Revanchismus ist LandesverratDr. Gerhard Mersmann

Revanchismus ist Landesverrat

[von Dr. Gerhard Mersmann]  Vor einigen Tagen schrieb eine von mir sehr geschätzte Frau, sie verstehe nicht, warum sich so wenig Menschen gegen eine Radikalisierung der Gesellschaft von rechts wehren. Ihre Sorge ist zu teilen, wiewohl es Gründe gibt, die erklären, dass die allseitige Katastrophe, die mit dem Phänomen des Faschismus beschrieben werden kann, zu keinen positiven Schlussfolgerungen geführt hat. Der Grund liegt in der Geschichte. Wer nicht begreift, dass historisches Unrecht verarbeitet werden muss, der kann weder in der Gegenwart noch in der Zukunft Positionen entwickeln, die eine historische Wiederholung ausschließen. Das hat nichts mit dem ewigen Tragen eines Büßerhemdes zu tun, sondern mit einem klugen Kopf. Nur wenige derer, die als zur meinungsbildenden Elite gezählt werden müssen, haben angezeigt, dass sie die eigene Geschichte begriffen haben.

Bis auf den Bundespräsidenten, der, so erstaunlich das für einige klingen mag, anlässlich des 80. Jahrestages des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf die damalige Sowjetunion die richtigen Worte gefunden hat, hat nahezu die gesamte politische wie mediale Nomenklatura die heutige, von einer neuen Dimension des Kalten Krieges geprägte Position gegen Russland dazu benutzt, um den Überfall und seine Folgen zu relativieren und die Opfer in einer Milchmädchenrechnung aufzurechnen. Da kamen Gedanken zum Vorschein, die auch im Obersalzberg hätten formuliert werden können. Hitler, so hieß es da, sei mit dem Überfall auf die Sowjetunion seinem Pendant Stalin nur zuvorgekommen. Wer so etwas fabriziert, insinuiert hinsichtlich des Russlandfeldzuges ein gehöriges Maß an Erleichterung. Und da sind Sportreporter, die anlässlich eines Fußballspiels, an dem die russische Nationalmannschaft beteiligt ist, Ressentiments zum besten geben, die alte Zeiten wieder beleben. Und da ist ein Bundestagspräsident, der die Früchte einer weit vorausblickenden, aus einem tiefen Geschichtsverständnis befruchtete Ostpolitik mit einem marktliberalistischen Anschluss Ostdeutschlands auf den Kompost geworfen hat, der wie selbstverständlich den Bundestag für eine Stunde der Besinnung als nicht zuständig bezeichnet hat.

So geht, man verzeihe den alten Terminus, so geht Revanchismus. Und Revanchismus in Bezug auf die für Deutschland desaströsen Ergebnisse des Faschismus ist nur eine Variante der alten Denkweise. Das befreiende an dem Desaster, das von den so genannten Eliten geboten wird, ist die Kenntnis darüber, dass dieser nicht zu entschuldigende Unsinn von der Mehrheit der Bevölkerung nicht geteilt wird. Noch, so könnte spekuliert werden, noch sind die Kommentare auf die Flut von unsinnigen, relativierenden und verharmlosenden Reden und Artikel freigeschaltet. Dort bildet sich ein anderes Bild, das nicht dadurch getrübt werden kann, dass die neuen Kalten Krieger jeden, der es wagt, ihre Ressentiments zu kritisieren, mit denn Hexenhammer des AFD-Signums zu diskreditieren suchen. So, nur ganz nebenbei, treibt man Menschen, die noch einen Funken historischen Bewusstseins und Respekt in sich tragen, in andere politische Lager, als sie eigentlich gehören. Aber, herrscht einmal die Eindimensionalität in geschlossenen Kreisen, ist sie nicht mehr zu bändigen.

So wird die Geschichte ihren Lauf nehmen. Bleibt es bei dem Ensemble von politischen Entscheidungsträgern, wie sie sich heute repräsentieren, dann wird das Lehrstück, das die Geschichte mit seiner ganzen Katastrophe geliefert hat, ein schmerzhaftes Beispiel ohne Nutzen. Es ist die Stunde, sich gegen den Verfall der politischen Klugheit und Moral mit allen Mitteln zur Wehr zu setzen. Wer glaubt, mit einem Revival des Kalten Krieges auf der richtigen Seite zu sein, gefährdet das Land in seiner Existenz. Revanchismus ist Landesverrat.

