„Russland wird sich noch eine ganze Weile in einer Konfrontation mit dem Westen befinden“Schneider, Dr. Lic. Eberhard © Schneider

„Russland wird sich noch eine ganze Weile in einer Konfrontation mit dem Westen befinden“

[Eberhard Scheider] Unter dieser Überschrift veröffentlichte die russische Tageszeitung „Kommersant“ am 3. Juni 2021 ein sehr langes Interview mit Dmitrij Trenin, ehemaliger Oberst der sowjetischen Streitkräfte und Direktor von Carnegie Moskau.[1] Nach der Absolvierung des Militärinstituts (heute Militäruniversität) des Verteidigungsministeriums 1977 war er von 1978 bis 1983 in Potsdam Verbindungsoffizier in der Abteilung Außenbeziehungen der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland. Von 1985 bis 1991 war er Mitglied der UdSSR-Delegation bei den sowjetisch-amerikanischen Verhandlungen über Atom- und Weltraumwaffen in Genf. Trenin ist Mitglied des Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) in London und des Russischen Rats für internationale Angelegenheiten.

In seinem neuen russischsprachigen Buch „Neue Balance der Kräfte: Russland auf der Suche nach außenpolitischem Gleichgewicht“ stellt Trenin fest, dass sich Russlands aktuelles politisches und wirtschaftliches Modell zunehmend selbst erschöpft. Die Nachhaltigkeit des politischen Systems Russlands, das Trenin für „relativ stabil“ hält, hänge von der Fähigkeit der ersten Person ab, das politische und wirtschaftliche System in den Augen der Bevölkerung zu legitimieren und gleichzeitig ein unbestreitbarer Schiedsrichter in innerelitären Streitigkeiten zu sein. Diese Fähigkeit werde jedoch nicht zusammen mit der Präsidentschaft vermittelt. Die andere Seite des Problems sei, dass die gegenwärtige politische Elite hauptsächlich aus Menschen bestehe, die sich in erster Linie um ihre eigenen Interessen kümmere. Ein großer Teil der „Staatsdiener“ diene sich selbst, ihren privaten oder Claninteressen, nicht Russland. Die Erschöpfung der Ressourcen des bestehenden Modells führe logischerweise entweder zum Zerfall und zur Degradierung oder zu Versuchen, das etablierte politische Regime in einen vollwertigen Staat zu verwandeln.

Trenin sieht den Entwicklungsweg der Russischen Föderation vom Chaos der 1990er Jahre über das Regime zum Staat. Ein Regime ist für ihn gekennzeichnet durch die Dominanz unausgesprochener Abkommen anstelle einheitlicher Gesetze. Eine Schlüsselrolle auf diesem Weg komme der Elite zu, deren Qualität unbefriedigend sei. Aber die Reife der Gesellschaft als Ganze sei von entscheidender Bedeutung, auch hinsichtlich der Qualität der Eliten. Auf dieser Stufe vollzögen sich die Reifungsprozesse nur langsam.

In seinem Buch diagnostiziert Trenin „die scharfe soziale Schichtung, die in der russischen Geschichte beispiellose Korruption des Staatsapparats, das Zusammenwachsen von Macht und Eigentum, den Triumph der politische Technologien über die eigentliche Politik, die Umwandlung von repräsentativen Körperschaften in Anhängsel der Macht, den demonstrativen moralischen Verfall der Spitzen, ihren grenzenlosen Zynismus, die Konzentration auf persönliche Bereicherung und Gleichgültigkeit gegenüber den Probleme der Mehrheit der Bevölkerung“.

Die Haupttrennlinie auf der Ebene der Eliten in Russland verläuft laut Trenin zwischen denen, welche die optimale Verwirklichung ihrer privaten und unternehmerischen Interessen durch die Einbettung des Landes in die globalen Beziehungen mit einer begrenzten und offiziellen Rolle des Staates („private Händler“) sehen, und jenen, die sich bei der Verfolgung ihrer persönlichen Ziele auf den Staat als Hauptinstrument verlassen („Etatisten“). Die Hauptfrage dieser Konfrontation werde sein: ein Staat der Konzerne oder ein Staatskonzern. Auf jeden Fall sei das ein Kampf innerhalb der herrschenden Eliten, die Gesellschaft fehle praktisch in einem solchen Bild.

