Das US-Herrschaftssystem spielt verrücktRahr, Prof. Alexander © russlandkontrovers

Das US-Herrschaftssystem spielt verrückt

Gerade, als sich im Zuge der geglückten Fußballweltmeisterschaft und des Treffens der beiden Präsidenten Trump und Putin so etwas wie eine leichte Verbesserung der Beziehungen Russlands zum Westen anbahnt, eine russisch-amerikanische Kooperation bei der Lösung der humanitären Krise in Syrien nicht mehr in weiter Ferne liegt, möchte der US-Kongress Russland den endgültigen Wirtschaftskrieg erklären.

Die fadenscheinige Begründung für neue, brutale US-Sanktionen gegen Russland: Attentate mit chemischen und biologischen Waffen. Beweise, Überprüfungen, Gerichtsurteile in dieser Sache – natürlich Fehlanzeige. Gemeint ist der Fall des vergifteten Ex-Spions Sergei Skripal. England und die USA vermuten, dass der Kreml hinter dem Anschlag mit dem Giftgas Nowitschok steht. Russland bezichtigt die Britten der Provokation. Fest steht, dass das Giftgas Nowitschok zwar in der alten UdSSR hergestellt, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion jedoch auch in den Besitz westlicher Geheimdienste gelangte.

Die EU ist ratlos: Sie versteht selbst nicht, warum die USA mit einer solchen Aggression gegen Moskau vorgehen. Der Chef des Ost-Ausschusses, Wolfgang Bücherle, ist bisher der Einzige, der einen Appell an die Bundesregierung gestartet hat, dem makabren Treiben der US-Führung einen Riegel vorzusetzen. Andere fürchten sich von der Allmacht der Amerikaner.

Es ist nicht US-Präsident Trump, der gegen Russland zu Felde zieht. Es ist die mächtige US-Bürokratie, vermischt mit Geheimdiensten, Wirtschaftslobbyisten und transatlantischen Gesinnungsorganisationen, die ihren Bedeutungsverlust nach der Niederlage in den letzten Präsidentschaftswahlen nicht ertragen können. Noch weniger akzeptieren wollen diese Anti-Trump Kräfte ein wiedererstarktes Russland auf der Weltbühne. Für sie bleibt die Pax-Americana die beste Herrschaftsform der Weltordnung – eine Art liberale Moderne – an der niemand rütteln darf.

Die Sanktionen, die gegen Russland verhängt werden sollen, haben es in sich. Sie wenden sich – und das ist das Verheerende – weniger gegen russische, als gegen europäische Unternehmen, die mit Russland kooperieren. Eine Energiekooperation mit Russland soll ganz unter Strafe gestellt werden, ebenfalls die Zusammenarbeit der Banken. Russland soll völlig isoliert werden, in der Hoffnung, dass dann die russische Wirtschaft einbricht und als Folge davon, die russische Bevölkerung gegen den von den US-Eliten so verhassten Kremlchef Putin rebelliert.

Ein ähnliches Regime-Change-Szenarium planen die US-Falken im Iran und später einmal in China.

Werden die US-Falken mit ihrer Politik Erfolg haben? Kurzfristig ja. Sie können Russland ernsthaften Schaden zufügen, Russlands Wirtschaft von der der EU völlig abkoppeln. In Russland selbst werden sie allerdings nur Nationalisten weiter stärken. Und wirtschaftlich wird Russland von China Hilfe erhalten, allerdings zu einem hohen Preis.

Mittelfristig machen die USA, die nach 1945 zum Architekten einer Globalisierung aufstiegen, die die Rahmenbedingungen und Trägerorganisationen, wie die WTO, zum Gelingen der neuen Weltwirtschaftsstruktur schufen, ihr eigenes Lebenswerk – die globale Wirtschafts-und Finanzordnung – zunichte. Heller Wahnsinn!

Kein normaler Staat wird sich künftig in WTO-ähnliche globale Abhängigkeiten begeben, wenn er sieht, dass er über die Abgabe seiner Souveränität so verwundbar und anfällig für Angriffe von außen wird. Die Globalisierung wird bald für tot erklärt werden. Sie wird abgelöst von vielen regionalen Wirtschaftsblöcken, die untereinander Handel treiben, aber innerlich autonom bleiben werden – mit eigenen Finanzsystemen, Normen und Werten. Die USA werden ein solcher Block sein, auch die EU, aber vor allem die Eurasische Union, die den Schulterschluss mit China suchen wird.

Spannend wird die Reaktion der EU auf den US-russischen Wirtschaftskrieg sein. Ein Zerschlagen der russischen Wirtschaft kann nicht im Interesse der Europäer sein. Zu eng geknüpft sind ihre langjährigen Kontakte mit Russland. Aber: Die EU ist in diese Frage nicht homogen. Einzelne Staaten, allen voran Polen, England, Litauen werden die Linie der USA gutheißen. Brüssel wird versuchen, Kompromisse zwischen den Kontrahenten auszuhandeln. Doch solange die USA Junker und Co. wie Vasallen behandeln, bleibt die EU ein zahnloser Tiger. Merkel und Maas werden vermutlich schweigen, aus Rücksicht auf die Freundschaft mit Washington.

Ist das die historische Stunde der Wahrheit, wo sich die EU, auf Druck der USA im Streit mit Russland und aufgrund der ihr auferlegten sicherheitspolitischen Zwänge, sich von der Idee eines autonomen Kontinentaleuropas für immer verabschiedet und sich für immer als Juniorpartner in der großen Pax Americana der Weltpolitik manifestiert?

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