[Alexander Rahr] Der Schock in Deutschland über die türkische Militäroperation im Norden Syriens sitzt tief. Ein NATO-Mitgliedsstaat und EU-Anwärter bricht Völkerrecht. Noch schockierender für deutsche Politiker ist die Ohnmacht der EU nach dem Abzug der westlichen Führungsmacht USA aus der Region. Im Grunde muss sich Deutschland eingestehen, dass der Westen seine Gestaltungsmacht im Nahen Osten verloren hat. Und dabei hat man am Anfang dieses Jahrzehnts noch vom „arabischen Frühling“ – einer Demokratisierung der arabischen Welt – geträumt.
Amerika zieht sich nicht nur aus Syrien, sondern auch aus Afghanistan zurück. Die Gestaltungsrolle, vielmehr das entstehende Vakuum, werden Russland, China, Türkei und islamistische Gruppen übernehmen. Niemand kann das verhindern.
Die Verurteilung des Völkerrechtsbruchs der Türkei wird verpuffen – formal haben alle Staaten, die sich auf der Seite der Assad-Gegner in den Bürgerkrieg eingemischt hatten, Völkerrecht gebrochen, auch die Amerikaner.
Die Kurden werden in Deutschland als Opfer gesehen. Sie hätten die USA im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ unterstützt und seien jetzt vom Verbündeten verraten worden. Das stimmt, aber was wäre die Alternative zum türkischen Vorgehen gegen die kurdischen Milizen, die Ankara als Sicherheitsrisiko für sich einstuft, gewesen? Antwort: ein kurdischer unabhängiger Staat im Norden Syriens. Diesen will in Wirklichkeit niemand. Die andere Option: Baschar Assad kann nun in das von den Kurden besetzte syrische Staatsgebiet einmarschieren und damit einen weiteren Schritt zur Einheit des Landes nach dem Bürgerkrieg vollziehen. Doch der Westen will keinen Sieg Assads tolerieren.
Nicht die NATO, sondern die neuen „eurasischen“ Bündnispartner Russland, Türkei, Iran (mit China im Hintergrund), werden in Zukunft den Nahen und Mittleren Osten neugestalten. Moskau, Ankara, Teheran und Damaskus werden die Zukunft Syriens bestimmen. Historisch gesehen ist das der endgültige Übergang von der West-dominierten unipolaren Weltordnung zur multipolaren Weltordnung. Nicht jeder im Westen begreift das.
Die Türkei könnte die NATO bald ebenso verlassen, wie Großbritannien die EU. Ein weiterer Schock für den Westen.
Und was macht die EU? Statt eine einheitliche Linie zum Brennpunkt Syrien zu finden, haben die mittelosteuropäischen Länder nur ein Ziel: Stärkung der NATO gegenüber Russland. Manöver werden in Deutschland abgehalten, bei denen der Einsatz von Atomwaffen geübt wird. Diese Übungen hätten abgesagt werden müssen. Von den politischen Parteien hat sich bislang nur die Linke dagegen gewandt. Statt mit Russland über eine Syrienlösung zu reden, wird Eskalation betrieben.
Putin hat dem Westen Abrüstungsgespräche angeboten, er ist bereit, auf die Stationierung von Mittelstreckenraketen zu verzichten, wenn die USA dasselbe tun. In der EU geht niemand auf diesen Vorschlag ein. Warum? Begreift man hierzulande nicht, dass die Gefahr eines Atomkrieges heute grösser ist, als im Kalten Krieg?
Die bange Frage lautet, ob die EU ihre strategische Orientierung und außenpolitische Gestaltungsmacht nicht längst verloren hat. Die deutsche Strategie scheint alleine darauf zu basieren, zu hoffen, dass Donald Trump stürzt und die USA zum Status Quo zurückkehren. Was für ein katastrophaler Trugschluss!
COMMENTS
Besser und realistischer kann man es nicht formulieren! Danke und Alle Achtung!
Der Artikel trifft den Nagel ohnehin schon auf den Kopf. Der Westen hat sich in Syrien wie in Afghanistan massiv verzockt und in der Ukraine blamiert. Mit billiger Propaganda und Lügen allein baut man seinen Machteinfluss nicht aus.
Dem katastrophal maroden Zustand der deutschen BW ist es zu verdanken, daß uns bisher offensichtliche Blamageakte in Syrien erspart blieben. Unter dem Mantel der klassischen Kriegspropaganda wird man nun Soldaten „zum Schutz der Bevölkerung“ dorthin entsenden. Ein bisschen den Gegner sabotieren durch Hetze, sich wieder wahllos mit Kopfabschneidern gleich welcher Couleur einlassen, noch mehr Terror in Europa erzeugen, das wird alles sein was dabei rauskommt. Die ganze Gendertoilettenunion ein peinlicher Haufen und an der Spitze unübertroffen Deutschland. Baut Klo`s für Diverse und kümmert euch um Frauenquote aber bitte laßt die Finger weg von Dingen die man nur durch Können und nicht mit Aufschwätzen allein bewältigen kann,denn ihr könnt nichts, der dekadente Westen ist dadurch schon blamiert genug!