Trenin geht davon aus, dass Russland in absehbarer Zeit sein personalistisches Regime beibehalten wird, das entspreche der traditionellen politischen Kultur des Landes. Im Moment sei die wirkliche Alternative zum Regime der persönlichen Macht in Russland entweder Oligarchie oder Chaos. Beide seien temporäre Zustände, die unweigerlich am Ende wieder zur höchsten Macht einer Person führen werden. Die Herausforderung bestehe nicht darin, das Regierungsmodell zu dezentralisieren, sondern dieses Modell zu modernisieren. Die Hoffnung richte sich auf die allmähliche Transformation der Elite und die Reife der Gesellschaft. Als Hauptmotor der Entwicklung unter russischen Bedingungen könne nur der Staat fungieren, daher sollte die wichtigste politische Aufgabe im Aufbau eines solchen Staates bestehen.

Den Wendepunkt in der gesamten Außenpolitik Russlands der postsowjetischen Periode bildete laut Trenin die Ukraine-Krise von 2014. „Neben… der stark übertriebenen Angst vor dem Vordringen der NATO nach Osten wurzelt der Grund für die Fehler in der falschen Vorstellung des Kreml über die Bestrebungen der ukrainischen Eliten und das Wesen der ukrainischen Gesellschaft. Moskaus Versuch, die Ukraine in die Eurasische Union aufzunehmen, war nicht nur vergeblich. Wäre dieser Versuch erfolgreich gewesen, hätte das Russland von Anfang an Probleme bereitet, hätte enorme zusätzliche Kosten erfordert.“ Es war beschlossenen worden, die Vereinigung der Ukraine und der EU um jeden Preis zu verhindern, um Janukowitsch (damaliger ukrainischer Präsident) zu überbieten. „Das war ein großer Fehler. Auf Janukowitsch konnte man sich nicht verlassen, dieser Mann ist ohne Prinzipien, ohne inneren Kern, ein absolut korrupter krimineller Typ.“

Den Beitritt der Ukraine zur NATO hält Trenin für „absolut inakzeptabel“. „Tatsächlich bedeutet das Krieg.“ Russland würde dann – wie im Fall der ukrainischen Offensive im Donbass, um die separatistischen Gebiete in die Ukraine wieder zurückzuholen und vor welcher laut Trenin Präsident Wladimir Putin öffentlich gewarnt hatte – eingreifen, um die derzeitige Regierung zu stürzen. Trenin wies allerdings darauf hin, dass in der Ukraine amerikanische Berater und Ausbilder tätig sind, dass die US-Marine oft vor der ukrainischen Küste präsent ist und dass Flugzeuge der US-Luftwaffe über die Ukraine fliegen. Die USA würden die Ukraine kaum verteidigen, aber sie könnten die Angriffe auf ihre Truppen, wenn Russland nach Kiew ziehen würde, nicht ignorieren. „Unter bestimmen Umständen könnte die Situation außer Kontrolle geraten.“

Bezüglich der russischen Westpolitik führte Trenin aus: „Russland befindet sich in einem Zustand der Konfrontation mit dem Westen und wird noch lange in diesem Zustand bleiben. Daher besteht die Aufgabe der Außenpolitik nicht darin, die Konfrontation zu beenden, was zum jetzigen Zeitpunkt unmöglich ist. Aber sie ist kontrollierbar. Dazu müssen beide Seiten genau wissen, wo die roten Linien des Gegners sind.“

Die USA warnte Trenin vor der Stationierung von Mittelstreckensystemen in Europa, die Russlands militärische und politische Führung enthaupten können. „Wenn solche Systeme bereitgestellt werden, wird Moskau entweder ähnliche US-Kommando- und Kontrollzentren ins Visier nehmen oder seine Herangehensweise für den Einsatz von Atomwaffen ändern.“ Trenin ist davon überzeugt, dass die Konfrontation Russlands mit den Vereinigten Staaten noch lange Zeit bestehen bleiben werde. Unter solchen Umständen sei es sinnvoll, in vielen Bereichen nach Entwicklungsressourcen zu suchen, und gleichzeitig alles entschlossen zu beseitigen, was die Entwicklung behindert. In der Entwicklung Russlands hätten Phasen der Konfrontation mit dem Westen wiederholt die Modernisierung der heimischen Wirtschaft sowie die Entwicklung des wissenschaftlichen und technischen Potentials angeregt, nicht nur im Verteidigungssektor.

Zunächst sollte Russland sich in eine sichere Distanz zum Hauptwiderspruch der modernen internationalen Beziehungen bewegen, dem Konflikt zwischen China und den USA. Das sei ein fremder Streit, in den man sich nicht hineinziehen lassen dürfe. Russland unterhalte gute Beziehungen zu China, Moskau sollte sie aufrechterhalten und weiterentwickeln, gleichwohl in einer Weise, dass es nicht zu einem Anhängsel wird, zu einem Vasall Pekings. Das bedeute natürlich nicht, dass Russland mit Amerika mitspielen und sich in dieser Konfrontation auf jeden Fall auf seine Seite stellen sollte. Auf der internationalen Ebene müsse Russland ein unabhängiger Akteur auf der globalen Ebene bleiben.

