….. in Europa! – Frieden durch Aufrüstung? – Teil 2

….. in Europa! – Frieden durch Aufrüstung? – Teil 2

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Kriege in Europa – vergessen und verdrängt

Der russische ….. auf die Ukraine entwickelt sich zum bisher größten und gefährlichsten Krieg in Europa. Aber er ist nicht der erste Krieg in Europa. Viele Kriege sind im öffentlichen Bewusstsein nicht präsent oder werden verdrängt. Die Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) informiert[1] umfassend über das weltweite Kriegsgeschehen nach dem Zweiten Weltkrieg. Im AKUF-Archiv sind Analysen, Übersichten und Statistiken zu sämtlichen Kriegen seit 1945 vorhanden: „Noch in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Ausgang des Zweiten Weltkrieges standen die zwei Griechischen Bürgerkriege (1944-1945 und 1946-1949), die in Westeuropa das Kriegsgeschehen nach dem Zweiten Weltkrieg einleiteten.

Der erste Griechische Bürgerkrieg begann zwar im Dezember 1944, während der Zweite Weltkrieg in Europa offiziell erst am 8. Mai beendet wurde. Jedoch standen sich hier bewaffnete Gruppen gegenüber, die bereits den ideologischen Lagern des bevorstehenden Ost-West-Konfliktes zuzuordnen sind.

Ungefähr in den gleichen Zeitraum fällt der Spanische Bürgerkrieg (1945-1950). Allein drei Kriege eskalierten auf Zypern. Von 1955 bis 1959 wurde um die Unabhängigkeit der Insel von Großbritannien gekämpft, der zweite Krieg (1963-1964) führte zur Teilung der Insel in einen griechisch-zypriotischen Süden und einen türkisch-zypriotischen Norden, der Krieg von 1974 schließlich verfestigte diese Teilung noch einmal.

Von 1968 bis 1979 dauerte der Krieg im spanischen Baskenland, der seitdem unterhalb der Kriegsschwelle mit geringer Intensität weitergeht.

Der Nordirlandkrieg (1969-1997) stellt die längste bewaffnete Auseinandersetzung dar.

Mit Ausnahme des Ungarn-Aufstandes von 1956 blieb Osteuropa bis 1989 kriegsfrei.

Von 1989 bis 1995 eskalierten jedoch gleich 5 Kriege, die allesamt in Südosteuropa stattfanden. Nach den relativ kurzen kriegerischen Auseinandersetzungen in Rumänien (1989) und Moldavien (1992) haben die kriegerischen Staatsbildungsprozesse auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens das weitere Konfliktgeschehen bestimmt. Die Kriege in Slowenien (1991), Kroatien (1991-1995) und Bosnien (1992-1995) begannen zwar als Sezessionskriege, sie bekamen jedoch im weiteren Konfliktverlauf, mit der Anerkennung der Unabhängigkeit der jugoslawischen Nachfolgestaaten, auch eine zwischenstaatliche Dimension.

Unter den Kriegen in Europa wird der NATO-Krieg gegen Jugoslawien mit der Abtrennung des Kosovo als völkerrechtswidrig angesehen. Es gab für diesen Krieg weder ein UN-Mandat, noch Bündnisfall, sondern als Vorwand nur Lügen[2]. Der NATO-Einsatz unter Beteiligung von Tornados der Bundeswehr dauerte vom 24. März 1999 als Tag des ersten Luftangriffs bis zum 9. Juni 1999. NATO-Bomber warfen binnen 78 Tagen 20.000 Bomben vor allem auf zivile Ziele in Jugoslawien. Sie feuerten über 100 Raketen zur Unterdrückung der jugoslawischen Flugabwehr. Dieser NATO-Krieg war ein Kriegsverbrechen. Die Begründung des Krieges beruhte auf einem nichtexistierenden „Operationsplan Hufeisen“. Im Ergebnis des Krieges wurden bestehende Grenzen verändert und der Kosovo als eigenes Staatsgebiet von Jugoslawien abgetrennt.