Auf der Grundlage der Rechtsprinzipien, die sich in Europa seit fast 800 Jahren herausgebildet haben, kann man über unser derzeitiges politisches Personal nur eines sagen:
Nach Maßgabe selbst Hobbesscher Vorstellungen von den rechtlichen Vorraussetzungen zur Legitimität des staatlichen Gewaltmonopols gegenüber den eigenen Bürgern, erst recht aber nach Maßhabe des Grundgesetzes gehört unser derzeitiges politisches Personal vor ein Strafgericht – für Fahrlässigkeit, Rechtsbrüchigkeit und absoluter Verantwortungslosigkeit gegenüber dem höchsten Rechtsgut: der Wahrung der körperlichen Unversehrtheit und der Grundrechte der eigenen Bevölkerung.
Machen wir uns klar, was nun offenbar wird: Summa summarum haben die letzen Bundesregierungen zugelassen, dass ein anderes Land, dessen Regenten (z.B. auch Obama in seiner Westpointrede, aber auch schon George W. Bush und Bill Clinton) von unserem Territorium schalten und walten können wie sie wollen, unter Ignoranz unserer grundlegensten Sicherheitsbedürfnisse, unserer Zustimmung und internationalem Recht. Die Devise der USA war immer nur – und das haben alle US-Präsidenten seit Bill Clinton offen gesagt – die Durchsetzung eigenen Interessen, „if possible with consent of allies and the international law, if not possible unilaterally“.
In Durchsetzung dieser Interessen konnten die USA ohne Gegenwehr unserer sogenannten „Regenten“ von unserem Territorium aus:
– durch Regime-Change Interventionen durch PR-Agenturen und Geheimdiensten die Destabilisierung des Balkans, unserer Nachbarregion, befeuern,
– eine weitere, riesige Nachbarregion, den Nahen Osten, komplett zerstören und von unserem Boden im Zwölfminutentakt völkerwidrige Drohnenangriffe auf Länder dort unternehmen,
– uns als Bevölkerung durch eine bespiellose und totalitäre Totalüberwachung sämtliche Grundrechte rauben und
– permanente völkerrechtswidrige Angriffsschläge gegen unsere Wirtschaftskraft vermittels unilateraler Sanktionen fahren —-
— und was war die Konsequenz? Sie wurden lakaienhaft als „Verbündete“ lispelnd umschmeichelt.
Aber noch nicht genug: Darüber hinaus wurde durch einen Staatsstreich in der Ukraine, von den USA durch 5 Milliarden Dollar orchestriert und offen triumphalistisch begleitet von Frau Nulands „Fruck the EU“ die Anmaßung begangen, dass sich die USA die Eskalationsmacht in einem Land zwischen Europa und Russland ergriff, den INF-Vertrag kündigte und die Europäer kollektiv wieder zu nuklearen Laborratten der US-Machtprojektion zu machen. Das 30 Jahren, nachdem der Horror endlich zuende war!
Und was machen EU-Politiker, vor allem unsere Bundesregierung? Sie blechen durch permanente Subventionierung der Ukraine für die Auslieferung ihrer eigenen Bürger an eine durchgeknallte chauvinistische Nukleargroßmacht!
Das ist ein glatter Mehrfachbruch unserer Verfassung – u.a. der Friedensverpflichtung nach Artikel 26 (1). Das ist eine Aufopferung von mindestens dreien unsere Grundrechte! Durch eine ausgedehnte NATO-„Informationtionskriegsführungs“-Infrastruktur (NATO-Exzellenzzentren und duie EAST-StratCom TaskForce) durften wir auch noch mit Steuergeldern für eine Politik blechen, die mit unserem Leben und dem unserer Kinder Harakiri spielt!
Diese Leute, die das verbrochen haben und sich „unsere Volksvertreter“ nennen, sind doch nicht mehr zurechnungsfähig! Das ist wirklich nur Vasallentum schlimmster Ausprägung – unter Bedingungen kompletter Rechtsvergessenheit – während die gleichen Leute unentwegt eine völlig surreale „Werterhetorik“ von sich absondern!
WIE KANN MAN NICHT MERKEN, DASS EINE SOLCHE POLITIK WAHHHHHNSIIIINNNN IST!!!!!????
Das hat doch nichts mit DEMOKRATIE zu tun!!!
Danke, Anja Böttcher, für Ihren sehr zutreffenden Kommentar.