[Kommentar von Dr. Gerhard Mersmann] Als gestern zu lesen war, dass Friedrich Merz dem russischen Präsidenten Putin ein Ultimatum gestellt hatte, fiel mir ein wunderbarer Satz Friedrich Engels ein, den er seinerzeit über den damals in der Sozialdemokratie populären Ökonomen Eugen Düring geschrieben hatte: Unzurechnungsfähigkeit aus Größenwahn. Besser kann man das ganze Getöse, das von den so genannten außenpolitischen Experten, Amtsträgern und gekauften Ex-Politikern in den Äther gepustet wird nicht mehr beschreiben. Die EU, seit einiger Zeit auf dem Long Way Down unter deutscher Führung, die Legionen von Juristen bemüht hat, um ein Sanktionspaket nach dem anderen zu schnüren, hat die russische Fähigkeit, diesen Krieg zu führen, in keiner Weise beeinträchtigt. Außer massiven Schäden für die Ökonomien einzelner eigener Mitgliedsländer kam bis heute nichts dabei heraus.
Es kommt, jetzt mit den Merz´schen Amtsträgern aus der historischen Geisterbahn, nichts anderes heraus als Selbstverstümmelung. Aber was soll es? Das, was dieses Konsortium von Selbstüberschätzern dort verspielt, ist nicht ihr eigenes Gut. Man muss sich nur vergegenwärtigen, wie die Regierung Merz zustande kam und welche Taschenspielertricks vonnöten waren, um dahin zu kommen, was jetzt – selbst gewählt – die in allen Aspekten als Koalition der Willigen bezeichnet wird. Was sich anhört wie ein Ferienlager des Führers, bekommt auch immer mehr diesen Charakter.
Die ganze Muskelspielerei entpuppt sich nämlich in jeglicher Hinsicht als kraftlose Geste. Die tatsächliche Konfrontation mit Russland hat sich als nicht erfolgreich realisierbar herausgestellt. Mit der Eskalation von zu lieferndem Kriegsmaterial ist es ebensowenig getan wie mit den bis zur Phantasielosigkeit geschnürten Sanktionspaketen. Diejenigen, die das im übrigen von langer Hand inszeniert haben, die USA unter Führung der in diesem Land so sehr geliebten Demokraten, haben es mittlerweile eingesehen und steuern mit einer republikanischen Regierung um. Und Deutschland wie die bissige EU-Kommissionspräsidentin, die mit einem millionenschweren Karls-Preis bei Laune gehalten werden soll, halten fest an einem Kurs, der nur noch auf Kosten der ukrainischen Bevölkerung und der EU-Mitgliedsländer durchgehalten werden kann.
Und die Waffenlieferungen an Netanyahu, der in einer Koalition mit Elementen, die mit dem Vokabular eines Heydrich gegen palästinensische Zivilisten einen Ausrottungskrieg führen, die mit einer „Staatsräson“ begründet werden, dokumentieren nur eines: Lehren aus der Geschichte sind von diesem Ensemble nicht zu erwarten. Und dass es mit einem Vokabular jonglieren darf, das jegliche Form historischer Lehren auf den Kopf stellt, ist einer längst monopolisierten Presse und instrumentalisierten Medienanstalten zu verdanken. Sie pusten den Unrat, der Militarismus, Krieg und Vernichtung mit schönen Worten in eine überlegene moralische Kategorie katapultieren soll, ohne Pause in den Äther.
Dass diese Unverfrorenheit, dieser Wahnsinn und diese Kläglichkeit nicht mehr die erhoffte Wirkung haben macht die Runde und es verbreitet sich sichtbar eine Panik aus der Erkenntnis, dass das tatsächlich dreckige Spiel, das nichts mit Wohlstand, nichts mit Frieden und nichts mit Demokratie zu tun hat, auf ganz böse Art und Weise zu einem Ende kommen könnte. Noch gelingt es hier und da, die Konsequenz für das eigene widerliche Handeln als die eigentliche Gefahr an die Wand zu malen. Im Hause des Wankelmutes mag diese Rechnung noch aufgehen. Dort, wo sich der Verstand und die Beobachtungsgabe ins Zeitalter des systematischen Betrugs herüberretten konnte, wuchert bereits der gerechte Zorn.
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„Wer nicht von dreitausend Jahren/Sich weiß Rechenschaft zu geben,/Bleib im dunkeln unerfahren,/Mag von Tag zu Tage leben“, heißt es in Goethes „West-Östlichem Diwan“. Bezogen auf Russland ist damit ein Zeitraum abgesteckt, der weit in die Vorgeschichte des Landes weist, aber tausend Jahre sollten es schon sein. Unsere heutigen einfältigen Politiker/innen können oder wollen sich jedoch noch nicht einmal von den letzten 80 Jahren Rechenschaft geben, von den letzten 108 Jahren und dem „Untergang des (christlichen) Abendlandes“ ganz zu schweigen. Die sich abzeichnenden Folgen hat der Autor eindrucksvoll aufgezeigt.
Das ist Klartext! Ich wünsche diesem grossartigen Artikel eine möglichst breite Leserschaft. Besser und präziser lässt sich nicht sagen, wo wir heute stehen.
Der inzwischen von Präsident Trump unbedacht oder provokativ gemachte Vorschlag, das nächste Treffen im „neutralen“ Vatikan durchzuführen, ist für Russland natürlich unannehmbar. Denn die römische Kirche bekämpft die russische Kirche seit deren Bestehen, wie der amerikanische Geostratege und Politologe Samuel Huntington das in seinem Buch „Kampf der Kulturen“ von 1996 aufgezeigt hat ohne auf den substanziellen Unterschied einzugehen. Und er hat darauf hingewiesen, dass diese „Kulturgrenze“ auch die Ukraine in eine vom russischen Christentum geprägte Ostukraine und eine vom römischen Christen beeinflusste Westukraine teilt, also ganz aktuell ist. Hinzu kommt, dass Präsident Selenskyj das Wirken der russischen Kirche in der Ukraine weitgehend eingeschränkt und deren Kirchen enteignet hat. Auch von daher ist ein Treffen im Vatikan für Russland unmöglich, obwohl sich die „Koalition der Willigen“ und der Vatikan darauf gerne einlassen würden.
Friedrich März, dessen geistige Väter von der katholischen Zentrumspartei 1933 Hitler an die Macht gebracht haben, „um ein Bollwerk gegen den Bolschewismus zu schaffen“, hofft offensichtlich darauf, was damals nicht gelang, jetzt mit der „Koalition der (Kriegs)Willigen“ zu erreichen. Und er wird dabei von der einfältigen SPD unterstützt, die 1933 noch gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt hatte, das Hitler uneingeschränkte Machtbefugnisse gab. Dass „dieser Wahnsinn zur Selbsverstümmelung führte und führen wird“, scheinen unsere einfältigen Politiker/innen nicht zu begreifen oder zu wollen.