COMMENTS

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    Walter Finger 3 Jahren

    Und wieder schmeisst man alles in einen Topf.
    Wer nach dem Studium der profunden Studie des jüngsten DDR Generals und Militärhistorikers Dr. Schwipper, der an der Akademie des Generalstabes der Sowjetarmee von 1980 bis 1982 studierte und und vor allem jene russischen Dokumente und Militärakten der Jahre 1939 -1941, welche bislang von der Forschung, insbesondere der deutschen, unbeachtet zur Seite geschoben wurden oder einfach nicht bekannt waren, auswertete und dann immer noch die These von einem Überfall auf eine friedliebende Sowjetunion daher redet, wird hier durch die vorgelegten Materialien eindeutiger Beweise der Angriffspläne Stalins gegen das Deutsche Reich eines besseren belehrt.
    Sowohl die deutsche Seite kannte kannte Stalins Offensivpläne, aber auch die sowjetische Seite wusste um den Aufmarsch an ihrer vorgeschobenen Westgrenze.
    Die Fülle von unwiderlegbaren Dokumenten belegen die Tatsache, das die Rote Armee spätestens um den 10.Juli 1941 zum Angriff gegen das Deutsche Reich antreten wollte.
    Wer diese Dokumente und Übersetzungen nicht selbst gelsen hat, sollte sich mit Schmähungen und Falschbehauptungen zurückhalten.
    In meinen Bücherregalen sind die Denkschriften und Erinnerungen fast aller sowjetischen Heerführer und auch russischer Historiker nach 1990 die Dokumente auswerteten, vorrätig.
    Aber ein Generalstäbler der die russische Sprache perfekt beherrscht und die Geschichte der Roten Armee mit dem Studium an der Generalstabsakademie bestens vermittelt bekam, ist besser als jeder zivile Historiker in der Lage die russischen Dokumente und Materialien auszuwerten und entsprechende Schlußfolgerungen daraus zu zu ziehen.
    Lesen sie die Studie und sie werden eines besseren belehrt. Das hat mit Revanchismus ansolut nicht zu tun.
    Aber auch absolut nichts damit zu tun das Kriegsverbrechen begangen wurden.
    Nehmen sie sich die fünf Punkte vor die Stalin aufgestellt hat und die nicht in Nürnberg behandelt werden durften…..

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      Horst Beger 3 Jahren

      Wer versucht, den Angriffs- und Vernichtungskrieg Hitlers gegen die Sowjetunion in einen Präventivkrieg gegen Stalin umzudeuten zeigt, dass er über den „pathologischen preußisch-deutschen Militarismus“ von damals und heute nicht hinausgekommen ist, „der die niedrigste Kulturform darstellt, die je da gewesen ist“(Theodor Fontane).

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        Walter Finger 3 Jahren

