Vor einigen Tagen wurde in einem Interview-Format des Südwestfunks mit einem ehemaligen, durch langjährige Aufenthalte in unterschiedlichen Krisengebieten dieser Welt erfahrenen Diplomaten gesprochen. In vielen dieser Regionen, wo mehr geschossen als gesprochen wurde, konnte er die Erkenntnis gewinnen, dass keiner dieser Konflikte durch eine Steigerung der Gewalt oder durch Sanktionslogik befriedet werden konnte. Wenn es zu einer Einstellung der gewaltsamen Handlungen kam, dann immer durch das Wirken von Diplomatie. Er unterstrich die alte Weisheit, dass es immer erforderlich ist, miteinander zu sprechen. Egal, wie diametral die Interessen zueinander stehen, egal, wie sehr man die Motive des Gegenübers auch missbilligt.
Die Aussagen des Diplomaten wirkten wie ausführliche Zitate aus einem umfangreichen kritischen Journal, das den gegenwärtigen Zustand der deutschen und EU-Außenpolitik unter die Lupe nimmt. Er sprach davon, dass alle Kanäle zum Beispiel nach Russland verödet sind. Andererseits wies er auf historische Beispiele hin, in denen selbst die schlimmsten Kontrahenten selbst im Kriegsfall die Kommunikation nicht abreißen ließen. Und, nahezu selbstverständlich, der Mann ließ sich nicht dazu hinreißen, die Verantwortlichen dafür zu rügen. Erstens wollte er sich wohl selbst nicht beschädigen und zweitens sind die verantwortlichen Politiker gegen jede Form der Kritik an ihrem Agieren imprägniert. Schlimmer noch, sie betrachten jede Form der Kritik als ein subversives Machwerk des Feindes.
Soweit, so schlecht. Immer obskurer wie irrer wird es, wenn man das Motiv und die Geschichte der wie aus einem Schnellfeuergewehr abgeschossenen Sanktionspakete gegen Russland betrachtet. Sie waren von Anfang an gedacht als ein Mittel, um Russlands Kriegstüchtigkeit auf das größtmögliche Maß bei gleichzeitiger eigener Waffenlieferung an die Ukraine zu reduzieren. Der Verlauf dieses Krieges ließ bereits früh erkennen, dass die intendierte Wirkung verfehlt wurde und dagegen die Beschädigung der eigenen Ökonomien eine Dimension annahm, die durchaus mit dem Begriff der Selbstverstümmelung beschrieben werden kann. Zu relevanten Rückschlüssen hat es nicht geführt. Trotz aller Verfehlungen und Malaisen wird an dem Konzept von Sanktionen und Embargos festgehalten.
Was die Öffentlichkeit in Bezug auf die von der EU konzipierten Sanktionspakete mitbekommt, sind in der Regel nur die Öl- und Gasimporte wie die Begrenzung der Lieferung von technisch hochwertigen Gütern. Wie weit allerdings die Ratlosigkeit gediehen ist, erkennt man, wenn man sich zum Beispiel die Güter
im neuen, 19. Sanktionspaket gegen Russland ansieht. Es beinhaltet Toiletten, Bidets, Waschbecken und andere Sanitärartikel sowie motorisiertes Spielzeug, Kinderfahrräder, Roller, Puppen und Puzzles auf der Liste der verbotenen Waren. Begründet wird diese Tombola der Hilflosigkeit mit dem Argument, es handele sich dabei um Luxusgüter, mit denen sich die Einflussreichen und Wohlhabenden Russlands eindeckten. Und, würde ihnen dieses verwehrt, dann wüchse die Kritik an den gegenwärtigen Machthabern und stärke die Opposition.
Angesichts eines solchen Unfugs fällt es allerdings schwer, an einer ernsthaften Bewertung festzuhalten. Und man kommt zu der bedrückenden Erkenntnis, dass nicht nur alle staatlichen Kommunikationskanäle nach Russland erloschen sind, sondern auch die zwischen der Bevölkerung und der administrativen Regierungsblase. Da dringt beim besten Willen kein wie auch immer gearteter Hinweis hinein, der es vermag, den vielleicht noch vorhandenen Restverstand zu mobilisieren.
Man sollte sowohl am deutschen Kanzleramt als auch an den Büros der Europäischen Kommission gemäß Dantes Inferno Schilder anbringen, auf denen steht:
„Liebe Kritik, wenn du hier eintrittst, lass alle Hoffnung fahren!“
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Ergänzen kann man noch: „Ist es schon (auch) Wahnsinn, so hat es doch Methode“, von Shakespeare. Wobei nicht nur die Engländer jeden kulturellen und politischen Verstand verloren haben, und nur das untergegangene Commonwealth noch einmal wiederbeleben wollen, um ihren Vorherrschaftsanspruch in Europa und der Welt zu demonstrieren. Und die dummen Deutschen und Europäer fallen darauf herein und verteidigen die „Demokratie“. Was „Demokratie“ ist, hat Friedrich Schiller in seinem „Demetrius“-Fragment wie folgt definiert: „Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn. Verstand ist stets bei wen’gen nur gewesen. Der Staat muss untergehn früh oder spät, wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet.“