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Petersburger Dialog hat sich verändert

Übermorgen startet der diesjährige Petersburger Dialog. Er tagt auf dem Petersberg in Bonn und in Königswinter. Themen zum Diskutieren gibt es genug – die Welt ist in Aufruhr. Die Außenminister Deutschlands und Russlands werden den Dialog feierlich eröffnen, aber auch der Ministerpräsident des Gastgeberlandes, Nordrhein-Westphalen, Armin Laschet, hält eine Rede zum deutsch-russischen Verhältnis. Im Gegensatz zu den anderen Kanzlerkandidaten der CDU, gilt Laschet als Russland-freundlich, deshalb wird das, was er zu sagen hat, mit Spannung erwartet.

Anders als in den Jahren zuvor, steht der diesjährige Petersburger Dialog unter einem guten Stern. Trotz Ferienzeit, haben sich zahlreiche hochkarätige Teilnehmer angemeldet. Denn Russland steht in Europa nicht mehr so isoliert da. Mehrere Ministerpräsidenten in Bundesländern haben sich für eine Aufhebung der Sanktionen gegen Russland ausgesprochen. Der neue ukrainische Präsident Wladimir Selenski hat seinen Amtskollegen Wladimir Putin zu Gesprächen aufgefordert, wo vielleicht ein Kompromiss zur Lage im Donbass erzielt werden kann. Auch das Treffen Trump-Putin auf dem G20-Gipfel in Japan weckte Hoffnungen auf neue Entspannung zwischen den Großmächten. Das G7 Treffen im August in Biarritz wird noch ohne Russland stattfinden, im nächsten Jahr jedoch, wird Trump Putin zum G7(8)Treffen nach Amerika bestimmt einladen.

Der unsinnige Verdacht der permanenten russischen Einmischung in europäische Wahlen erhärtet sich nicht. So wie es aussieht, sind es viel mehr die Amerikaner, die sich in die europäische Innenpolitik einmischen, den Brexit befördern, Rechtspopulisten loben und Westeuropäer und Osteuropäer in Sicherheitsfragen auseinander dividieren. Die Russen sind an einer offenen und pragmatischen EU interessiert; Außenminister Sergei Lawrow nennt den europäisch-russischen Konflikt eine „unnütze Konfrontation“.

Und etwas anderes hat sich im Petersburger Dialog verändert. Bekanntlich wurde der Dialog 2000 gegründet, um Deutschland und Russland nach dem Ende des Kalten Krieges schneller zu versöhnen. Doch in Berlin und Moskau hegte man unterschiedliche Ziele mit dem Dialog. Deutschland wollte die Plattform als Austausch von Vertretern der Zivilgesellschaften beider Länder begreifen, Russland interessierte sich vornehmlich für einen Sicherheitsdialog mit den Deutschen. Der rein zivilgesellschaftliche Charakter des Dialogs führte dazu, dass Russland sich ständig in der Rolle des Schülers wiederfand, dem Deutschland Demokratie und Menschenrechte beibringen wollte. Diese Schieflage im Dialog hat Russland nie akzeptiert, aus ihr heraus resultierten ständige Konflikte.

Jetzt steht, angesichts der verworrenen Weltlage, die Sicherheitsproblematik – und nicht Angela Merkels liebstes Kind, die „werteorientierte Außenpolitik“ – im Fokus der Debatten. In den Arbeitsgruppen wird die Idee eines gemeinsamen Raumes von Lissabon bis Wladiwostok sicherlich Gehör finden. Die Deutschen werden Russland wieder mit Respekt behandeln und an Moskau appellieren, mit den USA Abrüstungsverhandlungen aufzunehmen. In Berlin hofft man auch auf eine konstruktivere Rolle Russlands im Irak-und Syrien-Konflikt.

Manche Beobachter sind pessimistisch, erwarten keine neuen Erkenntnisse vom Dialog. Die Veranstaltung sei nichts anderes als ein Jahrmarkt der Eitelkeiten, denjenigen, die da hinfahren, ginge es mehr darum selbst gesehen zu werden, als um einen Ideenaustausch mit den „schwierigen“ Russen. Es wäre in der Tat traurig, wenn es in den Arbeitsgruppen zum Abspielen der alten Litaneien kommt und es nur beim Austausch altgedienter Argumente nach dem Motto „Wer hat angefangen?“ bleibt.

