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… damit der Frieden in Europa endlich vorwärts kommt

Warum wurden die Sanktionen gegen Russland auf der letzten EU-Tagung verlängert und nicht abgebaut? Die Staats- und Regierungschefs der EU saßen lange in Brüssel zusammen und debattierten. Sie konnten sich nicht auf gemeinsame Klimaziele bis 2050 einigen. Warum? Weil Polen, Ungarn und einige andere Osteuropäer ihr Veto einlegten. Bekanntlich müssen Grundsatzentscheidungen in der EU im Konsens getroffen werden.

Keine Entscheidung gab es auch bei der Frage, wer künftiger EU Kommissionspräsident werden soll. Frankreich legte gegen den deutschen Spitzenkandidaten Weber ein Veto ein. Deutschland wiederum lehnte andere Bewerber ab. Wer und wie die neue Führung der EU gebildet wird, steht in den Sternen.

In einem Punkt waren sich die EU Staats- und Regierungschefs aber allesamt einig. Die Sanktionen gegen Russland wurden verlängert, obwohl zuvor einige Staaten, wie Italien, angekündigt hatten, gegen die Russland-Sanktionen zu stimmen. Findet sich wirklich kein einziges Land in der gesamten EU, das einmal den Mut aufbringt, sein Veto gegen die Sanktionen einzulegen?

Man kann sich die Gespräche in Brüssel hinter den verschlossenen Türen lebhaft vorstellen. Wer Sympathien mit Russland hegt, dem droht man mit dem Fegefeuer. Angela Merkel hat ja schon vor der EU-Sitzung auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Vladimir Selenski angekündigt, dass die Russland-Sanktionen verlängert werden sollen: solange Russland Teile der Ukraine okkupiert. Welcher Regierungschef traute sich am nächsten Tag in Brüssel, Merkel zu opponieren?

Leider muss aus der Situation der traurige Rückschluss gezogen werden, dass die Russland-Sanktionen wahrscheinlich für immer bestehen bleiben, obwohl sich immer mehr führende Politiker, auch in Deutschland, für ihren Abbau einsetzen. Die wenigen Staaten, die sich für Ihre Abschaffung oder Minderung einsetzen, werden von einigen anderen Ländern, die sich in einem neuen Kalten Krieg mit Russland sehen, angefeindet. Polen, die Balten, Rumänien, Schweden und vor allem die Briten (solange sie noch am Tisch sitzen), haben zur Bedingung der Abkehr von Sanktionen die Rückgabe der Krim an die Ukraine gestellt. Jeder weiß, wie unrealistisch das ist.

Es gibt noch einen weiteren Grund, warum die Russland-Sanktionen, trotz Bitten mächtiger europäischer Wirtschaftsverbände, ewig bestehen bleiben: die Ukraine. Für die Ukraine macht es keinen Sinn, die Vorgaben des Minsker Ankommens zu erfüllen. Eine breite Autonomie für den Donbass, wie im Abkommen vorgesehen, wird eher zur Abspaltung der russlandsprachigen Region Richtung Moskau, als zur Integration in eine wirtschaftlich schwache Ukraine führen.

Die Ukraine ist nicht an einem echten Friedensschluss mit Russland interessiert, weil sie die Krim dafür opfern muss. Die Ukraine ist deshalb hauptsächlich daran interessiert, dass der Westen seinen Druck auf Russland massiv erhöht, um der russischen Wirtschaft so viel Schaden wie nur möglich anzurichten. Nur wenn die russische Wirtschaft kollabiert, kann sich Kiew Chancen ausrechnen, die Krim zurückzubekommen.

Allerdings muss auch Selenski einsehen, dass die Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung keinen Krieg mit Russland will, sondern auf eine Friedenslösung hofft. Auch aus diesem Grund hat sie Petr Poroschenko abgewählt.

Die Bundesregierung muss doch die Taktik der Ukrainer begreifen und dementsprechend handeln. Entweder stellt sich Berlin ganz auf die Seite der Ukrainer – unterstützt womöglich US Waffenlieferungen an die Ukraine, und hilft damit Russland weiter nach Asien abzudrängen. Oder sie übernimmt die Rolle des ehrlichen Maklers und entwickelt das, was das einzig Richtige ist: ein neues Konzept für eine europäische Sicherheitsarchitektur, die nicht ausschließlich auf der NATO beruht, sondern die OSZE als drittes Standbein (neben NATO und EU) in Europa etabliert.

Frieden gibt es nur im gemeinsamen Europa von Lissabon bis Wladiwostok. Viel Zeit, das Konzept zu realisieren, bleibt nicht.

Vor genau 78 Jahren wurde die Sowjetunion Opfer des Hitler-Angriffs. In nur vier Jahren musste die Sowjetunion 27 Millionen Tote beklagen. Das scheint im Westen vergessen, ansonsten hätte Frankreich Russland zur diesjährigen Feier der Alliierten-Landung in der Normandie eingeladen und Polen zum Gedenktag an den Hitler-Angriff vor 80 Jahren. Russland nicht einzuladen ist keine schöne Geste, eine gute Geste, wäre die Aussetzung von Sanktionen, damit der Frieden in Europa endlich vorwärts kommt.

COMMENTS

WORDPRESS: 2
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    Udo Mühlmann 5 Jahren

    Die Politik,die die EU betreibt,ist zum Scheitern der EU verurteilt.Russland wird sich immer mehr nach dem Osten wenden und Deutschland und die gesamte EU hat dann das Nachsehen.Russland sowie China und einige andere Länder,werden es Europa noch Zeigen,wo die Richtung hingeht.

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    Horst Beger 5 Jahren

    Die Einigkeit der EU Staats- und Regierungschefs zur Verlängerung der Russland-Sanktionen gegen die eigenen Wirtschaftsinteressen zeigt, dass hinter diesen scheinheiligen Sanktionen mehr steht als nur die Forderung zur Aufhebung der Wiedervereinigung der Krim mit Russland. Dahinter verbirgt sich der Jahrhunderte alte „Kampf des Westlichen(römischen)Christentums gegen das Östliche(orthodoxe)Christentum“, wie der amerikanische Politologe Samuel Huntington das 1997 in seinem „Kampf der Kulturen“ aufgezeigt hat. Darin weist er darauf hin, dass diese „Scheidelinie“ auch die Ukraine in eine von der Orthodoxie geprägte Ostukraine und eine von Rom beeinflusste Westukraine trennt und deshalb ganz aktuell ist. Aus diesem Grund hat es auch noch nie Frieden an dieser Kulturgrenze in Europa gegeben und insbesondere Polen hat sich von Rom immer wieder als „Speerspitze“ gegen die Orthodoxie instrumentalisieren lassen.