ZICKZACK DER BRUDERSCHAFT – oder wie eine Bruderschaft in die Geschichte eingegangen ist

ZICKZACK DER BRUDERSCHAFT – oder wie eine Bruderschaft in die Geschichte eingegangen ist

Die russische Außenpolitik hat zu jeder Zeit unter einer gewissen Naivität gelitten, die von ihren nahen und fernen Nachbarn immer wieder ausgenutzt wurde. In den letzten Tagen haben sich die russischen Medien intensiv mit der Nachricht beschäftigt, dass die Ukraine ihre Meinung über die Beendigung ihrer Beziehungen zu Russland geändert zu haben scheint, da Kiew Moskau seit mehr als sechs Monaten nichts über die Annullierung der Dokumente zur Regelung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern mitgeteilt hat. Wahrscheinlich haben sie ihre Meinung geändert.

In diesem Zusammenhang erinnern wir uns an die Geschichte aus dem XVII. Jahrhundert, als in der Ukraine der Krieg der Kosaken unter der Führung von Bogdan Chmelnitsky gegen die polnische Herrschaft stattfand. Lew Gumilew erklärte in seinen Werken, dass der Hauptgrund für diesen Krieg die Versuche der Polen gewesen seien, die orthodoxen Kosaken zum Katholizismus zu bekehren. Es gab natürlich noch andere Gründe, die dazu führten, dass sich 1654 die Pereyaslawski Rada versammelte, in deren Folge Kosaken beschlossen, den Moskauer König zu bitten, sie zusammen mit den Ländern als russische Untertanen anzunehmen. Und schon 1655 beschlossen Zar Alexej Michailowitsch und das damalige „Parlament“, d.h., die Bojaren-Duma, dieser Bitte nachzukommen und, wie es in den damaligen Dokumenten heißt, „Kiew mit den Städten und dem Saporoscher Netz“ als Teil der Moskauer Rus zu akzeptieren. Aber das Interessanteste kam etwas später. Schon als der Zar zur Verteidigung der Kosaken auftrat, in den Krieg mit Polen zog, die ersten Siege errang und in diesem Krieg erhebliche Opfer brachte, beriefen die Kosaken eine neue Rada ein. Mit dieser neuen Rada änderten sie ihre Meinung, was ihren Eintritt in den russischen betraf. Und warum? Weil die Polen bereits vertrieben waren, wurde die Hilfe aus Russland nicht mehr benötigt.

Dank des Russischen Reiches, der Sowjetunion und dann der postsowjetischen Russischen Föderation entstanden in Europa viele neue Staaten: Finnland, Estland, Lettland, Rumänien, Bulgarien, Serbien, Ukraine, Weißrussland etc. Und fast alle von ihnen, außer vielleicht Serbien und Weißrussland, standen in allen europäischen Konflikten auf der Seite der Feinde Russlands. Was ist das? Naivität des russischen Außenministeriums? Aber hörten denn nicht schon damals, als Peter Schaferow ein für die damalige Zeit modernes Außenministerium schuf, die russischen Botschafter auf, mit Pelzmänteln, Kaviar und anderen altrussischen Geschenken zu verhandeln? Schon damals schienen sie gelernt zu haben, ihre staatlichen Interessen zu verteidigen. Aber haben sie wirklich gelernt? Eher nicht. Denn auch in den folgenden Jahren versuchten sie die Orthodoxen, die Slawen oder einige andere „Brüder“ zu schützen, die ihren Rettern dann bei passender Gelegenheit, ein Messer in den Rücken steckten.

Seit den vielen schon zurückliegenden post-sowjetischen Jahren werden die Beziehungen zu einigen der engsten Nachbarn wieder nicht nach dem Prinzip des gegenseitigen Nutzens, sondern nach dem Prinzip der sogenannten „Bruderschaft“ aufgebaut. Es scheint nicht zu etwas Gutem geführt zu haben. Auf dem Maidan wurde gesungen: „Wir werden nie Brüder sein.“ Der ehemalige ukrainische Außenminister Pavel Klimkin versprach, dass alle Abkommen zwischen der Ukraine und Russland schnell beendet würden. Aber jetzt, so scheint es, haben sie ihre Meinung wieder geändert, wie 1655. Und das russische Außenministerium hofft erneut auf eine rasche „Erwärmung der Beziehungen“.

Das russische Sprichwort besagt: „Ein magerer Friede ist besser als ein guter Kampf.“ Das ist das richtig. Hauptsache, die „Erwärmung der Beziehungen“ und der „magere Frieden“ enden nicht in einem „Bruderkrieg“. Wie nicht nur einmal schon in der Geschichte.

Efim Berschin

Übersetzung: Kai Ehlers

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COMMENTS

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    Anja Böttcher 5 Jahren

    Leider wahr, aber auch verständlich: Alle europäischen Länder, inklusive Russlands, teilen mit der griechischen und römischen Antike, dem Christentum und seit dem 18., vor allem aber im 19. Jahrhundert durch wechselseitige Rezeption der gleichen historischen Ereignisse aufeinander bezogenen kulturellen ein gemeinsames geistesgeschichtliches Fundament.

    Aus dem Kanon der Kunst- und Geisteswerke, durch die Europa beanspruchte sich auszudrücken, sind die Dichtungen Puschkins, Tolstois und Dostojewskis abenso wenig zu abstrahieren wie die Balzacs, Flauberts, Goethes oder Schillers. Überall waren die politischen Antworten der Gebildeten gespannt zwischen den Konfliktpolen von Liberalismus, Sozialismus, Konservatismus und Nationalismus, bis hin zu seiner aggressivsten und tödlichsten Form, dem Faschismus. Ohne dieses gemeinsame Koordinatensystem lässt sich die Geschichtge keines Landes dieses Kontinents auch nur im Ansatz begreifen.

    Vor dem Hintergrund der gemeinsamen Geschichte und kulturellen Prägungen ist es auch nicht im Ansatz zu begreifen, warum trotz allen Schrecken der Geschichte des 20. Jahrhundwerts immer wieder Kräfte in Europa prägend werden können, die sich einbilden, sie könnten einen Teil Europas durch den Antagonismus zu Russland einigen. Besonders schäbig ist es, dass das im Falle dieses großen und einzigartigen Landes immer wieder dadurch geschieht, dass den Russen hämisch zu verstehen gegeben wird, sie seien die Schmuddelkinder des Kontinents, während ihre Meriten und Verdienste unter den Tisch gekehrt werden.

    Umfragen zeigen, dass das hier in Deutschland viele ungerecht finden – aber komischerweise kommen immer nur die anderen in Machtpositionen.

    Ohne Frieden und Kooperation mit Russland wird Europa niemals heilen, ohne gegenseitigen Respekt keinen Frieden finden. Die Kräfte, die auf Feindschaft zu Russland setzen, treiben Europa in den Untergang.

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    Rolf Joachim Blees 5 Jahren

    Ich wünsche mir Frieden zwischen den Bruderstaaten Ukraine und Russland. Es gab genug Kriege und zu viele Tote, auch verursacht durch Deutschland. Haben wir aus der Geschichte nichts gelernt? Lasst uns Freunde sein, für ein gemeinsames Europa. Lasst uns gemeinsam trinken und feiern und lassen wir uns nicht von den USA gegeneinander ausspielen. Die USA wollen kein funktionierendes und einiges Europa. Russland und die Ukraine gehören dazu!