Beifall von der falschen Seite!

Beifall von der falschen Seite!

[von Prof. Alexander Rahr] Wenn Frau Merkel nächste Woche zu Putin nach Sotschi fliegt, soll sie die deutsche Innenpolitik hinter sich lassen. Es wäre fatal, wenn sie – um den deutschen Leitmedien zu gefallen – Putin mit der Keule ins Haus fällt.

Hardliner in Deutschland reiben sich genüsslich die Hände. Sie hoffen, dass Merkel den Kremlchef an die Wand drückt, ihm Menschenrechtsverbrechen in Syrien und in der Ostukraine vorwirft, ihn belehrt und Tacheles redet. Sie wollen, dass Merkel Putin zähmt.

Vielleicht kann Merkel mit dieser Taktik bei der CDU und den Grünen in Deutschland punkten, international wird sie nur Befremden hervorrufen. Die meisten Menschen in Europa sind müde vom Ukraine-Konflikt und wollen einen Interessensausgleich mit Russland erreichen, dazu gehört, dass in der Ostukraine Stabilität einkehrt.

Mit einseitigen Schuldzuweisungen an die Adresse Russlands ist dem Friedensprozess nicht geholfen. Merkel muss sich endlich trauen, auch den Ukrainern die Leviten zu lesen. Kiew hat sich im Minsker Abkommen dazu verpflichtet, der abtrünnigen Donbass-Region eine Teilautonomie zuzugestehen. Zwei Jahre drückt sich die ukrainische Führung vor dieser Entscheidung. Berlin muss jetzt Druck machen, ansonsten passiert gar nichts.

Im Syrien-Konflikt muss Deutschland mehr tun, als gebetsmühlenhaft die Absetzung von Assad zu verlangen. Hinter Assad stehen – der Westen will das nicht wahrhaben – über die Hälfte der syrischen Bevölkerung, vor allem die Minderheiten. Ein Friede in diesem geschundenen Land ist nur mit Assad als Übergangskandidat zu erreichen.

Merkel hat vor zehn Jahren gesagt, sie fahre nach Moskau jetzt immer über Warschau. Mit anderen Worten: die deutsche Russlandpolitik muss mit den Polen abgestimmt werden. So ein Quatsch!

Die Mehrheitsverhältnisse in der EU sind so, dass die Europäer eine Normalisierung mit Russland wünschen. Die Polen und die Balten waren unstrittig Opfer der Sowjetokkupation gewesen. Sie haben unter dem Kommunismus gelitten – wie übrigens die Russen auch. Die UdSSR ist seit 25 Jahren tot, eine andere Zeit ist angebrochen, die Mitteleuropäer sind alle in der NATO und EU, niemand will sie angreifen, die Russen haben soeben ihren Militärhaushalt runtergefahren.

Merkel muss nach Sotschi mit neuen Ideen reisen. Sie sollte mit Putin die Idee eines gemeinsamen Raumes von Lissabon bis Wladiwostok ins Auge fassen. Ein gemeinsames europäisches Haus ist alternativlos, ohne oder gegen Russland kann ein sicheres Europa nicht funktionieren.

Der Ost-West-Konflikt ist Geschichte. Er sollte nicht auferweckt werden. Mit Russland brauchen wir eine Einigung über die künftige europäische Sicherheitsarchitektur. Europa kann nicht nur auf den Säulen NATO und EU aufgebaut werden. Von Nöten ist eine jetzt eine Zusammenarbeit der EU mit der immer stärker werdenden Eurasischen Union.

Die Welt steht vor einem Nord-Süd-Konflikt. Diesen kann der Westen nur in strategischer Kooperation mit Russland meistern.

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