Besuchen Sie Europa, solange es noch steht….

Besuchen Sie Europa, solange es noch steht….

[von Michael Schütz] Vor zwanzig Jahren haben wir Deutschland noch am Hindukusch verteidigt, jetzt wird Deutschland samt EU bereits am Donbass verteidigt. Das meint, die Front ist kontinuierlich und bedrohlich näher gerückt. Keine Frage, es wird langsam eng für uns!

Wenn das so weitergeht, wird der deutsche Michel schon bald seine Stadttore schließen müssen, die Zugbrücken hochziehen, Mauern und Zinnen besetzen und sich auf eine langandauernde Belagerung einstellen – ohne Flüssiggas, Wärmepumpen, Fleischkonsum und sonstige Annehmlichkeiten. Ob die über den belagerten Städten kreisenden Heuschreckenschwärme dann für die Ernährung der Eingeschlossenen reichen werden, mal sehen.

Die ostischen Reiterhorden, die gerade auf Deutschland zustürmen, haben zwar, wie uns Experten seit März 2022 ununterbrochen versichern, längst keine Munition mehr für ihre Vorderlader, aber sie sind auch gewandte Bogenschützen und mit ihren langen Wurfspeeren haben sie schon manche Stadt zu Fall gebracht:

Michel sieh Dich vor!

Der beschriebene Vorgang beweist übrigens, dass das westliche Militärbündnis tatsächlich rein defensiven Charakters ist!

Nun gut.

Die westliche Wertegemeinschaft betreibt derweil im Kampf gegen Russland ihr Spiel der kontrollierten Eskalationweiter.

Das erinnert allzu sehr an den mit Wasser gefüllten Kochtopf, in dem ein Frosch sitzt. Dieser Kochtopf wird von einem Wissenschaftler ganz ganz langsam erhitzt und zum Kochen gebracht. Der Frosch bemerke die schleichende Erhitzung nicht, versichert uns der Wissenschaftler, bleibe daher sitzen und verende schließlich im kochenden Wasser. Das mag ja auf den deutschen Frosch zutreffen, aber alle anderen Frösche springen vorher natürlich heraus und kippen dann wahrscheinlich den Topf mit dem kochendem Wasser über den Versuchsleiter aus.

Diese kontrollierte Eskalation sollte uns Frösche daher langsam Sorgen bereiten. Sorgen um die reale Verfasstheit unseres demokratischen Gemeinwesens, um die europäische Zivilisation, kurz, um uns alle.

Wir brauchen uns da keinen Illusionen hinzugeben:

Sofern dieser Kurs beibehalten wird, wird die kontrollierte Eskalation in eine kontrollierte, vielmehr unkontrollierte Explosion übergehen. Explosion heißt, wir haben dann nichts mehr in der Hand. Da bleibt kein Stein auf dem anderen und kein Grashalm bleibt dort, wo er zuvor gestanden ist. Die Bibel versichert uns zwar, dass jedes einzelne Haar auf unseren Köpfen gezählt sei, aber selbst das gilt dann nicht mehr. Da zieht höchsten noch eine vergiftete Staubwolke über den still gewordenen Kontinent und das war es dann auch.

Wenn die Frösche allerdings sehr viel Glück haben, wird diese Explosion nur in einem übertragenen Sinne stattfinden. Das geht dann eher schleichend vor sich und wird einen Umbau der politischen Geographie, der politischen Systeme, der Wirtschaft, der Gesellschaft, schlicht allem nach sich ziehen. Diese Art Explosion ist schon längst im Gange, es ist nur die Frage, in welchem Ausmaß sie sich vollziehen wird. Es wird hoffentlich niemand die Erwartung hegen, dass wir da unbeschadet, bzw. ohne Veränderungen aus dem Ganzen herauskommen.

Veränderung macht Angst, aber man soll auch das Positive sehen. Das alte Europa stirbt und die Karawane zieht weiter. Die nächste Oase ist bereits in Sicht.

Wenn man einmal das Schlachtfeld von ganz weit oben betrachtet, aus der Drohnenperspektive  sozusagen, dann wird hier ein – das klingt ein bisschen paradox – Kampf um ein Weltbild ausgefochten: Verbleiben wir im westlichen, fragmentierenden Weltbild, in dem das Teilen – und Herrschen – vorrangig ist, oder setzt sich ein integrierendes Weltbild durch, das eine ganzheitliche Sichtweise auf die Phänomene der Existenz entwickelt.

Letztendlich wird um genau das gefochten, was sich auch direkt in der politischen Realität abbildet.

Es gibt keine abgeschlossenen Systeme in unserer Existenz!

Das zu verstehen, wäre jetzt nicht nur im Kampf um Zentraleuropa von Bedeutung. Sicherheit gibt es nur ungeteilt und als gemeinsame Sicherheit. Das haben einst die europäischen Führungspersönlichkeiten in einem lichten Moment auch genau so erkannt. Aber umsetzten möchte man das lieber nicht. Es fehlt der Mut und der Wille.

Die Frage steht im Raum, ist eine integrierende Weltpolitik überhaupt möglich oder bleibt das für immer ein frommer Wunsch?

Für den fragmentierenden, westlichen Geist ist die Idee, ganzheitlich zu denken, scheinbar unannehmbar. Ganzheitlichkeit ist nichts Neues in unseren Breiten, in der Medizin versucht ein solches Denken schon seit Jahrzehnten Fuß zu fassen.