Abschließend betonte Trenin, dass die Außenpolitik nicht von der Gesamtstrategie der Entwicklung des Landes abweichen, ihr nicht nur nicht widersprechen, sondern voll in sie eingebettet sein soll. Wenn man das bedenkt, dann wird klar, warum die Konfrontation Russlands mit dem Westen noch eine ganze Weile anhalten wird, denn Moskau fühlt sich durch die westlichen Werte bedroht. Also müssen die westlichen Werte auf Abstand gehalten werden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Russland seine Beziehungen zum Westen erst dann grundlegend und nachhaltig verbessern wird, wenn es die westlichen Werte nicht mehr fürchten muss, wenn es die Respektierung der Menschenrechte, echten politischer Pluralismus, unabhängige Medien, eine wache und vielfältige Zivilgesellschaft von sich aus will, weil das gut für das Land und die Menschen ist.

[1]        https://www.kommersant.ru/doc/4838065

COMMENTS

WORDPRESS: 5
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    Horst Beger 3 Jahren

    Die Analysen und Prognosen des russischen Militärstrategen Dmitrij Trenin und Direktors der amerikanischen Stiftung Carnegie Moskau, die im Hintergrund die transatlantischen Fäden zieht, scheinen auf den ersten materialistischen Blick überzeugend, und alle Transatlantiker werden diese begrüßen. Bei näherer Betrachtung erweisen sich diese jedoch ebenso kurzsichtig wie die aller Militärstrategen, die nicht nur wenige Jahre zurück und voraus denken können oder wollen. Denn geschichtliche Abläufe kann man nur erfassen, wenn man diese in größerem zeitlichen Zusammenhang betrachtet. Bestes Beispiel dafür ist die kurzsichtige Bündnispolitik Bismarcks, die in die beiden von Deutschland ausgehenden Weltkriegskatastrophen gegen Russland führte. Und wenn man die gegenwärtige bellizistische Politik Deutschlands gegen Russland betrachtet, muss man von wenigen Ausnahmen abgesehen feststellen, dass die deutsche Politik nichts dazu gelernt hat.

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    erasmus konsul 3 Jahren

    Rußland, der zweite Weltkrieg und die Ukraine
    isabellaklais (65) (/@isabellaklais)in #deutsch (/trending/deutsch) • 14 hours ago (edited)
    Isabella Klais / Aufbruch – Wir für Deutschland!
    In einem Grundsatzartikel äußerte der russische Staatspräsident Wladimir Putin sich zum Verhältnis Rußlands zu der Ukraine und zu der heutigen Bedeutung des zweiten Weltkrieges für Rußland.
    In den westlichen Medien wird aus seinen Worten eine Drohung herausgelesen, die diese nicht enthalten. Vielmehr formulieren sie eine Warnung vor der Mißachtung angestammter russischer Ein!ußgebiete und Interessen. Gleiches reklamiert der Westen schließlich auch für sich.
    An den Vereinten Nationen hält Rußland, wie auch andere Staaten mit geschwundener Bedeutung, fest als Garantie einer Ordnung des Interessenausgleiches. Das ist insofern verständlich, als derzeit keine Aussicht besteht, diese überkommene und nicht mehr funktionstüchtige Struktur zu ersetzen.
    Unser Freund Erasmus Konsul hat sich den Wortlaut der Ausarbeitung Wladimir Putins näher angesehen und kommentiert ihn dankenswerterweise.