        Guten Tag Herr Berger,
        leider muss ich konstatieren das Sie offensichtlich nichts hinzugelernt haben.
        Auch ich bin fußend auf der Erziehung eines kommunistischen Elternhauses und stolz Genosse unserer Partei gewesen zu sein, die längste Zeit meines ersten Berufslebens mit meinen/unseren Waffenbrüdern eng die Völkerfreundschaft hegend, bis zum Abschied den wir nehmen mussten, sehr oft zusammen gewesen. Da die GSSD länger auf deutschen Boden existiert hat als meine Armee gaben sie uns zum Abschied eine Feier, an die ich noch lange zurückdachte.
        Das Leben stellte uns jedoch vor neue Prioritäten und viele haben sie auch gemeistert und sind erfolgreich geworden.
        Aber Geschichte ist nie in Beton gegossen und Dokumente und Materialien die unter Verschluss liegend erst immer erst nach langer Zeit freigegeben wurden und bringen Resultate zum Vorschein die man zwar erahnte aber nicht beweisen und mit Dokumenten unterlegen konnte. Die Dokumente die GM Schwepper wissenschaftlich aufarbeiten und recherchieren konnte als Absolvent der Generalsstabsakademie in Moskau sind bereits schon wieder geschlossen.
        Die DW hat den Angriff begonnen das ist absolut richtig….ein Überfall war es definitiv nicht. Lt. Schukow haben die Deutschen auch am selben Morgen des Beginns der Kampfhandlungen in Moskau und Berlin die offizielle Kriegserklärung abgegeben. Schukow…kam überstürzt in Zimmer und erklärte „Die Deutschen haben uns der Krieg erklärt“….
        Die gesamte sowjetische Gesellschaft war hoch militarisiert und auf einen Krieg vorbereitet.
        Für was hat die Rote Armee eine Million Fallschirmjäger ausgebildet und teils wieder in Reserve geschickt. Diese die Waffengattung sind Angriffstruppen. Hochgradig und extrem gut ausgebildet sind sie Eliteeinheiten. Das nur am Rande….
        Gerade Schukow der die Offensivpläne gegen das Deutsche Reich ausarbeitete und auf Weisung Stalin mehrfach änderte und sie immer wieder vorlegte.
        Mir pathologisch -deutschen Militarismus vorzuwerfen ist nicht nur paradox sondern auch hochgradig beleidigend.
        Ich würde Theodor Fontane in Frieden ruhen lassen und ihn nicht mit solch Nonsens namentlich in Verbindung bringen….
        Die Verbrechen die auf sowjetischen aber auch auf nicht sowjetischen Boden begangen wurden sind geschehen und niemand sollte diese als nicht existent beiseite wischen.
        Aber wie ich schon sagte, die Geschichte ist vielschichtig und zu komplex als sie nur einseitig zu betrachten.

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          Horst Beger 3 Jahren

          Theodor Fontane hat seine berechtigte Kritik am pathologischen preußischen Militarismus nach der deutschen Reichsgründung in Versailles formuliert, und die kurzsichtige Politik Bismarcks, der seiner Zeit niemals auch nur um wenige Jahre voraus war, hat zu den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts geführt. Wer in diese und die daraus entstehenden Folgen hineingeboren wurde, muss sich für dieses Schicksal nicht entschuldigen, aber er kann Konsequenzen für die Gegenwart und Zukunft daraus ziehen. Insofern ist die Kritik Fontanes am pathologischen deutschen Militarismus als niedrigster Kulturform auch heute noch gültig, insbesondere wenn die deutsche Politik der Gegenwart einschließlich der bellizistischen Grünen über diesen pathologischen Militarismus nicht hinaus denken kann.

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    Horst Beger 3 Jahren

    Der alttestamentarische Revanchismus der heutigen Politiker ist der gleiche wie der ihrer geistigen Vätern, die mit dem Segen der Römischen Kirche Hitler an die Macht gebracht haben, „um ein Bollwerk gegen den Bolschewismus zu errichten“. Übertroffen wird dieser allenfalls von der Scheinheiligkeit der bellizistischen Grünen, die diesem noch ein Gendersternchen hinzu gefügt haben. Das heißt hinter dem alttestamentarischen Revanchismus verbirgt sich der jahrhunderte alte Kampf des westlichen(römischen) Christentums gegen das östliche(russische) Christentum, wie der amerikanische Politologe Samuel Huntington das in seinem Buch „Kampf der Kulturen“ aufgezeigt hat.

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    Nina Schmidt 3 Jahren

    „Noch, so könnte spekuliert werden, noch sind die Kommentare auf die Flut von unsinnigen, relativierenden und verharmlosenden Reden und Artikel freigeschaltet.“ Stimmt, aber es kommen eher diejenigen durch, die „auf der Linie“ sind. Diese Plattform ist eher eine Ausnahme.

    „Die Zeitungen waren voll von Forderungen, Beteuerungen und den üblichen Meldungen von Grenzzwischenfällen, die stets Kriegen vorangehen und bei denen es sonderbar ist, dass immer die schwachen Nationen von den starken der Aggressivität beschuldigt werden.“
    Erich Maria Remarque, „Die Nacht von Lissabon“
    Also, im Westen nichts Neues.
    Danke, Herr Dr. Mersmann!

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