Fragen zu Nawalny’s Coup

Fragen zu Nawalny’s Coup

[von Kai Ehlers] Unruhen in Russland nach Alexei Nawalny‘s Rückkehr. Die Kommentare schwanken zwischen Bewunderung für den Coup, mit dem er Putin herausgefordert habe, Mitleid für das Selbstopfer, indem er sich der zu erwartenden Inhaftierung ausgesetzt habe, und Hoffnung auf die Initialzündung  für eine „demokratische Revolution“ als Reaktion auf seine „Enthüllungen“. Eine Welle des Hohns schwappt zudem aus westlichen Zuschauerlogen über den „Zaren“ Putin, dem als Zepter eine vergoldete Klobrille entgegengehalten werde.

Was ist die Basis dieser Inszenierung? Was bleibt? Wem nützt sie? Lassen wir überflüssige Einzelheiten beiseite, versuchen wir das Wichtigste zu sortieren.

Zunächst: Es ist Nawalny gelungen, eine in Teilen der Bevölkerung vorhandene latente Unzufriedenheit zu aktivieren. Im Ausmaß der Demonstrationen, die seinem Aufruf folgten, bekommen die Ereignisse der letzten Jahre eine neue Dimension: die Proteste gegen Wahlfälschungen, gegen die Rentenkürzungen, gegen die Verfassungsänderungen 2020, gegen die willkürlichen Absetzungen regionaler Gouverneure… zugespitzt dies alles durch die wirtschaftlichen und persönlichen Einschränkungen im Zuge der Corona-Krise.

Außer Empörung über Korruption, angeheizt durch Nawalny’s Video über Putins „Schloß“, die in der Forderung „Putin muss weg“ zusammenliefen gab es jedoch keine weiter tragenden Alternativen. Es bleibt ein inhaftierter Nawalny, um den herum sich eine „Freiheit für Nawalny“-Bewegung bilden kann. Das erinnert fatal an einen inzwischen fast vergessenen Vorgang in der Bundesrepublik Deutschland der 70er Jahre, als sich um den verhafteten Kern der RAF-Gründer eine Befreiungsbewegung bildete, die in toten Gefangenen ihren Höhepunkt fand. Sie hatten zuvor erklärt, dass sie sich nicht selbst töten würden. Man fühlt sich daran erinnert, wenn Nawalny jetzt versichert, dass er sich nicht selbst töten werde.

Was also kann sich aus dieser Situation entwickeln? Kann die herausgeforderte Staatsmacht Nawalny aus der Haft entlassen? Wohl kaum. Das Risiko, dass auf einen in die Freiheit entlassenen Nawalny, erneut ein Anschlag verübt wird, wäre zu groß. Ein solcher Anschlag würde mit Sicherheit wieder Putin angelastet. Es bleibt der Staatsmacht nur Nawalny in Haft zu halten. Folge davon wäre jedoch mit ebenso großer Sicherheit eine Radikalisierung  der Bewegung für die Befreiung Nawalny’s und weitere Kritik, Sanktionsdrohungen und ähnliches aus dem Ausland. Es bleibt der Staatsmacht eigentlich nur – wie Kommentatoren bereits unken, Nawalny nach einem politischen Prozess des Landes zu verweisen.

Fragt sich also, wem diese ganze Inszenierung letztendlich nützt. Das ist die komplizierteste Frage. Die inzwischen schon routinemäßige Antwort darauf, lautet natürlich, sie nütze dem Westen, der schon lange eine Farbrevolution in Russland nach dem Muster der Ukraine befeuern möchte. Diese Annahme ist mit Sicherheit Teil der Wahrheit, allein schon dadurch, das der Anti-Korruptions-Fonds Nawalny’s vom Ausland finanziert wird, dass und wie Nawalny nach seiner Vergiftung in Deutschland versorgt wurde, bis dahin, dass er noch während seiner Zeit als Rekonvaleszent hierzulande in einem Schwarzwaldstudio seinen Film über das angebliche Schloß Putins mit großem technischen Aufwand herstellen konnte.

Aber aus all dem folgt selbstverständlich keineswegs zwingend, dass „der“ Westen der unmittelbare Anstifter der jetzigen Unruhen ist. Näher liegt die Beobachtung, dass ihm die in den Westen exilierten russischen Oligarchen sofort mit öffentlichem Beifall zur Seite sprangen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche Kräfte aus dem Lande selbst daran interessiert sein könnten, Putin zu schwächen. Der Verdacht liegt nahe, dass schon der Mordanschlag wie auch alle darauf folgenden Etappen dieser Geschichte einer Regie aus dem Lande selber folgen, wenn man bedenkt, dass Putin selbst – bei seiner öffentlich bekannten Gegnerschaft zu Nawalny – keinerlei Interesse haben konnte, sich  dem Verdacht auszusetzen, ein staatlicher Mörder zu sein und wenn man bedenkt, wie viele Personen und Gruppen Grund hätten, Nawalny zum Schweigen zu bringen – ohne dass man jetzt an dieser Stelle über einzelne Namen spekulieren müsste.

