Kommentar von Prof. Alexander Rahr. Im Falle des Ausbruchs eines Atomkrieges würden US- und russische Militärstrategen strikt ihren Kriegsplänen aus den Schubladen folgen und die Rationalität im Denken ausschalten. Abschreckung funktioniert nur in Friedenszeiten, der Krieg verläuft später nach eigenen Regeln.
Der US-Professor Theodore Postol, ein ehemaliger Pentagon-Militärfachmann und Physiker, sprach am 9. Oktober in Berlin über die Auswirkungen des Einsatzes taktischer Atomwaffen. Die Veranstaltung fand vor dem Hintergrund der Diskussionen über die Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland ab 2026 statt. Die Russen, so der Experte, würden als Antwort in kurzer Zeit ihre Atomraketen an der Grenze zum Westen stationieren.
Prof. Postol, emeritierter Professor für Wissenschaft, Technologie und internationale Sicherheit am Massachusetts Institute of Technology (MIT), kritisierte den Mangel an Fachwissen über den Einsatz von Atomwaffen bei US-Generälen und politischen Entscheidungsträgern. Vor allem über die radioaktiven Auswirkungen einer Nuklearkatastrophe herrsche breites Unwissen. Das Wissen über Atomkriege sei überall in der Welt erschreckend zurückgegangen. Dies sei ein sozial-psychologisches Phänomen. Das erhöhe die Kriegsgefahr, weil die jetzige Politikergeneration glaubt, einen Atomkrieg gewinnen zu können.
Dr. Postol erklärte, dass Deutschland möglicherweise vor einer „existentiellen Katastrophe” stünde, die zu größeren Verlusten an Menschenleben und Zerstörung führen würde als am Ende des Zweiten Weltkriegs. Auch die Debatten in Russland über eine wirksamere nukleare Abschreckung nannte er zunehmend alarmierend.
Taktische US-atomare Waffen sind seit den 1980er Jahren in Westdeutschland stationiert. Bei Krieg würde das gesamte Territorium Deutschlands atomar verseucht. Innerhalb von 24 Stunden wäre die deutsche Bevölkerung praktisch von einer Katastrophe betroffen. Riesige Feuersbrünste, so der Physikprofessor, würden ganze Städte abfackeln.
In der anschliessenden Diskussion, die in einer alarmierenden Stimmung abgehalten wurde, sprachen einige Teilnehmer davon, dass die aggressive Wut in manchen westlichen Eliten auf Russland wegen des Krieges in der Ukraine so weit ginge, dass Politiker, Medien und Experten lieber einen Atomkrieg riskieren, als einen Sieg Russlands im Konflikt akzeptieren würden. Völlig abwesend sei die Angst vor Atomwaffen in der Ukraine, dort scheinen Politiker noch viel grössere Opfer in Kauf zu nehmen als bisher, um gegenüber Russland ja nicht zu kapitulieren. Völlig erschreckend ist die Abwesenheit jeglicher Art von Friedensbewegung in Europa. Wo bleibt sie?
In jedem anderen weltpolitischen Konflikt fordere die Weltgemeinschaft Diplomatie, Frieden, Verhandlungen. Nur nicht im Ukraine-Konflikt. Unklar ist, ob der Bellizismus des Westens bezüglich des Ukraine-Konfliktes durch eine totale Selbstüberschätzung westlicher Kräfte erklärbar ist – oder der Wunsch, Russland eine strategische Niederlage zuzufügen so ideologisch aufgeladen ist, dass er Pragmatismus und Realpolitik keinen Raum mehr lässt.
Ein Nuklearkrieg zwischen Russland und dem Westen zerstöre die menschliche Zivilisation, sagte Postol am Schluss. Ein Atomkrieg ist technisch nicht zu gewinnen. Die bisherige Abschreckung habe der Welt 80 Jahre lang relativen Frieden gewährt, die Weltpolitik solle sich an diese Grundsätze unbedingt halten. Politiker und Militärs sind aufgerufen, Realismus zu wahren. Postol bemerkte, dass der ehemalige US-Präsident Joe Biden der gefährlichste Oberbefehlshaber gewesen sei, weil er die Russen zum Atomkrieg provozierte.
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Einen ideologischen Grund für die irrationale atomare Aufrüstung hat der zitierte US-Professor Theodore Portol ja angedeutet, indem er den katholischen ehemaligen US-Präsidenten Joe Biden als „gefährlichsten Oberbefehlshaber bezeichnet, der je da gewesen ist, weil er die Russen zu atomarer Aufrüstung provoziert hat“. Und die irrationalen Aufrüstungs-Aufrufe des katholischen deutschen Bundeskanzlers Friedrich Merz bestätigen das; wobei die irrationalen Aufrufe zur „Kriegstüchtigkeit“ des einfältigen deutschen Verteidigungsministers Boris Pistorius nicht weniger gefährlich sind. Dies bestätigt einmal mehr, dass es in dem Stellvertreterkrieg Deutschlands und der NATO gegen Russland in der Ukraine nicht nur um geostrategische Interessen geht, sondern auch um den jahrhundertealten „Kulturkampf des westlichen (römischen) Christentums gegen das östliche (russische) Christentum“, wie der amerikanische Geostratege und Politologe Samuel Huntington das in seinem Buch „Kampf der Kulturen“ von 1996 aufgezeigt hat, ohne auf den substanziellen Unterschied einzugehen. Darin hat er darauf hingewiesen, dass diese „Kulturgrenze“ auch die Ukraine in eine vom russischen Christentum geprägte Ostukraine und eine vom römischen Christentum beeinflusste Westukraine teilt, also ganz aktuell ist.
Wenn es jedoch zu einem Atomkrieg zwischen der Ukraine und Russland kommt, erübrigt sich die Frage, ob die Ukraine antichristlich oder christlich ist, dann wird es die Ukraine auf unabsehbare Zeit nicht mehr geben.