Invasion und Krieg im Schatten des Ukrainekrieges

Die Türkei, ein enger NATO-Partner Deutschlands, setzt im Schatten des russischen ….. gegen die Ukraine ihren Angriffskrieg[3] gegen kurdische Gebiete in Nordsyrien fort und hält an der Besatzung größerer Regionen des Landes fest. In diesen Tagen werden erneut türkischer Artilleriebeschuss und Drohnenangriffe auf die kurdischen Gebiete Nordsyriens gemeldet; dabei wurden bisher zahlreiche Zivilisten verletzt. Wenige Wochen zuvor war es zu einem Großangriff der türkischen Luftwaffe gekommen. Erdoğan ließ die nordostsyrische Region Hasakah bombardieren, nachdem es dort kurdischen Kämpfern gelungen war, einen Gefängnisaufstand des Islamischen Staates (IS) niederzuschlagen. Die Türkei hält seit Jahren mehrere Regionen Nordsyriens besetzt, errichtet dort türkische Infrastruktur und bindet die Gebiete an ihr Verwaltungssystem an, während die ursprünglich ansässigen syrischen Kurden in wiederkehrenden ethnischen Säuberungen vertrieben werden. Deutschland, traditionell ein bedeutender Waffenlieferant der Türkei, und die NATO, deren zweitgrößte Streitkräfte Ankara stellt, tolerieren die türkische Invasion in Nordsyrien und begünstigen sie zeitweise sogar.

Ausgangspunkt der türkischen Besatzung in Nordsyrien ist der türkische Überfall auf Afrin, der als völkerrechtswidriger Angriffskrieg bewertet werden muss. Die NATO ließ der Türkei freie Hand bei der ethnischen Säuberung der kurdischen Regionen zu. Der jüngste Großangriff türkischer Kampfflugzeuge und Killerdrohnen auf Nordsyrien erfolgte wenige Stunden nach der Niederschlagung eines Gefängnisaufstandes des Islamischen Staates (IS) durch kurdische Einheiten.

Die Türkei nutzt im Krieg gegen Kurden die Militärdrohnen des Typs Bayraktar TB2. Diese Killerdrohnen arbeiten mit deutscher Technik. Die deutsche Firma Hensoldt, an der die Bundesregierung eine Sperrminorität von 25,1 Prozent hält, liefert für diesen Drohnen-Typ die Schlüsselkomponente ARGOS. ARGOS führt über ein Lasersystem die Raketen ins Ziel. Bei der Bayraktar TB2 handelt es sich um den Typ, der von den aserbaidschanischen Truppen während des Bergkarabach-Krieges 2020 im Kaukasus zur Bekämpfung armenischer Stellungen kriegsentscheidend eingesetzt wurden.

Eine herausragende Rolle bei der Tolerierung und Unterstützung der diversen türkischen Angriffskriege gegen die kurdischen Gebiete in Nordsyrien hat nachweisbar die Bundesregierung gespielt. Berlin verhinderte etwa während der türkischen Invasion in den Kanton Afrin Anfang 2018 die Umsetzung eines EU-Waffenembargos gegen Ankara, während zugleich Formulierungen in den EU-Stellungnahmen zu dem türkischen Angriffskrieg auf Betreiben Berlins abgeschwächt wurden. Die türkische Besatzung in Nordwestsyrien, in deutschen Medien zuweilen beschönigend als „Schutzschild“ bezeichnet, wird von Berlin sogar mit 100 Millionen Euro finanziert.

Die Bundesregierung genehmigte sogar während des türkischen Eroberungskrieges in Afrin weiterhin Waffenexporte im Wert von 4,4 Millionen Euro in die Türkei. Deutschland, dessen Leopard 2-Panzer die türkischen Streitkräfte bei der Eroberung Afrins einsetzten, gehört zu den wichtigsten Waffenlieferanten der Türkei. Zudem kündigte Berlin kurz nach der Eroberung des Kantons Afrin durch türkisches Militär und verbündete jihadistische Milizen an, die Türkei, die in Afrin eine Besatzungsherrschaft errichtete und ethnische Säuberungen durchführte, finanziell zu unterstützen.

Die NATO, die derzeit die ….. Russlands in die Ukraine aufs Schärfste verurteilt, hat hingegen die Invasion der Türkei nach Afrin von Anfang an offen unterstützt. Im Februar 2018 bezeichnete NATO-General Jens Stoltenberg das „Vorgehen“ der Türkei auf der Münchener Sicherheitskonferenz als „angemessen“. Der NATO-Partner Türkei strebt die Mitgliedschaft in der Europäischen Union an. Bekommt die EU in neues Aushängeschild als Wertegemeinschaft? Ist der Krieg der Türkei gegen Kurden in Syrien eine Visitenkarte für eine friedliche Wertegemeinschaft? Wohl kaum.

Geopolitik, alias Imperialismus

Die globale machtpolitische Konstellation hat sich seit der Auflösung der Sowjetunion und des Warschauer Paktes in den 1990er Jahren enorm verändert. Die Politik des Neoliberalismus hat mit der Deregulierung der Märkte, der Privatisierung von öffentlichen Gütern, einer gigantischen Umverteilung zugunsten der Vermögen auf Kosten von Sozialstandards und Umwelt mit den verheerenden Folgen von Energiekrise und Klimakollaps, Hunger und Finanzchaos systemische Risiken für das Leben und die soziale Sicherheit dramatisch vergrößert.