Wichtig aber ist beim Stand der Dinge sich zu erinnern, dass schon seit geraumer Zeit die Frage vor der russischen Gesellschaft steht, was nach Putin kommen werde, dass Putin es für notwendig hielt, sich bis 2036 das Amt des Präsidenten offen zu halten, sofern er darin bestätigt würde, dass er sich im letzten Jahr eine Immunität nach Verlassen des Amtes zusichern ließ. Dies alles, wie auch die unübersehbare Dezentralisierung von Befugnissen im Zuge der Corona-Krise verweist deutlich auf Befürchtungen Putins, der Konsens, auf dem er die Stabilität des Landes schaffen konnte, könnte gefährdet sein.

Der Inhalt dieses Konsenses ist ein doppelter: Zum einen ein Stillhalteabkommen zwischen den Teilmächten des Landes – den Oligarchengruppen, den Macht-Organisationen des Landes wie Geheimdiensten und Militär und den regionalen Machthabern. Wenn eine dieser Gruppen ausschert, ist die Einheit des Landes nicht mehr zu halten. Zum Zweiten der soziale Kompromiss zwischen Führung und Bevölkerung, der darin besteht, dass die Bevölkerung sich nicht um Politik kümmert, solange die Politik eine wirtschaftliche Stabilität, zumindest die Aussicht auf Stabilisierung halten kann. Dieser doppelte Konsens ist in den letzten Jahren, insonderheit durch das letzte Jahr unter Corona-Bedingungen, unter Druck geraten.

Was folgt daraus für den Charakter der gegenwärtigen Proteste? Markieren sie einen Aufbruch zu einer Demokratisierung der Gesellschaft, die sich unter dem Druck der nachwachsenden Generation von einer vorübergehend notwendigen autoritären Phase der Modernisierung emanzipieren will, wie die russische Linke es hofft? Oder führen sie zu einer Rückkehr in ein oligarchisches System, vergleichbar den ukrainischen oder Belorussischen Verhältnissen, durch Wechsel in den Etagen der Macht? Fragen dieser Art rücken mit Nawalny’s Coup aus dem Untergrund auf die offene politische Bühne.

Kai Ehlers, www.kai-ehlers.de

 

 

 

 

 

COMMENTS

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    Klatt, Hans 3 Jahren

    Nawalny, eine unendliche Geschichte!!!Das der Westen-bzw. die EU diesem Herrn solch eine “ Plattform“ geben, finde ich dreist!!!
    Was will dieser Herr!!!!Aus meiner Sicht ollte dieser Herr Nawalny als “ unerwünschte Person“ aus der Russischen Föderation ausgewiesen werden, denn wer solche Lügen, Unwahrheiten verbreitet, den sollteman umgehend ausweisen. Dieser Herr passt gut nach England, wo schon eine unerwünschte Person sich niedergelassen hat.Ich kann der Kollegin nur beipflichten zu den angeblichen Aufnahmen aus Sotschi. Vielleicht ist dieser Film in den USA oder der Ukraine gedreht worden, alles ist möglich. Nun ist es soweit, dass dieser Herr über seine Unwahrheiten in der Verbannung nachdenken kann.

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    Horst Beger 3 Jahren

    Ursache des von Alexander Rahr konstatierten West-Ost-Konfliktes war und ist ja nicht nur die Furcht vor dem kommunistischen System (das mit „Hilfe“ deutscher Politiker in Russland installiert wurde). Sondern der Kalte Krieg war und ist auch ein geostrategischer Krieg „des Westens“ bzw. der USA gegen Russland, dem sich Deutschland und die EU bedingungslos angeschlossen haben. Dies findet auch seinen Ausdruck in der NATO-Doktrin: „Amerika in Europa zu halten, Russland draußen zu halten und Deutschland klein zu halten“, wie der erste NATO-Generalsekretär das formuliert hat. Und die Ausweitung der NATO bis an die Grenzen Russlands und die Forderung Amerikas, auch Georgien und die Ukraine in die NATO einzubeziehen haben den Georgien-Krieg und den Ukraine-Konflikt ausgelöst, und nicht der Expansionsdrang Russlands. Der Kalte Krieg ist daher auch kein Kampf des Westens und Deutschlands gegen das nationale Russland sondern „ein Kampf des westlichen(römischen) Christentums gegen das östliche(russische) Christentum“, wie der amerikanische Politologe Samuel Huntington diesen in seinem Buch „Kampf der Kulturen“ aufgezeigt hat, ohne auf die substanziellen Unterschiede näher einzugehen.

