Ein Kommentar von Dr. Gerhard Mersmann für Russlandkontrovers
Transscript:
Trump: Erleichterung wie Entsetzen
Es kann durchaus vorkommen, dass derselbe Akteur durch sein Handeln auf der einen Seite Erleichterung und auf der anderen Entsetzen auszulösen imstande ist. Der amerikanische Präsident Donald Trump führt momentan eine solche Übung vor. Nicht, dass jemand auf die Idee käme, der Mann sei konzeptionell erratisch. Nein, nur ist er kein Politiker, der in einem bestimmten Setting sozialisiert wurde und so etwas wie den gesellschaftlichen Zeitgeist in sich trüge. Nein, Donald Trump ist eine Registrierkasse, die konsequent der eigenen Logik folgt. Zwar schmückt er zuweilen seine Absichten mit humanistischen oder freiheitlichen Girlanden, aber das ist unwesentliches Beiwerk.
Sein Versprechen, den Krieg in der Ukraine schnell zu beenden, entspricht der Strategie, die direkte Konfrontation mit Russland zu beenden und das zu spielen, was in Washington mittlerweile unverblümt die russische Karte genannt wird. Bei der Formulierung handelt es sich um eine Anspielung auf die von Richard Nixon in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts als chinesische Karte bezeichnete Politik, d.h. eine freundliche Annäherung an die Volksrepublik China, um den Hauptkonkurrenten UdSSR zu schwächen. Und Donald Trump geht es um genau das: ein Modus Vivendi mit Russland zu schaffen, um die wachsende Allianz von China und Russland zu schwächen. Und dass in der Ukraine Seltene Erden auf Bergung warten, die man momentan aus China beziehen muss, ist eines der Argumente, das die Kasse klingeln lassen könnte. So könnte eine Prognose lauten, dass der jetzige Frontverlauf zur neuen Grenze zwischen Russland und der Ukraine wird, langfristige Verträge über die Lieferung Seltener Erden geschlossen werden und eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine vom Tisch ist. Und glaube bitte niemand, dass eine derartige Finalisierung des Konfliktes in der Ukraine wie in Russland zu großer Verzweiflung führen würde!
Und was bei dem erwähnten Konflikt zu großer Erleichterung bei vielen Menschen in Europa führen würde, löst bei Trumps Vorstellungen über die Möglichkeit der Neugestaltung des GAZA-Streifens Entsetzen aus. Da beinhaltet der Rausch eines Immobilienmaklers den größten Bruch des Völkerrechts und aller humanitärer Prinzipien im 21. Jahrhundert. Mal eben die zwei Millionen Palästinenser nach Ägypten und Jordanien verfrachten und den einstigen Lebensraum, der in eine Kriegswüste verwandelt wurde, zu planieren und dort eine Luxuslandschaft für globale Couponschneider entstehen zu lassen, ist an Zynismus tatsächlich mit dem zu vergleichen, was anlässlich der vielen Gedenkfeiern zur Befreiung von Auschwitz noch einmal in vielen Beiträgen geschildert wurde: genauso menschenverachtend und genauso technokratisch. Dass bei der Entwicklung dieser Vision ein israelischer Premier applaudierend daneben steht, zeigt, wie vieles andere, dass Akteure wie Opfer des letzten welthistorischen Debakels nichts aus dem Desaster gelernt haben. Nichts. Gar nichts.
Und so ist es kein Wunder, dass in der westeuropäischen politischen Nomenklatura momentan große Verwirrung herrscht und längst deutlich geworden ist, dass sowohl die alten wie die schnell entworfenen neuen Konzepte, die irgendwie die bestehende „Ordnung“ aufrecht erhalten wollen, untauglich sind. Alle, die sich in der Vergangenheit als Experten haben profilieren können, schauen nun ratlos umher und stürzen sich auf alles, was sich bewegt, um zu beweisen, dass sie noch da sind. Nur beeinflussen können sie nichts mehr. Wenn sie ehrlich wären, würden sie den alten Spruch bemühen, der da besagt, dass da höhere Mächte am Werk sind, die den weiteren Gang bestimmen werden und man selbst keinen Einfluss hat. Die Namen dieser Mächte sind bekannt, nur wollen die kleinen Figuren auf dem Brett sie nicht nennen. Würde ja auch die eigene Bedeutung erheblich schmälern.
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„Die höheren Mächte“, die die verwirrten westeuropäischen Experten nicht nennen wollen, hat der amerikanische Geostratege und Politologe Samuel Huntington in seinem Buch „Kampf der Kulturen“ von 1997 beim Namen genannt in dem er schreibt: „Das westliche(römische) Christentum bekämpft seit über tausend Jahren das östliche(russische) Christentum“, ohne auf denn substanziellen Unterschied einzugehen. Und er weist darauf hin, dass diese „Kulturgrenze“ auch die Ukraine in eine vom russischen Christentum geprägte Ostukraine und eine vom römischen Christentum beeinflusste Westukraine teilt, also ganz aktuell ist. Von daher kann man verstehen, dass Russland in dem Stellvertreterkrieg der NATO gegen Russland in der Ukraine nicht nur seine geostrategischen Interessen verteidigt, sondern die christliche Russische Welt gegen die antichristliche Welt des Westens.