Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron: EU-Retter in der Not?

Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron: EU-Retter in der Not?

[von Dr. Thomas Fasbender] Frankreich feiert seinen neuen Präsidenten: Emmanuel Macron. Der ehrgeizige Politiker brilliert mit Jugendlichkeit und einer bemerkenswerten Eloquenz. Er kann alles werden: vom EU-Rettungsengel bis zum europäischen Barack Obama.

Bei Licht besehen ist er vor allem ein unbeschriebenes Blatt – findet Thomas Fasbender. Ob der neue französische Präsident für frischen Wind in der europäischen Ostpolitik sorgen wird oder sich doch nur als elitärer Windbeutel erweist, bleibt abzuwarten.

Der neue französische Präsident zelebriert Zuversicht und Optimismus wie ein frischgekrönter spätrömischer Kaiser. Das europäische Establishment beschwört seine alten Träume, mögen sie auch noch so schaumgeboren sein, und drei Tage lang darf niemand daran erinnern, dass es auch Probleme gibt: Die Folgen einer außer Kontrolle geratenen Globalisierung; die Massenmigration ante portas; die Marginalisierung des Kontinents in der Welt.

Mit Emmanuel Macron hat der Zufall den europäischen Eliten in die Hand gespielt. Dabei ist völlig offen, inwieweit der neue Präsident in der Lage ist, sein weitreichendes Programm, das er selbst als „Revolution“ bezeichnet, politisch überhaupt umzusetzen. Zumal er nur gut zehn Prozent der französischen Wahlberechtigten wirklich hinter sich weiß – für zwei Drittel seiner Wähler war er vor allem das Vehikel, eine Präsidentin Le Pen zu vermeiden.

Zu den Feldern, wo der Neue sich auch als europäischer Führer etablieren kann, gehört die Ostpolitik. Die Bundeskanzlerin hat die angestammte deutsche Rolle als Sachwalter der Russen in Europa schleifen lassen. Die transatlantische Disziplin und die Phalanx der Europäer in der Konfrontation mit Russland waren ihr wichtiger. Mit Donald Trump als US-Präsident werden nun die transatlantischen Karten neu gemischt. Niemand zweifelt, dass die Europäer auch in Sachen Ostpolitik künftig mehr auf sich selbst angewiesen sein werden als unter Trumps Vorgängern.

Frau Merkels diesbezügliches Manko ist ihre Erfolglosigkeit. Die Sanktionen wirken nicht; der Minsk-Prozess, in dessen Rahmen Russland auch für die Versäumnisse der Ukrainer einstehen muss, stockt seit bald zwei Jahren; das Gesprächsklima ist unterkühlt. Kaum anzunehmen, dass Macron in die Rolle Francois Hollandes schlüpfen wird, der bei den Begegnungen im Normandieformat regelmäßig wie der Prinzgemahl neben seiner Königin saß. Zumal Marine Le Pen mit ihrer Prognose, Frankreich werde künftig von einer Frau geführt – „ich oder Frau Merkel“ – ein Samenkorn der Rivalität in die deutsch-französischen Beziehungen gelegt hat.

Angesichts der zu erwartenden innenpolitischen Widerstände dürfte es nicht lange dauern, bis Macron sich auf dem Feld des Auswärtigen profiliert. In der französischen Politik betrifft das klassischerweise Nordafrika und den Mittleren Osten. Der notleidende Zustand der europäisch-russischen Beziehungen in Kombination mit einer Rivalität Merkel-Macron könnte jedoch ein französisches Russland-Engagement motivieren. Aus russischer Sicht wäre das keineswegs unwillkommen. Von Berlin düpiert und an den Katzentisch gesetzt, werden russische Politiker nach der Devise „Auch andere Mütter haben schöne Töchter“ mindestens ebenso gern an die Seine reisen.

Einem Franzosen dürfte es auch leichter fallen, die – wenn es um Russland geht – immer empfindlichen Polen einzubinden. (Nicht nur) in Warschau wird man nervös, wenn Deutsche und Russen zusammenrücken. Gut möglich, dass sich die große Mehrheit der EU-Mitglieder eher für eine neue europäische Ostpolitik begeistern lässt, wenn eine andere Hauptstadt als Berlin die Lokomotive macht. Gut möglich auch, dass man das im Bundeskanzleramt und am Werderschen Markt gar nicht so ungern sähe. Nach bald vier frustrierenden Jahren Krisenmanagement liegen bei vielen in Berlin die Nerven blank. Und von der Bundeskanzlerin behauptet niemand, sie reiße sich darum, mit Herrn Putin an einem Tisch zu sitzen.

Noch ist Emmanuel Macron ein unbeschriebenes Blatt. Wie auch Donald Trump – bei allen fundamentalen Unterschieden der beiden Politiker – muss der Franzose mit erheblichem Widerstand rechnen. Beide starten ohne jede Hausmacht an der Spitze der Nahrungskette – ein gewagtes Spiel. Und es ist noch lange nicht ausgemacht, ob der 39-jährige Posterboy, jugendlich, charmant und charismatisch, das Zeug hat, sich dort auch zu behaupten. Was, wenn er doch nur ein elitärer Windbeutel ist? Die Chance, als Meister der würdevollen Rede, gewissermaßen als Barack Obama 2.0 in die Geschichte einzugehen, wird man ihm jedenfalls nicht absprechen.

 

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