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    Alexander Rahr 3 Jahren

    I’m Kalten Krieg kämpfte der Westen gegen den Kommunismus in Russland, fürchtete die Ausweitung des kommunistischen Systems. Wer hätte gedacht, dass nach Ende des Ost-West-Konflikts (der vielleicht gar nicht zu Ende gegangen war), der Westen noch viel stärker gegen das nationale Russland kämpfen würde. Schon damals verstand man im Westen nicht, warum die Bevölkerung nicht rebellierte und sogar die UdSSR verteidigte, sich mit ihr identifizierte. Man dachte, die Leute taten das aus Angst vor einer schrecklichen Diktatur. Jetzt macht man denselben Fehler zu glauben, dass die jungen rebellierenden Russen, die sich mit Nawalny solidarisieren, das Volk repräsentieren. Aber In Wirklichkeit wächst in Russland – je stärker der westliche Druck – der Patriotismus. Russland und der Westen sind wieder getrennt. Unverständnis im Westen deshalb groß.

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    Thomas Alberts 3 Jahren

    Nun ist die Katze aus dem Sack: das Video ist ein einziger Fake,
    erstellt in einem Grafikstudio in Freiburg von der Firma „Blackforest Studio“.
    Inhaber: Ehepaar Weiland, die lange Zeit in den USA in der Kinoindustrie tätig waren.
    https://www.blackforest-studios.com/
    Kostenpunkt: 300.000,00 €, finanziert aus USA
    In der Wirklichkeit befindet sich der Palast noch in Rohbau, die Reporter in Russland bekamen neulich die Erlaubnis, den Palast betreten zu dürfen.

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    Horst Scheibner 3 Jahren

    Das geht hier alles am eigentliche Thema vorbei. Eine Privatperson behauptet etwas und bezichtigt den
    amtierenden Präsidenten, der Eigentümer einer großen Liegenschaft zu sein, gleichzeitig bezichtigt er den
    Präsidenten, korrupt zu sein.
    Der Beschuldigte kann sich nun wehren, indem er anordnet, ( ein Präsident kann das mit Sicherheit )den wahren Eigentümer zu benennen und die Privatperson bei einem ordentlichen Gericht wegen Beleidigung, Verunglimpfung, Anstiftung zum Unfrieden usw. anzeigt
    Die zweite Möglichkeit ist, der Präsident taucht weg, bestreitet, der Eigentümer zu sein und nimmt in Kauf,
    daß in seinem Land Unruhe aufkommt und die Bürger sich von ihm abwenden.

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    Monica Chappuis 3 Jahren

    Es ist schon erschreckend, auf welches Niveau der Heuchelei (denn Dummheit kann es doch nicht sein??) sich manche westlichen Politiker herablassen, indem sie eine gänzlich unbedeutende Figur wie Nawalny, der es allerdings sehr gut versteht, sich in Szene zu setzen, zum Märtyrer hochstilisieren, einzig mit dem Zweck, uns einmal mehr gegen Putin aufzuhetzen. Und die gesamte Presse zieht natürlich gehorsam mit. Eigentlich sind die Damen K.K. und Baerbock die einzig Ehrlichen – sie sagen mehr oder weniger deutlich, worum es ihnen letztlich geht.

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      Horst Beger 3 Jahren

      Wie anders soll mann die gezielte Heuchelei mancher deutscher PolitikerInnen und der davon abhängigen „Leitmedien“ nennen als „dumm“-dreist? Wobei dafür ja ein gewisser IQ Voraussetzung ist, um um die „dumme“ Bevölkerung ruhig zu stellen.

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    Klatt, Hans 3 Jahren

    Tja, die unendliche Geschichte von H. Nawalny!!!Diese ungewünschte Person in H. Nawalny hätte die RF erst gar nicht betreten dürfen. Am Flughafen würde ich diesem Herrn den Pass entziehen und wieder in den Westen schicken, wo ja alles sehr gut ist. für mich ist dieser Mann inakzeptabel und als Aufwiegler bekannt. Diese Verpflechtungen seiner Bankgeschäfte müsste man jetzt sehr genau betrachten, in welchem Rahmen hier “ Untreue “ zu verzeichnen ist. Auch die Berichterstattung von dem angeblichen Besitz des Präsidenten gibt es keine Belege , wer der Eigentümer ist. Vielleicht sind die Bilder “ fake news“ denn heutzutage können solche Aufnahmen manipuliert sein. Man muss wirklich das Übel an der Wurzel anpacken und dann ab ins nirgendwo!!!!!!!

