Die neue russische RegierungSchneider, Prof. Dr. Lic. Eberhard © Schneider

Die neue russische Regierung

Zwei Stunden nach seinem Amtsantritt brachte Präsident Wladimir Putin am 8. Mai die Kandidatur erwartungsgemäß von Dmitrij Medwedew als Premierminister in die Staatsduma ein. Das Parlament wählte ihn, wobei die Fraktion der Machtpartei „Einiges Russland“ und der nationalistischen „Liberal-demokratischen Partei Russlands“ geschlossen für ihn votierten, die Fraktion der „Kommunistische Partei der Russischen Föderation“ geschlossen und die Fraktion der Partei „Gerechtes Russland“ mehrheitlich gegen ihn abstimmten. Am 18. Mai wurde die Liste mit den 30 Namen der neuen Regierung veröffentlicht.[1]

Gebliebene Minister                             

Von den Ministern, die direkt dem Präsidenten unterstehen (1994 von Präsident Boris Jelzin vorgenommen), bleiben auf ihren Posten Außenminister Sergej Lawrow, Verteidigungsminister Sergej Schojgu und Innenminister Alexander Kolokolzew. Ferner verbleiben im Kabinett Justizminister Alexander Konowalow, Wirtschaftsminister Maxim Oreschkin, Kulturminister Wladimir Medinskij, Gesundheitsministerin Weronika Skworzowa, Industrie- und Handelsminister Denis Manturow, Sportminister Pawel Kolobkow, Arbeits- und Sozialschutzminister Maxim Topilin sowie Energieminister Alexander Nowak.

Finanzminister Anton Siluanow blieb Finanzminister, stieg aber zugleich zum Ersten Stellvertretenden Premier auf und wurde so zum wichtigsten Kabinettsmitglied nach Medwedew. Vizepremier Witalij Mutko ist jetzt zuständig für das Bauwesen. Seine bisherige Zuständigkeit für Sport musste er abgeben, vermutlich wegen des Doping-Skandals. Diese übernimmt jetzt Vizepremierin Olga Golodez, die zudem auch für Kultur verantwortlich ist. Vizepremier Dmitrij Kosak hat sich nun um die Industrie und die Energiewirtschaft zu kümmern.

Ausgeschiedene Minister

Ausgeschieden sind der Erste Vizepremier Igor Schuwalow (das wurde bereits in der April-Analyse angekündigt und begründet) sowie die Vizepremiers Arkadij Dworkowitsch, Sergej Prichodko, Alexander Chloponin und Dmitrij Rogosin. Der neuen Regierung gehören ferner nicht mehr an: Verkehrsminister Maxim Sokolow, Landwirtschaftsminister Alexander Tkatschow, Kommunikationsminister Nikolaj Nikiferow, der Minister für Notfallsituation und Zivilverteidigung Wladimir Puschkow, der Minister für Naturressourcen und Ökologie Sergej Donskoj, der Minister für Bauwesen, Wohnungs- und Kommunalwirtschaft Michail Men, der Nordkaukasusminister Lew Kusnezow und Michail Abysow, der das Ministerium für offene Regierungstätigkeit leitete.

Neue Minister

Neu in der Regierung sind 14 Minister, die in ihrer Mehrheit allerdings schon vorher im Regierungs- bzw. im Präsidentenapparat tätig waren: Vizepremiers wurden der bisherige Stellvertretende Verteidigungsminister Jurij Borissow, nun zuständig für die Rüstungsindustrie, Maxim Akimow, bisher Stellvertretender Leiter des Regierungsapparats, nun verantwortlich für Verkehr und Kommunikation, Alexej Gordejew, bisher Präsidentenvertreter im Föderalen Bezirk Zentralrussland, nun zuständig für Landwirtschaft, Tatjana Golikowa war Chefin des Rechnungshofs ist nun zuständig für das Gesundheitswesen, für Bildung und für Sozialpolitik, Konstantin Tschujtschenko, bisher Präsidentenreferent, leitet nun den Regierungsapparat.

Die Leitung des Ministeriums für Notfallsituationen und Zivilverteidigung übernimmt der bisherige Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB Jewgenij Sinitschew. Der Sohn des Sicherheitsratssekretärs Nikolaj Patruschew, Dmitrij Patruschew, bisher Leiter der staatlichen Landwirtschaftsbank, wird Landwirtschaftsminister. Der Leiter des erdölreichen Gebiets Tjumen, Wladimir Jakuschew, wird Minister für Bauwesen, Wohnungs- und Kommunalwirtschaft, der neue Minister für Naturressourcen und Ökologie, Dmitrij Kobylkin, war vorher Gouverneur des Autonomen Kreises der Jamalo-Nenzen, und der neue Fernostminister Alexander Koslow war vorher Gouverneur des fernöstlichen Gebiets Amur.

