Wahlen in Russland

Wahlen in Russland

Unter Russlands politischer Elite herrscht rege Betriebsamkeit. In wenigen Tagen, am 22. Mai 2016, lässt die Partei Einiges Russland durch Vorwahlen ihre Kandidaten für die Dumawahlen im September nominieren. Welche Rolle spielen die Wahlen für das politische System Russlands? Wie bereiten sich die Parteien auf die Wahlen vor? Gibt es eine ernst zu nehmende Opposition? Hier ein Beitrag von Dr. Eberhard Schneider

Am 18. September wird das russische Parlament, die Staatsduma, für die Legislaturperiode von fünf Jahren gewählt. Sie besteht aus 450 Abgeordneten, die zur Hälfte nach Parteilisten und zur anderen Hälfte als Einzelkandidaten direkt gewählt werden. Damit eine Partei in die Staatsduma einziehen kann, muss sie mindestens fünf Prozent der Stimmen bekommen. Für die Wahl eines Direktkandidaten reicht die Mehrheit der Stimmen.

Die Staatsduma stimmt der Wahl des Regierungschefs zu, den der Präsident vorschlägt und aus der größten Fraktion aussucht. Wie jedes Parlament verabschiedet die Staatsduma Gesetze und überstimmt das Veto des Präsidenten gegen ein Gesetz. Ferner spricht sie bei entsprechender Anfrage der Regierung das Vertrauen aus oder verweigert es. Zudem kann sie der Regierung das Misstrauen aussprechen. Und schließlich ist sie imstande. zur Absetzung des Präsidenten das Impeachmentverfahren einzuleiten.

Auch in der neuen Staatsduma dürften wieder die vier Parteien vertreten sein, die im jetzigen Parlament Fraktionen bilden: die Machtpartei „Einiges Russland“, die etwas oppositionelle Partei „Gerechtes Russland“, die nationalpopulistische „Liberal-demokratische Partei Russlands“ und die oppositionelle „Kommunistische Partei der Russischen Föderation“. Die Partei „Einiges Russland“ lässt diesmal ihre Kandidaten durch Vorwahlen nominieren. Sie bemüht sich, Kandidaten aufzustellen, die Ansehen bei der Bevölkerung genießen, denn sie befürchtet, dass sie weniger Stimmen bekommen wird als bei der letzten Wahl 2011, weil die Wähler die Regierungspartei für die schwierige Wirtschaftslage verantwortlich machen werden. Dass es „Einiges Russland“ offensichtlich an Direktkandidaten fehlt, die im Wahlkampf bestehen können, kann aus dem Bestreben der vier in der Staatsduma vertretenen Parteien geschlossen werden, untereinander eine Art Nichtangriffspakt zu schließen. 40 Direktwahlkreise sollen so genutzt werden, dass ihre Kandidaten in je zehn Wahlkreisen siegen werden und sie sich so einen intensiven Wahlkampf ersparen. Schließlich kann die Machtpartei auf diese Weise in Direktwahlkreisen Niederlagen vermeiden. Gleichwohl dürfte „Einiges Russland“ die meisten Stimmen bekommen.

Die zersplitterte außerparlamentarische Opposition hat nach Einschätzung russischer Experten zusammen ein Wählerpotential von 12-14 %, das sie aber nur nutzen könnte, wenn sie sich unter einer Flagge vereinigen würde, was sie aber nicht tut. In Direktwahlkreisen könnten zwei Vertreter der Opposition gut abschneiden: der Aufdecker von Korruptionsskandalen Alexej Nawalnij, der 2013 bei der Wahl des Moskauer Oberbürgermeisters mit 27 % den zweiten Platz erreichte, und der ehemalige KGB-Oberst Gennadij Gudkow, der 2011 Demonstrationen und Kundgebungen gegen Wahlfälschung organisierte und dem dann ein Jahr später die Staatsduma sein Abgeordnetenmandat wegen angeblich rechtswidriger wirtschaftlicher Tätigkeit entzog.

Um möglichen Wahlfälschungen vorzubeugen, wurde am 28. März die für ihr Menschenrechtsengagement bekannte Ella Pamfilowa zur Vorsitzenden der Zentralen Wahlkommission gewählt. Vorher war sie Menschenrechtsbeauftragte der Staatsduma. In ihrem Jahresbericht 2015 stellte sie fest, dass die Schere zwischen den sehr Armen und den sehr Reichen immer weiter auseinander geht, was eine der wichtigsten Bedrohungen für die innere Sicherheit darstellt. Die russischen Zeitungen meinten zur Wahl Pamfilowas, dass sie Heldentaten vollbringen müsse, um die Wähler davon zu überzeugen, dass ihre Stimmen wieder etwas gelten und Einfluss haben.

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