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    Thomas Alberts 3 Jahren

    Dem Nawalny bei dem Video hat eine Firma aus LA geholfen.
    Was das Foto mit Putin im Schwimmbad angeht, das ist ein Fake,
    das echte Foto entstand, als Putin im Urlaub in Sibirien war und in einem Fluss geschwommen ist.

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    Rita Abert 3 Jahren

    Herr Bergeer, woher wissen Sie, dass der Westen nicht der Anstifter von „Nawalnys Coup“ ist.
    Ich würde genau das Gegenteil behaupten. Und trotz größter Geheimhaltung sind aus seinem Aufenthaltsort im Schwarzwald Verbindungen zu den USA im Internet aufgetaucht.
    Wem nutzt es, das ganze Getue und gefährliche Zündeln mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln?
    Jugendliche und Kinder unter den auch in Russland bestehenden Demonstrationsverboten, wegen Corona, zu Protesten aufzurufen, ist allein schon eine Straftat.

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    Wo hat Nawalny seinen Film das Schloß gedreht? Wer hat ihm dafür ein Studio in den Zeiten der Corona zur Verfügung gestellt?
    Wer hat diesen Film in Auftrag gegeben?
    Stand Nawalny nicht unter Quarantäne?
    Der „Giftanschlag“ auf Nawalny war noch nicht aufgeklärt, da hieß es schon „Putin war`s“.
    Zeitgleich begannen die Sanktionen von den USA gegen Nord Stream 2. Und jetzt dieser Film.Die Zusammenhänge sind zu offensichtlich und haben nur damit etwas zu tun, einen Regime Change in Russland vorzubereiten. Und Nawalny, der in Russland mit seiner „Partei“ noch nicht einmal 20% erreicht,möchte gern der neue Zar werden.Er soll doch erst einmal seine Vergangenheit „absitzen“,durch Betrug ist er zu Geld gekommen und Dafür ist er auch verurteilt worden.Zurecht, dass er wieder von den russischen Behörden gefangen genommen wurde.Er wußte das auch und wollte schnell zurück nach Russland, um weiter zu zündeln.

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    Horst Beger 3 Jahren

    Auch wenn „der Westen“ nicht der unmittelbare Anstifter von „Nawalnys Coup“ ist, zeigen die Reaktionen des Westens und insbesondere Deutschlands, dass dieser begrüßt und gefördert wird. Angefangen von dem Angebot der Bundesregierung, Nawalny nach dem Giftanschlag in Deutschland behandeln zu lassen, und dem Besuch der Bundeskanzlerin von Nawalny im Krankenhaus. Bis hin zur Verschärfung der Sanktionen gegen Russland, die ja nicht den „Zaren“ Putin treffen, sondern die normale Bevölkerung, insbesondere wenn in diesem Zusammenhang von deutschen Politikern und der EU das Verbot der Fertigstellung von Nordstream II gefordert wird. Das eigentlich Bedenkliche ist aber die Forderung unserer „Verteidigungsministerin“ K.K., menschenverachtende „Killerdrohnen“ für die Bundeswehr anzuschaffen, „um unsere Soldatinnen und Soldaten bei ihren Verteidigungseinsätzen zu schützen“, auch wenn diese Forderung nicht in direktem Zusammenhang mit dem Fall Nawalny steht, sondern einen tieferliegenden Drang deutscher PolitikerInnen offenbart, gegen Russland in deutscher Tradition „mit dem Säbel zu rasseln“. Dazu gehört auch die „grüne“ Politikerin Annalena Baerbock, wenn sie erklärt, „die Grünen“ seien keine pazifistische Partei, bis hin zu unserem Außenminister und ehemaligen Messdiener Heiko Maas, der behauptet, Deutschland könne im Rahmen der NATO nicht auf die atomare Teilhabe verzichten, wobei er als möglichen Feind natürlich Russland sieht. Dahinter verbirgt sich auch der Jahrhunderte alte Kampf des westlichen(römischen) Christentums gegen das östliche(russische) Christentum, wie der amerikanische Politologe Samuel Huntington das in seinem Buch „Kampf der Kulturen“ aufgezeigt hat, ohne auf die substanziellen Unterschiede näher einzugehen.

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