Das Ministerium für Wissenschaft und Bildung wurde in zwei Ministerien geteilt. Der neue Minister für Wissenschaft und Hochschulbildung, Michail Kotjukow, leitete zuvor die Föderale Agentur für wissenschaftliche Organisationen. Die neue Bildungsministerin Olga Wassiljewa ist die bisherige Ministerin für Wissenschaft und Bildung. Der neue Minister für digitale Entwicklung, Kommunikation und Massenmedien, Konstantin Noskow, leitete bisher das Analytische Zentrum der Regierung, der neue Verkehrsminister Jewgenij Ditrich war bisher Erster Stellvertreter in diesem Ressort, und der neue Nordkaukasusminister Sergej Tschebotarjew war vorher Stellvertretender Leiter der Verwaltung des Präsidenten für interregionale und kulturelle Beziehungen mit dem Ausland.

Beurteilung

Putin will mit der neuen Regierung offensichtlich einen mittleren Kurs steuern. Unter den Vizepremiers sind die beiden überzeugten Markt- und Privatwirtschaftler Schuwalow und Dworkowitsch nicht mehr zu finden, aber auch nicht der bisher für die Rüstungsindustrie zuständige Falke Rogosin. Es ist spekuliert worden, ob der Wirtschaftsreformer Alexej Kudrin der neuen Regierung angehören wird. Vor sieben Jahren war er als Finanzminister unter Medwedew, mit dem er sich nicht versteht, zurückgetreten. Er gründete dann das „Zentrum für strategische Ausarbeitungen“, das er auch leitete und das verschiedene Wirtschaftsreformprogramme Putin vorlegte. Nun ist Kudrin die Leitung des Rechnungshofs, des Kontrollorgans der Staatsduma, angeboten worden. In dieser Funktion kann er seinen Status als Berater des Präsidenten für wirtschaftliche Fragen formalisieren. Seine Möglichkeiten, die eigene Meinung zu wichtigen Fragen der politischen Agenda zu äußern, dürften nun eingeschränkt sein. Der Rechnungshof ist das letzte Fenster für Kudrin, auf die Wirtschaft Einfluss nehmen zu können.

Zu 47 % wurde die Regierung personell erneuert. Die russische Presse stellte fest, dass aus den Biographien der neuen Minister geschlossen werden kann, dass am vielversprechendsten für den Regierungsaufstieg erstens die Position eines regionalen Gouverneurs ist und zweitens eine Funktion im inneren Kreis des Präsidenten.[2] Nur bedingt fand junges Blut den Aufstieg in die Regierung. Die wichtigsten Neulinge sind der bisherige Stellvertretende Direktor des FSB Sinitschew und der Sohn von Armeegenerals Patruschew.

Der Professor an der staatlichen Eliteuniversität „Hochschule für Wirtshaft“ in Moskau, Nikolaj Petrow, ist der Meinung, dass die Zusammensetzung der neuen Regierung nicht schlechter und nicht besser ist als die der früheren.[3] „Aber wir sehen kein Team, wir sehen nicht, dass die Vizepremiers die Möglichkeit haben, Einfluss zu nehmen, besonders auf die Führung der Ministerien und Behörden, die sie zu beaufsichtigen haben. Das ist ein sich hinziehendes Debüt, bei dem es unmöglich ist, aus der Zusammensetzung der Regierung zu sehen, welche Maßnahmen sie ergreifen wird außer dieser, dass sie natürlich keine Lösungen ausarbeiten wird, sondern diejenige Strategie implementieren wird, die sie von außen erhält.“

Es ist die Regierung Putins, nicht Medwedews. Der russische Premier ist weitgehend eine technische Figur. Zur politischen Figur würde er erst, wenn der Präsident aufhören würde, aktiv an den Entscheidungen mitzuwirken und sich nur noch mit den strategischen Richtlinien befassen würde. Aber die politische Bedeutung Medwedews als ein möglicher Nachfolger des Präsidenten und als Mensch, dem Putin vertraut, nimmt dadurch nicht ab.

Der populärste Vizepremier ist laut einer Umfrage des Moskauer Meinungsforschungsinstituts WZIOM Tatjana Golikowa, weil sie als bisherige Chefin des Rechnungshofs gegen die ineffiziente Verwendung von Haushaltsmitteln gekämpft hat.[4] Am unpopulärsten ist Witalij Mutko – bisher für Sport zuständig – wegen Unregelmäßigkeiten und Machenschaften. Nach einer Umfrage vom Mai ist die unpopulärste Person der Regierung Premier Medwedew selbst. Nur 38 % der Befragten haben Vertrauen in die Arbeit der Regierung, 49 % vertrauen ihr nicht.

[1]              https://www.novayagazeta.ru/news/2018/05/18/141777-medvedev-predstavil-putinu-predlozheniya-po-kadrovomu-sostavu-pravitelstva

[2]              https://www.vedomosti.ru/opinion/articles/2018/05/18/770023-pravitelstvo-spin-loktei

[3]              https://www.vedomosti.ru/politics/articles/2018/05/20/770075-novoe-pravitelstvo

[4]              https://www.rbc.ru/newspaper/2018/05/22/5b02fcbc9a794729fe96e858

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