Unter Führung der USA, die größten Militärmacht der Welt misslang seit nach 20 Jahren der „War on Terror“ mit Interventionen in Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien. In dieser Zeit profitiert die VR China von der Globalisierung und ist mit starker Dynamik auf dem Weg zur mächtigsten Wirtschaftsnation der Welt. Der Aufstieg weiterer Schwellenländer verbraucht ebenso wie das bisherige Wachstumsmodell der alten Industrienationen enorme, aber auch begrenzte Ressourcen und nutzt dabei den ungehinderten Zugang zu Ressourcen und Absatzmärkten ihrer Waren. In Ressourcenreichen Regionen, in Teilen Afrikas, im mittleren und im Nahen Osten werden Kriege geführt. Es sind so viele Menschen wie noch nie zuvor sind auf der Flucht vor Krieg, Hunger, Umweltschäden, Armut und anderen Formen der Gewalt. Vor diesem Hintergrund wird der Aufrüstungswahn der NATO (2-Prozent-Ziel) das Risiko weiterer militärischer Eskalationen fortgesetzt. Diese Politik ist nicht die Basis für eine friedliche und nachhaltige Entwicklung, für die wirtschaftliche und soziale Sicherheit aller Menschen auf diesem Planeten.

Die Rüstungsindustrie feiert die Zeitenwende

Im Ergebnis müssen wir heute feststellen, dass die Zielsetzung der NATO auf Lügen und Mythen beruht. Die PR-Arbeit der NATO, ihre permanente Legitimationsrhetorik in den Medien[4] des Mainstreams blieb nicht ohne Wirkung. So war nicht wirklich überraschend, dass Bundeskanzler Scholz in der Sondersitzung vor dem Bundestag am 27. Februar neben Waffenlieferungen deutliche Steigerungen der Militärausgaben versprach und für die Bundeswehr zusätzlich 100 Milliarden Euro im Rahmen eines Sondervermögens ankündigte. Finanzminister Christian Lindner erklärt, Deutschland solle eine der „schlagkräftigsten Armeen in Europa“ erhalten.[5] Das 100-Milliarden-Euro-Rüstungsprogramm sichert deutschen Waffenschmieden Rekordaufträge. Aktienkurse einer ganzen Reihe deutscher Rüstungskonzerne schnellten am 28. Februar um weit mehr als 50 Prozent in die Höhe. Rheinmetall, Deutschlands größter Rüstungskonzern, hat ein Angebot für Lieferungen im Wert von 42 Milliarden Euro binnen zwei Jahren vorgelegt. Der Umsatz der Rheinmetall-Rüstungssparte hatte 2020 noch bei 3,7 Milliarden Euro gelegen.

Dabei hatte Deutschland Anfang Februar der NATO erneut Verteidigungsausgaben in Rekordhöhe gemeldet. Für das Jahr 2022 wurde 53,03 Milliarden Euro gemeldet. Dies entspricht einer Steigerung um 3,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.[6] Deutschlands Militärausgaben waren um 28 Prozent höher als 2011. Russlands Militärausgaben stiegen 2020 um 2,5 Prozent auf 61,7 Milliarden Dollar. Im Jahr 2020 erreichten die US -Militärausgaben geschätzte 778 Milliarden US-Dollar, was einem Anstieg von 4,4 Prozent gegenüber 2019 entspricht. Die weltweiten Militärausgaben steigen im Jahr 2020 auf fast 2 Billionen Dollar.[7] Diese riesigen Summen für Militärtechnik haben die Welt bekanntlich nicht sicherer gemacht. Die aktuellen Programme der Rüstungsstrategen gehen bereits seit einigen Jahren weit über die bisherigen Projekte hinaus. Das tödliche Potential von Atomwaffensystemen soll gesteigert werden.

Im Juni 2021 hat der Haushaltsausschuss des Bundestages[8] für die weitere Finanzierung der Entwicklung des Future Combat Air Systems (FCAS) zugestimmt. FCAS besteht aus einem neuartigen Kampfjet mit Tarnkappen-Technologie, begleitenden Drohnenschwärmen und einer Vernetzung durch eine „Gefechts-Cloud“ – wie Netzpolitik schreibt. FCAS wird von Frankreich, Spanien und Deutschland gemeinsam entwickelt. Allein die Entwicklungskosten werden auf über 100 Milliarden Euro geschätzt, die Gesamtkosten könnten sich auf mehr als 500 Milliarden Euro belaufen. Es handelt sich bei dem „Future Combat Air System“ um ein System, das Atombomben im Schutz von Drohnenschwärmen ins Ziel bringen soll. Die Gefahr des Atomkrieges steigt mit FCAS auf eine höhere Stufe.

