Die Form der affirmativen Demokratie

Die Form der affirmativen Demokratie – Ein Kommentar von Doktor Gerhard Mersmann

Transscript:

Um den Zustand einer Gesellschaft, die sich auf die Demokratie beruft, beurteilen zu können, kann man sich auf verschiedene Ebenen begeben. Die Parteienlandschaft ist immer ein Indiz. Wenn Parteien zugelassen sind, die ihrerseits alles andere als die Interessen der großen wie herrschenden Gruppen vertreten, kann das als ein wichtiger Hinweis gelten für gewährte Pluralität. Wenn allerdings bei allen Parteien etwas anderes vertreten wird als das, was auf dem Label steht, sollte man schon einmal genauer hinsehen. Eine andere Kategorie bilden die Medien ab. Wenn auch dort unterschiedliche Sichtweisen und Standpunkte zum Tragen kommen, als die herrschende Meinung, spricht das ebenfalls für demokratische Konnstitutionsprinzipien. Ist dies jedoch nicht der Fall und ist zu beobachten, dass, ganz im Gegenteil, die existierenden Medien eine Treibjagd auf alles veranstalten, was als reale Opposition bezeichnet werden müsste, sollten alle Alarmglocken läuten.

Ein weiteres, letztendlich das wohl bestechendste Indiz für den tatsächlichen Zustand einer Gesellschaft, die sich Demokratie nennt, sind die Institutionen, die sui generis dazu dazu da sind, den Herrschenden den Spiegel vorzuhalten. Es handelt sich einerseits dabei um das Kabarett und die politische Komödie und die Saturnalien der Moderne, den Karneval oder Fasching. Gerade in diesen Tagen feiert letzterer seine Hochzeit und es wird in bedrückender Weise deutlich, was das Kabarett bereits seit einiger Zeit vorexerziert. Die genuine Aufgabe, den Herrschenden den Marsch zu blasen, wurde einem Paradigmenwechsel unterzogen. Das Kabarett hat sich bereits seit geraumer Zeit dazu entschieden, auf jede Art von Opposition loszugehen und zwar zum Teil im Wortlaut der Herrschenden. Dafür regnet es Preise. Diejenigen, die ihren devoten Charakter am hemmungslosesten und damit künstlerisch am trivialsten zur Schau tragen, bekommen die renommiertesten Preise. Und, stets mit dem Signet, sich besonders um die Demokratie verdient gemacht zu haben. Aus dem Munde derer, die in den höchsten Ämtern weilen.

Karneval und Fasching haben sich in diesen Tagen dem Trend angeschlossen und damit letztendlich das Ende des Genres eingeleitet. In kaum zu ertragender Weise waren aus den Bütten Hetztiraden zu hören, die mit dem rebellischen Geist des Ursprungsgedanken nichts, mit dem devoten Gekläffe von Untertanen allerdings sehr viel zu tun hatten. Sie dokumentierten, wie ihre schreienden Kumpane aus dem Kabarett, wie es um die Demokratie bestellt ist. Die letzten Bastionen sind gestürmt. So degoutant das alles ist, so erkenntnisreich ist es auch. Und gerade dieses Phänomen zeigt, dass es mittlerweile einer nostalgischen Regung gleicht, den jetzigen Zustand noch als Demokratie zu bezeichnen.

Wollte man polemisch sein, dann müsste man den existierenden Kanon des öffentlichen Diskurses als affirmative Demokratie bezeichnen. Affirmativ in dem Sinne, als dass man innerhalb der Gemeinschaft nur noch dann die Zugehörigkeit zur Demokratie zugesprochen bekommt, wenn man die gleichen Gewissheiten pflegt und, das vor allem, die gleichen Feindbilder teilt, wie die, die die tatsächliche Macht besitzen und diejenigen, die in deren Sinne die Geschäfte führen. Das alles ist eine nette Übung für alle, die ihre Sensorik beim letzten Sperrmüll entsorgt haben.

Man sollte sich nichts vormachen. Die Form der affirmativen Demokratie ist ein Widerspruch in sich. Und sie endet im Autoritatismus.

COMMENTS

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    Horst Beger 2 Monaten

    Was Mehrheits-Demokratie bedeutet, hat Friedrich Schiller in seinem „russischen“ Dramenfragment „Demetrius“ wie folgt definiert:
    „Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn.
    Verstand ist stets bei wen´gen nur gewesen…
    Der Staat muss untergehen früh oder spät,
    Wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet.“

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