Keiner will Frieden

Kommentar von Prof. Alexander Rahr   Die nächste Chance, den Ukraine-Krieg mit einem Friedensabschluss zu beenden war beim Gipfel in Alaska zum Greifen nahe. Es hiess doch immer wieder: Donald Trump und Vladimir Putin müssen sich nur persönlich treffen, dann kommt der Frieden von alleine. Nichts dergleichen passierte in Alaska. Folglich haben wir es mit einem ungewöhnlichen Phänomen zu tun: jede der Konfliktparteien beharrt auf dem eignen Sieg und ist bereit, dafür noch mehr Opfer zu bringen. Der Abnutzungskrieg könnte so noch Jahre dauern.

Putin kann den Krieg so lange nicht beenden, bis die Ziele der „Speziellen Militäroperation“ nicht alle erreicht sind. D.h. die vollkommene Entwaffnung der Ukraine und ein pro-russischer Präsident in Kiew müssen militärisch erzwungen werden. Überdies will Putin zumindest vier ostukrainische Regionen, die mehrheitlich russischsprachig sind, an Russland angliedern. Doch keine der Regionen ist heute zu 100% von Moskau erobert.

Eine Entmilitarisierung der Ukraine wäre nur durch ein echtes Zurückdrängen der NATO von den russischen Westgrenzen möglich. Von diesem Ziel ist Russland weit entfernt. Sollte aber Russland seine strategischen Ziele nicht erreichen, stellt sich die Frage nach dem Grossmachtstatus Russlands. Aus dieser Gesamtlogik ist zu verstehen, warum Putin die Friedensofferten Trumps bisher ausgeschlagen hat, trotz der gigantischen wirtschaftlichen Vorteile, die für Russland eine Normalisierung der Beziehungen zu den USA bringen würde. Ende des Jahres wird ersichtlich werden, ob Putin die Stärken Russlands vollkommen überschätzt hat, oder sein strategisches Ziel, den Westen zu schwächen, erreicht hat.

Die grösste Barriere für einen Friedensabschluss stellt die Europäische Union dar. Die Hartnäckigkeit und Kompromisslosigkeit mit der die EU den Krieg weiter zu Gunsten der Ukraine entscheiden will, ist insofern überraschend, als dass die europäischen Staatsführer sich in der Russland-Frage gegen ihre Führungsmacht USA stellen. Wie es scheint, ist die Führung der EU letztendlich bereit auf einen Schulterschluss mit den USA zu verzichten, um nur nicht die Ukraine an Russland zurückzugeben.

Die Position der europäischen Staatschefs kann folgendermassen beschrieben werden: ein weiteres Vorrücken Russlands in der Ukraine würde die Sicherheitsarchitektur Europas, welche auf der Stärke der NATO beruht, gefährden. Die EU verfängt sich immer mehr in ihrer Ideologie. Russland sei der neue Feind, die Ukraine verteidige die „heiligen Werte“ Europas. Vladimir Selenski sei die neue Ikone der Freiheit. Europas Schicksal hänge vom Abwehrkampf der Ukrainer ab, deshalb sei Europa bereit, seine gesamten Waffenarsenale der tapferen Ukraine zur Verfügung zu stellen, bloss, damit Selenski nicht kapituliere. Friedrich Merz und co wollen kein Treffen zwischen Trump, Putin und Selenski, bei dem die Europäer über den Tisch gezogen werden könnten.

Die Europäer arbeiten an der Torpedierung der Friedensinitiativen Trumps in der Überzeugung, dass letzen Endes die Ukraine diesen Krieg nicht verlieren könne. Bis dahin möchte Merz Deutschland kriegstüchtig machen und die Bundeswehr zu einer der stärksten Armee der Welt machen, am Besten im Bündnis mit der Ukraine.

Die EU handelt nach dem Prinzip: was nicht sein kann, darf nicht sein! Die Strategie der EU ist somit realitätsfern, Europa unterschätzt die Kriegsreserven Russlands und riskiert die eigene Verwicklung in einen Krieg mit der Atommacht Russland. Um Russland militärisch Paroli bieten zu können, muss Deutschland selbst eine Atommacht sein; das ist aus historischen Gründen ausgeschlossen.

Die Ukraine spielt in dieser Gemengelage beileibe keine Aussenseiterrolle. Selenski versteht es, mit Opfermythos permanenten moralischen Druck auf den Westen auszuüben. Er ist schon lange keine lenkbare Marionette mehr. Selenski kann momentan auch in keine Friedensverhandlungen einsteigen. Die Nationalisten in der Ukraine würden nicht zulassen, dass die Ukraine Territorien an Russland abgibt. Selenski wäre nach einem Friedensabschluss, der eine Niederlage der Ukraine besiegeln würde, politisch tot. Also muss er weiterkämpfen und drauf setzen, irgendwann die NATO in den Ukraine-Krieg hineinzuziehen. In einem solchen Krieg müsste Selenski aber aufpassen, dass Russland keine Atomwaffen einsetzt. Denn diese würden vermutlich die grössten Verwüstungen in der Ukraine selbst anrichten.