    Die Ergebnisse des zweiten Weltkrieges und ihre Bedeutung für Rußland aus dessen Sicht
    von Erasmus Konsul
    Der russische Präsident Wladimir Wladimirowirtsch Putin (WWP) setzt sich in einem Artikel insbesondere mit der Entstehungen des Zweiten Weltkriegs auseinander und bringt einige Fakten, die natürlich im Westen, in dem diese Auseinandersetzung gern mit einem „Schwarz-Weiß-Signum“, also Gut (der Westen) und Bös (Deutschland) versehen wird, ins Wanken. Natürlich ist es immer wieder schwierig, verschiedene Perzeptionen historischer Ereignisse auf einen Nenner zu bringen, dieser „ Nenner“ hat meist auch tagespolitische Konnotationen. Das tut auch WWP! Aber dennoch wird im Artikel Putins deutlich, dass die Dinge meist nicht so einfach waren, wie sie in deutschen Lehrbüchern dargestellt werden. Der Zweite Weltkrieg hatte ganz sicher eine große moralische Dimension, die Vernichtung von Millionen Menschen aus rassistischer Motivation heraus, aber er war, vor allem in seiner Entstehung eben auch ein machtpolitisches Spiel, vor allem auch eine Konsequenz von Versailles. Hier möchte man Schultze-Rhonhofs Aussage erahnen, der Krieg habe viele Väter gehabt. Das arbeitet WWPs Artikel deutlich heraus! Darüberhinaus liest der Artikel sich wie ein Plädoyer für die Prinzipien der Siegermächte und der von ihnen, zumindest konzeptionell gescha“enen Ordnungsprinzipien, die sich – cum grano salis – unter dem Schlagwort Vereinte Nationen oder UNO zusammenfassen lassen. Unter dem Diktum, dass die Sowjetunion ihren Anteil an der Niederringung Deutschlands in einer legitimen Berücksichtigung ihrer Interessen widergespiegelt sieht. Insofern bleibt Putins Argumentation summa summarum im Rahmen einer progressivistischen Interpretation der Weltgeschichte, die dem westlichen Ansatz nicht diametral widerspricht, auch wenn

    Konservative Ansätze wie die Berufung auf den sowjetischen, sprich russischen, Patriotismus ganz bestimmt auch eine konservativen Akzent setzen. Besonders hebt WWP in diesem Zusammenhang auch den Anteil der russischen Opfer hervor: „Die UdSSR verlor jeden siebten Bürger, das Vereinigte Königreich verlor einen von 127 und die Vereinigten Staaten verloren einen von 320.“ Aber im Kern bleibt WWP bei dem Bild, das die Siegermächte im Nürnberger Prozess zu vermitteln suchten und wendet sich dementsprechend gegen Versuche, diesen Konsens in Frage zu stellen, indem etwa damalige Unterstützer der Deutschen (der Nazis, wie er es nennt) wie Bandera in der Ukraine heute mit Veteranen des Zweiten Weltkrieges gleichzusetzen.
    Aber es bleibt dabei: „Die wichtigste historische Errungenscha# von Jalta und anderen Entscheidungen dieser Zeit war es, sich auf die Scha“ung eines Mechanismus zu einigen, der es den Großmächten ermöglichte, bei der Lösung ihrer Di“erenzen im Rahmen der Diplomatie zu bleiben.“ Oder auch: „Was ist das Vetorecht im UN- Sicherheitsrat? Um es ganz o“en zu sagen: Das ist die einzig vernün#ige Alternative zu einem direkten Kon!ikt zwischen den großen Ländern.“ Und nicht zuletzt: „Natürlich sehen wir, dass das UN-System jetzt unter Spannungen arbeitet und nicht so e“ektiv ist, wie es sein könnte. Aber die UNO erfüllt immer noch ihre Hauptaufgabe. Die Grundsätze des UN-Sicherheitsrates sind ein einzigartiger Mechanismus zur Verhinderung eines großen Krieges oder eines globalen Kon!ikts.“ Diese letzten Sätze sind eigentlich das Resümee des Artikels, nämlich ein Angebot zur Kooperation unter den Bedingungen von Jalta, wenn man so will, um eine Konfrontation zu verhindern, angereichert mit dem Vorschlag einer Agenda für Kooperation insbesondere hinsichtlich Umweltschutz und Wirtscha# bei der Überwindung der Folgen der Pandemie.

    Die westliche Presse konzentriert sich allerdings mehr auf einen anderen Artikel von WWP, den er ebenfalls kürzlich verö“entlicht hat, über die Beziehungen Russlands zur Ukraine. Dort wird deutlicher WWPs Überzeugung, wie auch meine Überzeugung nach mehr als sechs Jahren, die ich in Russland verbracht habe, dass Russland und die Ukraine Länder der gleichen Zivilisation sind, das was unlängst ein Autor, den russischen Mir, die russische Welt oder den russischen Frieden genannt hat (das Wort hat beide Bedeutungen). WWP verweist auf die lange gemeinsame Geschichte Russlands und der Ukraine ohne zu verschwiegen, dass es auch Brüche gegeben hat, denen er aber kleinere Bedeutung zuweist. Er stellt ihre gemeinsame Kultur heraus, die Zugehörigkeit zur Orthodoxie. Und er setzt sich mit Polen auseinander, zumindest indirekt, was er auch in dem anderen Artikel über den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen macht. Etwas widersprüchlich verteidigt WWP einerseits die abgespaltenen Republiken im Osten der Ukraine, die niemals westliche Dominanz anerkennen würden, während er gleichzeitig kritisiert, dass der Ukraine eigentlich die Unabhängigkeit eben durch diese Dominanz in wirtscha#licher und anderer Hinsicht insgesamt entzogen würde. Das Resümee wäre auch hier wesentlich nüchterner als es in westlichen Medien gezogen wird, in denen ideologisch jede Art von Nationalbewusstsein ad absurdum geführt wird, vor allem wenn es den amerikanischen Interessen widerspricht. Schade, dass auch ein bekannter Osteuropa-Historiker wie Kappeler sich solchen Tendenzen anschließt. Er müsste wissen, dass diese Art westlicher Ideologie östlich des Bug schlicht und einfach nicht salonfähig ist, man sich niemals westlichen Prärogativen unterwerfen wird. „And we will never allow people close to us living there to be used against Russia. And to those who will undertake such an attempt, I would like to say that this way they will destroy their own country.“ Letzteres ist vermutlich die

