Das Lied der Unken

[von Dr. Gerhard Mersmann]

Das Lamento ist groß. Da äußert sich der nationale Brandbeschleuniger, der sich durch unheilige Allianzen ins Kanzleramt geschlichen hat, zum Krieg im Osten und verspricht, dass dieser trotz einiger Bemühungen seitens der unzuverlässigen transatlantischen Partner doch noch die große Chance einer Eskalation in sich birgt. Viele derer, die durch die zahlreichen geglückten, formal abgesicherten Attacken auf die bürgerliche Demokratie durch eine sich als Mitte verkleideten Kamarilla in der Defensive sehen, attestieren sich bereits selbst eine Depression. Was, so argumentieren sie, kann man noch machen, um die von Selbstsucht, Landesverrat und sonstigen bösen Eigenschaften Getriggerten zu stoppen? Der Parlamentarismus hat sie nicht aufhalten können, es existiert keine Partei, die den kollektiven Willen gegen Krieg, Entrechtung und Himmelsfahrtkommandos aufhalten könnte, die Gewerkschaften sind bis zur Unkenntlichkeit sediert, das Proletariat ist nahezu verschwunden, das Prekariat kämpft vor jedem Sonnenuntergang ums Überleben, der Mittelstand erliegt den zur Realität werdenden Untergangsphantasien oder sitzt saturiert im Reformhaus und die Industriellen bestellen ihre Umzugsunternehmen.

Wie es so ist, in Zeiten großer Umbrüche, existieren parallel die unterschiedlichsten Realitäten. Die eine, wie oben beschrieben, trägt das Signum der Untergangs einer Epoche, die in der realen Lebenserfahrung von vielen geteilt wurde. Die andere blitzt lediglich hier und da erst auf und steht für das Neue, was entstehen wird. Da sind Kräfte am Werk, die wesentlich rationaler sind, als die des Untergangs. Sie wissen, was vonnöten ist, um nicht nur den Planeten, sondern auch Gesellschaften zu schaffen, die lebenswert und Vernunft geleitet sind. In ihren spielen Dinge wie Gesundheit, Bildung, Mobilität, Kultur und Zusammenhalt die zentralen Rollen. Da wird keine Basis mehr sein für Karrieren aus dem Sumpf, in denen Figuren auftauchen, die nichts wissen, nichts können und nur laut und brutal sein können. Wer sich mit ihnen in seiner weiteren Lebensplanung aufhält, der bleibt im Sumpf. Und die Stimme, die dort am lautesten zu vernehmen ist, ist jene der Unken. Insofern ist der Pessimismus und die zunehmend verbreitete Depression nur eine Erscheinung, nämlich die des Untergangs. Sich damit aufzuhalten, heißt die Zukunft zu verspielen.

Wenn die Brandbeschleuniger so weiter machen wie bisher, werden sie sich binnen kurzer Zeit selbst erledigt haben. Denn wer ohne eigene Substanz in den Showdown geht, wird den nächsten Sonnenuntergang schon nicht mehr erleben. Diese Figuren können nur solange in ihren Allmachtsphantasien verweilen, wie sie auf keinen Widerstand stoßen. Und der wird kommen, von innen wie von außen. Und nur die Unken zweifeln daran.

Denn wer sich ein wenig Abstand vom miefigen Lokalgeschehen gönnt, erkennt die globalen Trends. Und die sind stärker als die verbrauchte Gegenwart und sie können mit den Knallchargen des Untergangs beim besten Willen nichts anfangen. Niemand von denen, denen wir hier noch eine Bühne bieten, hätte in der parallel aufstrebenden Welt noch eine einigermaßen bedeutungsvolle Funktion. Es kursieren, übrigens auch hier, bereits Bilder, auf denen die hier gefeierten Big Shots verarmt um ein Almosen betteln. Diese Fiktion ist nah an der Realität der Zukunft. Sofern sie ihr eigenes, unverantwortliches Spiel noch überleben.

Ein guter Rat: auch wenn wir noch im Sumpf leben, sollten wir nicht das Lied der Unken mitsingen, sondern schleunigst danach streben, wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen.

COMMENTS

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    Horst Beger 2 Monaten

    „Quamquam sunt sub aqua, sub aqua maledicere temptant“. „Selbst wenn sie unter Wasser sind, fahren sie unter Wasser fort zu quaken“, haben schon die alten Römer gedichtet. Und unsere einfältigen Politiker/innen fallen auch heute noch in diesen „Gesang“ ein.

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