein ideologisches Credo fabriziert. Sie weigern sich zu erkennen, dass das moderate – wenn man von der Gefahr des permanenten nuklearen Vernichtungskriegs absieht – vergleichsbeise milde Hegemonialregime der USA dem Systemwettbewerb gegen den Warschauer Pakt geschuldet war – und dass dies seit 1990 Geschichte ist, was führende US-Politiker auch nie ernsthaft abgestritten hätten.

    Da aber die normative Grundlage ihrer Politik jene Verfassungen sind, die die Vertragsbasis repräsentativer demokratischer Regierungen zu ihrer eigenen Bevölkerung darstellen, ist schlichtweg das Verhältnis zu den USA davon abhängig zu machen, ob es sich noch mit dem normativen Gehalt dieser Verfassungen und dem mehrheitlichen Willen der Bevölkerung, sofern er auf dieser Verfassung beruht, vereinbar ist.

    Mir scheint das nicht so. Mir erscheinen die derzeitigen Beziehungen zu den USA als die größte Gefahr für den Frieden in Europa und für unsere Demokratie. Und zwar, weil ich auf der normativen politischen Ordnung des Grundgesetzes stehe. Denn Russland mag ja weder ein perfekter Rechtsstaat noch eine perfekte Demokratie sein – aber von Russland geht kein innenpolitischer Druck aus, der die Rechtsstaatlichkeit und die demokratische Repräsentationsfähigkeit der Politik in Deutschland unterminiert. Das ist bei der USA anders: Und wie gründlich sie eine Infrastruktur ausgebaut haben, um zu garantieren, dass deutsche Repräsentation sich primär an Interessen der USamerikanischen Exekutive, statt an denen der deutschen Bevölkerung orientiert, haben die Snowden-Leaks gezeigt.

    Dass angesichts harter empirischer Fakten und unzweideutiger Regierungsdokumente der US-Administration also die US-Hegemonie die einzige unhinterfragbare Konstante westeuropäischer, vor allem aber offensichtlich deutscher Politik zu sein scheint, ist angesichts der erneuten Gefahr eines großen Krieges, der die vollständige Vernichtung Europas bedeuten würde, nicht nur befremdlich, sondern geradezu geisterhaft. Auch ist es geisterhaft, dass sie gesellschatlich noch nicht einmal offen zur Diskussion gestellt werden darf. Und das, obwohl die Tabuisierung dringender Fragen ein Legitimationsvakuum geschaffen hat, in dem rechtsextreme politische Vorstellungen wieder massiv gedeihen konnten.

    Ich habe mich mit vielen kritischen Russen ausgetauscht, die durchaus massive Kritik an der eigenen Regierung haben. Aber nicht in der Richtung, die Russland näher an Europa rückte, obgleich dies durchaus am westlichen Paradigma von vor 1989 orientierte, linke, aber an demokratischen Vorstellungen interessierte Menschen sind (absolut keine, die in Richtung etwa Duginscher-Vorstellungen oder der Monarchisten driften). Es sind Menschen, die gerne in einem Russland leben würden, dass so organisiert ist, wie es die westeuropäischen Sozialdemokratien vor 1989 waren. Sie sehen aber in diesem Westen, wie er seit 1990 ist, dennoch eine Gefahr für Russland – die sie übrigens an öffentlich demokratischer Opposition hindern. Nicht den Menschen und nicht der zivilen Zusammenarbeit mit ihnen misstrauen sie, aber der Versessenheit westlicher hegemonialer Strukturen darauf, jene Souveränität Russlands zu untergraben, die die Voraussetzung dafür ist, dass die russische Regierung innenpolitisch überhaupt je im Sinne der eigenen Bürger agieren könnte.

    Das Schlimme ist – im dem Falle, dass Europa ein Hilfsposten der US-Politik bleibt, muss ich ihnen da rechtgeben. Denn unseren Politikern trauen wir, wie die Wahlkatastrophen ja zeigen, selbst nicht mehr. Wer uns einem derart kriegerisch eskalierenden US-Machtapparat derart widerspruchs- und zahnlos ausliefert (30% der Deutschen haben, berechtigt Angst vor einem Weltkrieg), bis zur Auslieferung an die lebensbedrohliche neue Nukleardoktrin von US-Regierung und US-Politik, bewahrt noch nicht einmal mehr zuverlässig unser nacktes physisches Überleben und das unserer Kinder. Wer das mitmacht, versteht prinzipiell die grundlegenden Prinzipien staatlicher Legitimation gegenüber den eigenen Bürgern nicht mehr, weil er sich von einer Hegemonialmacht diktieren lässt, für ihre Interessen die eigenen Bürger preiszugeben.

    Und das ist so kafkaesk, dass es nur noch hilflos macht. Wie sollen wir, bei einem solchen Verständnis der eigenen politischen und medialen Klasse, da noch unsere Gesellschaft gegen Rechtspopulisten verteidigen können? Wir leben in einem Tollhaus. Und dieses Tollhaus hat nicht Russland geschaffen, es ist ein genuin westliches.

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    Horst Beger, Gesellschaft für Deutch-Russische Begegnung Essen mit der Partnerstadt Nishnij Nowgorod 5 Jahren

    Eine russische Stimme aus unserer Partnerstadt Nishnij Nowgorod hat die derzeitige militärische (NATO), politische und wirtschaftliche Haltung des Westens gegen Russland als „Kreuzzug des Westens gegen Russland“ bezeichnet. Wobei es damals wie heute der Kirche bzw. der NATO und den dahinter stehenden USA nicht um eine „freie und friedliche Weltordnung“ ging und geht, sondern um eine militärische und wirtschaftliche Vormachtstellung in der Welt. Und der amerikanische Politologe Samuel Huntington hat diesen seit Jahrhunderten bestehenden geostrategischen Kampf als „Kampf der Kulturen“ bezeichnet, der gegenwärtig speziell in der Ukraine ausgetragen wird.