Wodka, Kaviar und DiamantenDr. Gerhard Mersmann

Wodka, Kaviar und Diamanten

[von Dr. Gerhard Mersmann] Was noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen wäre, gehört heute zur täglichen Routine der Politikgestaltung. Wobei dabei der Anspruch, damit etwas zu gestalten, als ein Euphemismus erster Klasse bezeichnet werden muss. Es geht um das Verhängen von Sanktionen. Existiert haben sie schon immer, da mache man sich nichts vor, auch Deutschland war schon sehr früh dabei, Sanktionen gegen chinesische Produkte mit zu implementieren, wenn es um eigene, staatlich subventionierte Industrien wie die Solarbranche oder Fahrräder ging. Dann kam der US-amerikanische Präsident Donald Trump und begann damit, innerhalb des westlichen Bündnisses gemäß seines aus der Mottenkiste hervorgeholten Prinzips des America First! zahlreiche Sanktionen gegen Produkte aus der EU zu verhängen. Man erinnere sich an die ersten symbolischen Handlungen, mit denen die EU antwortete, da ging es dann um Strafzölle auf Harley Davidson Motorräder. Und es war keine Fehleinschätzung, bei solchen Aktionen von symbolischen Handlungen zu sprechen.

Nicht vergessen werden sollten bei dem Mittel der Sanktion einige Zusammenhänge. Wenn der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist, und die Politik eine prägende Ausdrucksformen der ökonomischen Verhältnisse, dann ist die Wirtschaftssanktion der kriegerische Rote Faden, der sich durch das Amalgam von Wirtschaft, Politik und Krieg zieht.

Die gegenwärtige Fokussierung, vor allem seitens der EU, auf die Verhängung von Wirtschaftssanktionen, mit dem von der Kommissionspräsidentin explizit ausgesprochenen Ziel, Russland ruinieren zu wollen, dann handelt es sich bei diesem Mittel um die Prothese für nicht vorhandene militärische Schlagkraft. Das nun ausgebreitete volle Sanktionsprogramm ist ein Portfolio massiver Kriegsführung. Und dass es sich dabei, wie sollte es anders sein, wieder einmal um eine Strategie ohne Alternative handelt, dokumentiert den bereits ohne heißen Krieg herbeigeführten Zustand der Zerstörung wichtiger demokratischer Institutionen, den bemitleidenswerten Zustand des Pressewesens und die Apathie eines Großteils der Bevölkerung in Ermangelung einer politischen Organisation. Angesichts dieser Befindlichkeit wäre es anzuraten, schon einmal die Fahne der Kapitulation aus den Requisiten zu holen.

Wenn sich, bis auf wenige, versprengte Relikte aus einer anderen Zeit, bei einem kriegerischen Konflikt niemand Gedanken darüber macht, wie es einmal weitergehen soll, dann ist die historische Phase der Amöbenexistenz erreicht. Die Frage nach Möglichkeiten einer Friedensordnung nach Beendigung des Konflikts wird nicht nur konsequent ausgeklammert, sondern es werden auch diejenigen, die sie stellen, dem medialen Mob zur Hetzjagd freigegebenen. Die logische Schlussfolgerung ist, dass die im Verborgenen sitzenden Chefstrategen es begrüßen, wenn sich die Gesellschaft auf den Dauerzustand des Krieges einstellt. Ohne Ende in Sicht. Erst dann, wenn der Hunger gestillt ist. Aber, wie es so ist mit dem Kapitalismus: den Zustand der Sättigung kennt er nicht, entweder er hat Hunger, oder ihm ist schlecht!

Da freut es schon fast zu hören, dass aus dem enthaltsamen Amerika der Onkel Joe zu einem Verzicht aufruft und dem russischen Reich des Bösen mit einer weiteren Sanktion den Todesstoß zu versetzen gedenkt. In dem ewigen Reigen der Sanktionierung tauchten nun auch russische Produkte auf, die nicht nur den Exporteur, sondern auch die Konsumenten im freien Westen in Angst und Schrecken versetzen werden. Neu auf der Liste der russischen Produkte, die in keinem westlichen Geschäft mehr aufzufinden sein sollen, sind Wodka, Kaviar und Diamanten! Der permanente Krieg ist bereits in vollem Gange. Ade, du schöne Welt!

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