[von Prof. Alexander Rahr] In den USA hat ein schleichender Putsch stattgefunden. US Präsident Donald Trump ist de facto nicht mehr an der Macht. Die Entscheidungen in der In- und Außenpolitik der einzigen Supermacht treffen andere.
Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um zu sehen, dass Trump, der de jure noch Präsident ist, in Wirklichkeit vom US Kongress längst entmündigt worden ist. Keines seiner im Wahlkampf angekündigten Vorhaben durfte er umsetzen. Trump ist im eigenen Land zum Gejagten geworden. Jeder seiner politischen Schritte wird in den US Medien verhöhnt, von US Gerichten kritisch hinterfragt und gestoppt, von US Geheimdiensten wird er verfolgt als sei er tatsächlich ein feindlicher Agent.
Lange wird Trump diesen Zustand psychisch nicht aushalten.
Der entmachtete Präsident versucht sich durch blinden Aktionismus und plumpe Befreiungsschläge aus den Fängen seiner Gegner zu befreien. Mal stachelt er zum Krieg gegen Syrien, dann gegen Nordkorea, dann plötzlich Afghanistan… Er droht Kuba, dem Iran, doch die Washingtoner Eliten, die ihn von der Macht entfernen wollen, haben eine andere, weitgehendere strategische Agenda.
Für sie ist Russland, die einzige Macht, die militärisch mit Amerika um die Weltherrschaft konkurrieren kann, der Feind Nummer 1. Amerika soll vor allem Russland eindämmen.
Trump musste seinen ernsthaften Versuch, eine Wiederannäherung an Russland zu erreichen, wieder begraben.
Sein Verteidigungsminister will sogar die Ukraine mit Waffen beliefern, den Konflikt in der Ostukraine damit anheizen. Das US Establishment scheint blind vor Wut gegenüber Russland zu sein, das mit aller Macht wieder in die ersten Liga der Weltpolitik drängt und im Postsowjetischen Raum seien Einfluss wieder aufbauen möchte.
Wenn diese Analyse stimmt, tauchen einige wichtige Fragen auf.
Wo bleiben die Europäer? Sie schweigen. Als ob sie alles nichts angeht. Schrecklich. Der Appell des SPD Kanzlerkandidaten, amerikanische Atomwaffen aus Deutschland abzurüsten, verhallt fast unbemerkt.
Russland schweigt nicht. Moskau sucht, weil es sich vom Westen eingekreist fühlt, immer stärker den Schulterschluss zu China. Nicht gut für Europas Stabilität.
Doch die interessanteste Frage ist die: wer hat die eigentliche Macht im stärksten Land der Welt? Wer ist der mächtigste Mann (Frau) der Welt?
Ist es der krebskranke Senator John McCain, der die Mehrheit im Kongress regiert, oder Hillary Clinton hinter den Kulissen, oder jemand in den Geheimdiensten der USA, oder gibt es eine versteckte kollektive Führung, oder ist das liberale US-Establishment einfach innerlich so konsolidiert, dass es den Coup gegen Trump so mühelos über die Bühne bringen konnte?
Die liberalen Kräfte können jubeln. Sie haben den widerspenstigen Präsidenten besiegt. Er war nie einer von ihnen. Die Mauer an der Grenze zu Mexiko wird nicht gebaut, die Gesundheitsreform Obamas nicht angetastet, Araber dürfen weiter Visa in die USA erhalten (Russen dagegen nur eingeschränkt), die EU Eliten müssen keine Angst mehr vor höheren Verteidigungsausgaben haben, TTIP wird wohl ebenfalls bald umgesetzt.
So weit, so gut, könnte man sagen.
Aber das Washingtoner Establishment hat eine nicht weniger kriegerische Agenda. Bestrafung westlicher Firmen für eine Kooperation mit Russland, zum Beispiel. NATO Aufmärsche an der Grenze zu Russland. Regime-change Politik weltweit.
Welche Konsequenzen wird der Coup für die amerikanische Demokratie langfristig haben? Das Amt des Präsidenten ist massiv beschädigt worden. Wie wird die amerikanische Gesellschaft damit umgehen?
Und was machen wir mit einem Amerika, das immer unberechenbarer wird?
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