Der Petersburger Dialog sollte versuchen, ein neues Kapitel in den beiderseitigen Beziehungen aufzuschlagen, weniger über festgefahrene Stereotypen reden, auf Schuldzuweisungen verzichten und gemeinsame Positionen auf die Herausforderungen dieser Welt suchen. Beispielsweise könnten Deutschland und Russland in Zeiten, wo der Klimaschutz eine immer bedeutsamere Rolle in der Welt spielt, eine ökologische Partnerschaft begründen, in welche die existierende Energiepartnerschaft eingebettet werden könnte.

Es ist ein gutes Zeichen, dass der Petersburger Dialog die schwere Zeit nach der Ukraine-Krise überlebt hat. Anfangs sah es noch so aus, als ob er nie mehr zusammenkommen könne. Aber in Deutschland existieren, anderes als in den anderen europäischen Ländern und Gesellschaften, noch Kräfte und Persönlichkeiten, die sich immer für Annäherung und Ausgleich mit Russland einsetzen werden.

In Zeiten, wo sich das transatlantische Verhältnis als schwierig erweist und die europäische Einheit gefährdet ist, braucht Deutschland eine konfliktfreiere Beziehung zu Russland. Das verstehen nicht alle im Petersburger Dialog, aber zunehmend viele.

COMMENTS

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    Horst Beger 5 Jahren

    Ob der diesjährige Petersburger Dialog „unter einem guten Stern steht“, darf bezweifelt werden, wenn der Vorsitzende des deutschen Lenkungsausschusses, Herr Profalla schon im Vorfeld weltfremd erklärt, die Sanktionen gegen Russland müssten so lange bestehen bleiben, bis der der Ukrainekonflikt gelöst ist und scheinheilig erklärt, der Dialog müsste aber fortgeführt werden. Und auch die ersten Verlautbarungen der neuen Verteidigungsministerin gehen in die gleiche Richtung, wenn sie als erstes fordert, die Sanktionen gegen Russland aufrecht zu erhalten und die Verteidigungsausgaben (zu Lasten der Steuerzahler)zu erhöhen; von der ehemaligen Verteidigungsministerin und künftigen Kommissionspräsidentin der EU ganz zu schweigen.

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    Wir können nur hoffen, dass sich am Ende diejenigen hier durchsetzen, die kooperative, freundschaftliche und auf Vernunft beruhende Beziehunge zu Russland suchen und pflegen wollen.

    Deutschland kann schlichtweg nicht den angelsächsischen (denn hier gibt es zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich nur wenig Unterschiede) Vorstellungen folgen, einen „westlichen“ Zusammenhalt auf einem antagonistischen Verhältnis zu Russland aufbauen zu wollen, ohne sich innerlich selbst zu zerstören. Dagegen steht einfach die jahrhunderte alte russisch-deutsche Geschichte.

    Auch was das Verhältnis Russlands zu anderen osteuropäischen Ländern betrifft, ist Deutschland historisch verpflichtet, Brücke zu sein – weil wir selbst in der Vergangenheit eine blutige Politik von divide et impera im Verhältnis osteuropäischer Bevölkerungen zueinander verfolgt haben. Auch und gerade Ukrainer, Balten und Polen brauchen, wenn sie in Frieden prosperieren wollen, eine Neufundierung und keine Blockade der Beziehungen zu Russland.

    Es ist höchste Zeit, dass europäische Völker die eigene Geschichte wahrheitsgemäß, aus allen Winkeln und ohne Scheuklappen und Ressentiments in den Blick nehmen, in der gemeinsamen Absicht, dass die Verheerungen der Vergangenheit nie wieder Wirklichkeit werden dürften. 1990/92 gab es eine Chance, die wir alle verpasst haben – also können wir alle nur hoffen, dass es für einen Neustart noch nicht zu spät ist.

    Europa wird nur in Demokratie und Frieden leben können, wenn alle Europäer, einschließlich der Russen ernst genommen und gehört werden. Unsere Länder können und dürfen keine geostrategische Manövriermasse für bloße Hegemonialkalkulationen nichteuropäischer Staaten werden. Wir brauchen Frieden, Freundschaft und Kooperation – von Lissabon bis Wladiwostok.