Aber jetzt wo das westliche Denken so offensichtlich auf dem Schlachtfeld scheitert, bekommt das integrierende Denken mit Sicherheit einen neuen Impuls.

Es geht übrigens nicht darum, die eine Denkweise durch die andere zu ersetzten, beide haben ihre Berechtigung, aber sie müssen in ein Lot gebracht werden. Und das erfordert zunächst einmal, das integrierende Denken zu intensivieren.

Die fragmentierende Wahrnehmung der Welt kommt nicht nur in den Entscheidungen der westlichen Wertegemeinschaftzum Ausdruck, sie begleitet uns penetrant in der Beschallung des westlichen öffentlichen Raumes durch Politik, Medien und sog. Experten. Sieht man sich etwa Auftritte einschlägiger sog. Experten auf Podiumsdiskussionen und dergleichen an, kommt man aus dem Staunen nicht heraus, mit welch geballter Energie dabei die Fragmentierung (Wir die Guten, dort das Andere, das Böse) vorangetrieben wird.

Fachleute, die ihre Analyse dagegen auf Basis einer eher ganzheitlichen Sichtweise aufbauen –  bekannte Namen: Krone-Schmalz, Daniele Ganser und sein Stichwort Menschheitsfamilie – werden als Bedrohung des westlichen Konsenses dargestellt.

Übrigens meint Fragmentierung bis zum Ende gedacht beispielsweise Explosion, in der die dabei auftretende Energie die bindenden Kräfte der einzelnen Teile absolut bricht.

Warum sind trotzdem diese sog. Experten mit ihrer Argumentation so erfolgreich? Ihre Auditorien sind voll. Der Applaus kommt nicht vom Band.

Einerseits, so könnte man interpretieren, versuchen deren Zuhörer durch den Besuch solcher Veranstaltungen/Sendungen ihr altes, untergehendes Weltbild noch irgendwie über die Zeit zu retten.

Andererseits kann das fragmentierende Weltbild wohl deshalb so gut andocken, weil sich der moderne, westlich geprägte Mensch allgemein als abgespalten und isoliert wahrnimmt. Das liegt ausschließlich in der Wahrnehmung.

Aus dieser Wahrnehmung resultieren Konflikte. Das fragmentierende Denken erzeugt Angst und das Bedürfnis zur Kompensation, etwa im Willen, absolute Kontrolle auszuüben.

Mit anderen Worten, unsere sog. Experten bringen bei ihren Auftritten im Kampf gegen „das Böse“ letztendlich die Systemangst zum Ausdruck.

Während die westliche Wertegemeinschaft in ihrer Angst den Einsatz am Schlachtfeld sukzessive  erhöht, hat man uns im globalen Süden und Osten längst durchschaut und wendet sich daher von uns ab. Als Führungssystem kommen wir nicht mehr in Frage. Unser westlicher Anspruch die Welt anleiten zu wollen, ist weltfremd geworden und wird so auch nicht mehr akzeptiert.

Der Kanonendonner am Schlachtfeld scheint die Völker im Süden und Osten regelrecht aufgeweckt zu haben und sie beginnen, sich selbst neu wahrzunehmen. Die daraus resultierende Entwicklung hin zur Multipolarität führt aber offenbar nicht dazu, dass der Staatenteppich zerfranst, im Gegenteil, sie ermöglicht integrierende Prozesse, wie beispielsweise gerade im arabischen/asiatischen Raum zu erkennen.

Wer die Welt lesen kann, wird daher verstehen, wer die große Schlacht gewinnen wird:

Der integrierende Geist, der eine ganzheitliche Sicht entwickeln kann. Dann kann vieles möglich werden, was zuvor blockiert gewesen ist. Ob das dann noch mit den EUropäern geschieht oder ohne sie, ist dann nur mehr eine zweit- oder drittrangige Frage.

Der in der Überschrift des Beitrages wiedergegebene Song-Titel „Besuchen Sie Europa, solange es noch steht“ von Geier Sturzflug wird von den Angegrauten unter uns wahrscheinlich noch lebhaft erinnert. Diese coole Zeit war das Jahr 1983, wir saßen auf einem Vulkan und wir wussten es. Darüber gibt der Song gewissermaßen Auskunft: Wenn vor dem Kölner Dom einmal ein Atompilz aufsteigt, ist es zu spät, heißt es da.

Was wir damals nicht wussten, war, dass genau zu diesen Zeiten ein sowjetischer Offizier durch seine Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und beherzt zu handeln, uns vor dem Atomkrieg gerettet hat – Leo Ensel hat darüber mehrfach berichtet.

Gibt es heute bei uns noch Zeitgenossen, die bereit sind, in Situationen, in denen alles auf dem Spiel steht, Verantwortung zu übernehmen?

Verstehen heutzutage die Menschen auf unserem Kontinent, dass sie wieder auf diesem Vulkan sitzen und der Vulkan bereits erste Anzeichen von Aktivität zeigt?

Die Aufforderung „Besuchen Sie Europa“ ergeht daher an die Damen und Herren diplomatischen Vertreter ferner Länder auf fremden Kontinenten, die oft lange Reisen auf sich nehmen müssen, um zu uns zu gelangen: Machen Sie uns bitte wieder mit den Grundlagen der menschlichen Zivilisation vertraut, solange es noch geht…

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