Die Bundesregierung ist bereits Gespräch zum Kauf von 200 neue Schützenpanzer Pum, neuer Militärhubschrauber bei Airbus, neuer Kriegsschiffe bei ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) und neuer Radarsysteme bei Hensoldt. Hensoldt befindet sich ohnehin auf Wachstumskurs; der Konzern, der zum Beispiel an der Herstellung von Flugabwehrsystemen beteiligt ist, konnte den Umsatz im Jahr 2021 um rund 22 Prozent auf rund 1,5 Milliarden Euro steigern. Rheinmetall erwägt die Herstellung von Panzermunition von gegenwärtig 40.000 Stück pro Jahr auf 240.000 Stück ausweiten.

Die Bundesregierung plant, die Rüstungsausgaben nahezu zu verdoppeln, auf 2 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung. So wurde es in der Nato vereinbart. Als gäbe es keine anderen sozialen, ökologischen, bildungs- und gesundheitspolitischen Prioritäten.[9]

Bereits jetzt, vor dem Ende des russischen ….. gegen die Ukraine steht ein mächtiger Sieger fest, es ist die Rüstungsindustrie, die mit ihrer intensiven Lobbyarbeit den Ukrainekonflikt über Jahre anfeuerte und über ihre Lobbyisten und ihre Verbindungen in die politischen und militärischen Stäbe der NATO-Mitgliedsstaaten permanent den Druck zur Osterweiterung der NATO steigerte.

Gegen die Aufrüstungspläne müssen wir mit einen lauten und starken NEIN antworten, wenn wir Kriege beenden und dem Frieden einen Schritt näherkommen wollen.

Epilog:

Frieden braucht Demokratie. Demokratie braucht Frieden. Die Annäherung an die Vorgeschichten des Krieges ist bedeutsam für die Suche nach Lösungen für Wege zum Frieden. Es geht dabei nicht um Relativierungen von Einflussfaktoren, sondern um eine differenzierte Betrachtung der Geschichte.

Notwendige Transformationsprozess der osteuropäischen Gesellschaften, einschließlich Russlands zur Demokratie sind mühsam, zeitaufwendig und mit großen Hindernissen und Störungen behaftet. Wir wissen dies aus der deutschen Geschichte. Die politische Kultur Deutschlands war, mit einer sehr kurzen Unterbrechung der Weimarer Republik, durch den autoritären Obrigkeitsstaat und dann durch den Hitlerfaschismus bestimmt.

Demokratie zu lernen und zu leben ist eine permanente Herausforderung und die Voraussetzung für Frieden. Eine Demokratie braucht wirtschaftliche, soziale, kulturelle, bürgerliche und politische Rechte für Menschen. Gesicherte Rechte und Freiheiten müssen im Alltag durch eine lebendige politische Praxis gestärkt werden. Dafür braucht es ein System freier und demokratischer Wahlen, parlamentarischer Kontrolle von funktionsfähigen Regierungen, eine unabhängige Justiz, deren Entscheidungen durchgesetzt werden, freie Gewerkschaften, eine lebendige Zivilgesellschaft sowie freie, vielfältige und unabhängige Medien, in der Ukraine und in Russland.

[1] https://www.wiso.uni-hamburg.de/fachbereich-sowi/professuren/jakobeit/forschung/akuf/kriegearchiv.html

[2] Die erstmals 2001 gesendete WDR-Dokumentation „Es begann mit einer Lüge“ geht davon aus, dass die gesamte Geschichte frei erfunden wurde und nur der Rechtfertigung der militärischen Einsätze diente, https://www.youtube.com/watch?v=ZtkQYRlXMNU

[3] https://www.pressenza.com/de/2022/03/die-ignorierte-invasion/

[4] Es gibt Ausnahmen vom Mainstream, so Die Anstalt: https://www.youtube.com/watch?v=nzBJIrhizwU

[5] https://www.sueddeutsche.de/panorama/lindner-will-eine-der-schlagkraeftigsten-armeen-in-europa-1.5538159

[6] https://www.tagesschau.de/inland/ruestungsausgaben-deutschland-nato-101.html

[7] https://www.sipri.org/media/press-release/2021/world-military-spending-rises-almost-2-trillion-2020

[8] https://www.bundestag.de/presse/hib/849578-849578

[9] https://www.blickpunkt-wiso.de/post/100-milliarden-fuer-die-ruestung–2406.html

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