Die Interessen der USA im Ukraine-Konflikt sind schwer zu fassen. Einerseits bevorzugen die Amerikaner eine isolationistische Politik, gleichzeitig wollen sie ihre geopolitischen Errungenschaften in Europa und Südostasien nicht aufgeben. Trump persönlich sieht in Russland einen strategischen Partner bei der geoökonomischen Neuordnung der Welt. Putin will diese Partnerschaft auch, verlangt aber dafür die Ostukraine und wäre dafür sogar gewillt, Trump Grönland zu überlassen. Wichtig für Putin ist, dass Trump ihm den nötigen Respekt zollt und er mit Hilfe Amerikas den russischen Grossmachtstatus zurückerhält.

China wäre dafür prädestiniert, in der Friedensfindung eine grosse Rolle zu spielen. Das Treffen der weltmächtigsten Staatschefs in Peking anlässlich des 80 Jahrestages des Endes der Zweiten Weltkrieges bietet eine erneute Chance für den Frieden. Nur hat China natürlich seine eigenen Grossmachtinteressen vor Augen. Man will einer militärischen Konfrontation mit den USA (noch) aus dem Wege gehen. Peking ist an einer geopolitischen Schwächung des Westens interessiert und unterstützt in diesem Unterfangen seinen Verbündeten Russland. Gleichzeitig zeigt China kein Interesse daran, dass Russland die Stärke der ehemaligen Sowjetunion wiedererlangt. China wird deshalb Moskau im

Kampf um eine neue Weltordnung gegen den Westen unterstützen, aber kein Militärbündnis mit Russland gegen den Westen, dessen Märkte China braucht, begründen.

Falls es in Peking Anfang September keine Überraschungen gibt, dürfte der Krieg weitergehen. Der Zweite Weltkrieg dauerte insgesamt 6 Jahre. Über die Hälfte dieser Zeit dauert schon der Ukraine-Krieg, ohne wesentliche Frontverschiebungen, auch wenn Russlands langsamer Vormarsch heute unaufhaltsam ist. Wie der Krieg irgendwann endet, hängt von Faktoren ab, die nicht-informierte Beobachter heute nicht wissen können. Wie verkraften die Kriegsparteien die hohen Verluste an Soldaten und Kriegsmaterial? Wie lange halten die Volkswirtschaften der einzelnen Parteien den Krieg durch? Was passiert mit den Gesellschaften, übrigens nicht nur in den Kriegsländern, sondern in Europa, wo der Krieg auch grössere Schäden anrichtet. Welche Kriegsnation kann sich am Schnellsten auf die neue Technik der Kriegsführung einstellen? Nicht auszudenken wären die Folgen eines Nuklearkonfliktes – für alle Beteiligten.

COMMENTS

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    Horst Beger 2 Monaten

    „Die größte Barriere für einen Friedensschluss in der Ukraine ist die Europäische Union“, stellt der Autor nach den bisher erfolglosen Friedensbemühungen von Trump und Putin in Alaska fest. Er weist damit darauf hin, dass es sich bei dem Ukrainekrieg nicht nur um einen Konflikt zwischen der Ukraine und Russland handelt, sondern zwischen der Europäischen Union und Russland, das heißt um einen jahrhundertealten Konflikt. Der amerikanische Geostratege und Politologe Samuel Huntington hat diesen in seinem Buch „Kampf der Kulturen“ von 1996 als Kampf des westlichen (römischen) Christentums gegen das östliche (russische) Christentum aufgezeigt, ohne auf den substanziellen Unterschied einzugehen. Und er hat darauf hingewiesen, dass diese „Kulturgrenze“ auch die Ukraine in eine vom russischen Christentum geprägte Ostukraine und eine vom römischen Christentum beeinflusste Westukraine teilt, also ganz aktuell ist. Die „heiligen Werte“ Europas, die die Ukraine in dem Krieg verteidigt, sind daher die „antichristliche Welt des Westens gegen die christliche Welt Russlands“, wie Russland diesen Krieg neben seinen geostrategischen Interessen begründet. Wobei die Ukraine ja nicht von Ukrainern regiert wird sondern von Schacherern und Faschisten, die ganz andere Ziele haben als das Wohl der Ukrainer/innen. Von daher kann man nachvollziehen, dass russische Bekannte Selenski als „Satan“ bezeichnen und den Ukrainekrieg als „Kreuzzug des Westens gegen Russland“, wie Patriarch Alexej die Osterweiterung der NATO bezeichnet hatte. Wie der Krieg enden wird hat Alexander Rahr in seinem neuen Buch „Das Goldene Tor von Kiew“ realistisch prognostiziert, in dem er schreibt: „Es wird eine neue Grenze zwischen Europa und Russland entlang dem Dnjepr geben“.

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      Horst Beger 2 Monaten

      Daran werden auch das Dauergrinsen der Häretikerin im Hintergrund des Bildes und ihre Kohorten nichts ändern, die ihren gewählten Konkurrenten weggebissen hat. Denn: „Da werden Weiber zu Hyänen und treiben mit Entsetzen Scherz“, heißt es Schillers „Lied von der Glocke“.

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