    entscheidende Ansage. Russland kann und will die Ukraine nicht „gehen“ lassen und es hat auch keinen Grund dazu, weil diese in ihrer Mehrheit zur russischen Zivilisation gehört.
    So bilden beide Artikel in sich eine Einheit in Widersprüchlichkeit: Russland möchte als Sieger des Zweiten Weltkriegs respektiert werden und damit als ein entscheidendes Mitglied der internationalen Ordnung, wie sie in der Folge dieses Krieges in Form der Vereinten Nationen etabliert wurde. Und es besteht auf seinem „Ein!ussbereich“ deutlicher denn je, und ist bereit, diesen zu verteidigen, ebenfalls deutlicher denn je. Im Kern ist dies eine Ordnung der „Mächte“, der Staatensouveränität, die Russland fordert und der Ein!ussbereiche von Staaten, aber durchaus auch ein geregeltes Zusammenleben dieser Staaten. Wenn jetzt von Leuten wie Kappeler in diesem Zusammenhang der Begri“ „Nationalismus“ fällt, dann fragt man sich in der Tat, ob er eigentlich die beachtlichen Ergebnisse seiner lebenslangen Forschungen zur ehemaligen Sowjetunion nicht verstanden hat oder dies aus anderen Gründen nicht tun will. Putin ist kein Kriegszündler, Militarist oder Extremist, sondern ein in der jahrhundertealten Diplomatie einer im internationalen Vergleich sehr erfolgreichen Großmacht geschulter Staatsmann, der zwar seinen Ein!ussbereich erweitern will, dabei aber auch bestimmte Grenzen nicht überschreiten wird und nicht zu radikalen Schritten geneigt ist. Er fordert auch nicht die Einverleibung der Ukraine, er weigert sich nur anzuerkennen, dass diese von dritter Seite zu einem militärisch-ideologischen Aufmarschgebiet gegen Russland gemacht wird. Und in der Tat, der nahezu totale Misserfolg, konstante Misserfolg seit gut 30 Jahren (!) einer ukrainischen Staatsidee auf „ westlicher“ Basis gibt ihm mehr als recht! In Berlin und Wien sollte man also eigentlich keinen Grund haben, ihm dies zu verweigern, es sei denn man will eben denen in

    Washington gefallen, die dabei andere Ziele verfolgen, nämlich unter anderem die, die die ihnen willfährige Presse WWP vorwir#: Aggressivität im Sinne der eigenen Sache.
    https://www.dw.com/de/putin-formuliert-ukraine-doktrin-und- droht/a-58280641 https://www.anti-spiegel.ru/2021/ein-artikel-des-russischen- praesidenten-putin-russen-und-ukrainer-sind-ein-volk/

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    Prof. Dr. Otto Luchterhandt 3 Jahren

    Lieber Herr Kollege Schneider,
    es ist wahrhaft heroisch, dass Sie in diesem Format des DRF immer noch mitarbeiten und mit Ihren sachlichen, knochentrockenen und nüchternen Analysen unverdrossen für Aufklärung sorgen.
    Beste Grüße von Otto Luchterhandt

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    Guido Büttgen 3 Jahren

    Guten Tag Herr Schneider, danke für diesen Artikel. Den Satz “ Diese Fähigkeit wird jedoch nicht die über die Präsidentschaft vermittelt“ , diede Satz verstehe ich nicht

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    Horst Beger 3 Jahren

    Wobei die Konfrontation ja nicht von Russland ausgeht, sondern vom Westen. Insbesondere die Bundesregierung betreibt diese irrationale Konfrontation. Und wenn die bellizistischen Grünen mit an die Regierung kommen wird sich diese noch verstärken und verlängern.

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