INF-Kündigung – Ende einer europäischen Illusion

INF-Kündigung – Ende einer europäischen Illusion

Oder auch: Geleitwort zum Ende eines obsoleten Vertrages

Der INF-Vertrag, also der Vertrag zur Abschaffung von landgestützten Mittelstreckenraketen mit der Reichweite zwischen 500 und 5500 Kilometer (engl.: intermediate Range Nuclear Forces), wurde gekündigt. Beide Vertragspartner, zuerst die USA, danach Russland, haben erklärt, den Vertrag verlassen zu wollen. In einem halben Jahr soll die Kündigung wirksam werden. Europa, im engeren Sinne die herrschenden politischen Kreise der Europäischen Union erwachen aus einer Illusion, in der sie  sich unter dem Schirm des globalen atomaren Patts in Sicherheit glaubten. Jetzt wird eine Aufrüstungsspirale befürchtet.

Betrachten wir die Sache nüchtern. Der INF-Vertrag wurde 1987 zwischen den USA und der Sowjetunion geschlossen, unterzeichnet von US-Präsident Ronald Reagan und Michael Gorbatschow, damals noch Generalsekretär der KpdSU, später Staatspräsident der Sowjetunion.

Der Vertrag war ein Kind der damaligen Entspannung. Die Entspannung resultierte aus dem Niedergang der Sowjetunion, damals als Öffnung wahrgenommen, bei gleichzeitigem, mit dem Niedergang der Sowjetunion verbundenen Aufstieg der USA.  Man erinnere sich an Schriften wie die Francis Fukujamas[1], der – beflügelt vom „Sieg“  der amerikanischen Kultur über den Kommunismus – vom „Ende der Geschichte“ träumte. Oder man vergegenwärtige sich die etwas seriösere Bestandsaufnahme der Situation durch den langjährigen strategischen Berater diverser US-Präsidenten, Zbigniew Brzezinski unter dem Tenor „Die einzige Weltmacht“.[2]

Vor dem Hintergrund einer Reihe vorangegangener Verträge zur globalen Begrenzung atomarer Bedrohung  wie SALT I von 1972, dem ABM-Vertrag 1972, SALT II 1972,[3] die der Herstellung des globalen Kräftegleichgewichtes dienen sollten, war der 1987 geschlossene INF-Vertrag zwischen den in gegenseitiger Abschreckung stabilisierten großen Atommächten USA und Russland ein politisches Geschenk an Europa, dem dadurch die Angst genommen wurde, im „kleinen Konflikt“ zwischen den beiden Großmächten zum lokalen Austragungsort des global nicht geführten Atomkriegs, zumindest nicht zum Stationierungsfeld nuklear bestückter Mittelstreckenraketen zu werden.

Darauf folgende Verträge unter dem Titel START I 1991 und START II 1993[4], die eine weitere Verringerung der Bestände landgestützter Interkontinentalraken beinhalteten, ergänzten den globalen Schirm, unter dem der INF-Vertrag lokal galt.

Tatsachen anschauen

Zu erinnern ist jedoch, dass der Rüstungswettlauf nie aufgehört hat. Er hat nur die Form gewechselt. Schon der durch die SALT- und START-Verträge scheinbar erreichte Gleichstand in der gegenseitigen Abschreckung wurde durch die Tatsache, dass seegestützte  und luftgestützte Systeme von diesen Verträgen ausgenommen waren, im Kern relativiert. Im Kern das hieß, dass der Rüstungswettlauf auf die in die Verträgen nicht mit eingeschlossenen Nebensysteme verlagert wurde. Das nütze vor allem die USA. Es reicht hier, auf die Flotte der US-Flugzeugträger hinzuweisen, die auf allen Weltmeeren, vor allem rund um Eurasien unterwegs ist. In dieser Sphäre wurden seitens der USA massive Bemühungen unternommen, durch Entwicklung von taktisch einsetzbaren Raketensystemen die „Zweitschlags-Kapazität“ Russlands zu unterlaufen, um damit atomare Angriffe möglich zu machen, zumindest mit deren Möglichkeit politische Erpressung zu betreiben.

Die diversen Verträge, SALT, START, ABM und – was die Europäer betrifft – nicht zuletzt der INF-Vertrag schürten so die Illusion der Sicherheit, während tatsächlich kontinuierlich über die Jahre daran geforscht und gearbeitet wurde Erstschlags-Kapazitäten unterhalb der vereinbarten Grenzwerte aufzubauen, die einen Gegenschlag unmöglich machen würden.

Letzte Stationen dieser Art der Aufrüstung sind für die USA  mit der Sicherheitsstrategie unter Barack Obama, verstärkt in mehreren Schüben seit dem Antritt von Donald Trump zu beschreiben.[5] Russland sah sich angesichts der Osterweiterung der NATO, der EU und der Reihe „bunter Revolutionen“ im ehemaligen sowjetischen Raum genötigt darauf seinerseits mit entsprechenden „Sicherheitskonzepten“ und einer entsprechenden Aufrüstung zu antworten.[6]

Die Bedeutung der in den siebziger und achtziger Jahren installierten strategischen Trägersysteme, ganz zu schweigen von der Bedeutung der landgestützten Mittelstreckenraketen, wurde weiterhin durch die Entwicklung neuer Waffengattungen relativiert: Modernisierungen der Atomsprengköpfe, Bewaffnung der seegestützten  und luftgestützten „Plattformen“ mit nuklearen Sprengköpfen, Entwicklung konventionell bewaffneter Marschflugkörper, die auch nuklear bestückt werden können, Drohnen. Diese Reihe führt bis zu den Cyber- und Hyperschall Waffen, die neuerdings entwickelt werden. Viel Aufregung verursachten jene, die Wladimir Putin Ende des Jahres 2018 vorstellte.

Ergänzend zu diesem ganzen Arsenal der beiden großen Atommächte kamen in den zurückliegenden Jahren landgestützte Mittelstreckenraketen jener Atomstaaten hinzu, die 1987 bei Abschluss des INF-Vertrages nicht Vertragspartner waren, die zu der Zeit teils noch nicht einmal über entsprechende Systeme verfügten wie China, Indien, Pakistan, Israel, Nordkorea. Ihre Systeme liegen bis heute außerhalb des  INF-Vertrages.

Die inzwischen entstandene Diversität kriegsbereiter Waffensysteme soll hier nicht weiter aufgezählt werden. Wer sich für Einzelheiten interessiert, dem sei eine aktuelle Analyse aus der Werkstatt der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ empfohlen.[7] Entscheidend ist, dass die Vielzahl der Neuentwicklungen strategischer und taktischer, land-, see- , luft-  und weltraumgestützter Waffengattungen und Trägersysteme, sowie die Vielzahl der über solche Systeme verfügenden Länder inzwischen eine Grauzone zwischen nuklearen und konventionellen, zwischen strategischen und taktisch einsetzbaren Waffen entstehen lässt, die sich einer effektiven gegenseitigen Kontrolle zunehmend entzieht.

Als Veranschaulichung für die gemischten Systeme dieser Grauzone, die die Vereinbarungen des INF-Vertrages heute übersteigen, seien nur drei Beispiele genannt: die Stationierung von NATO-Abschussrampen in Rumänien und Polen, die nach Ansicht der USA und NATO nicht unter den INF-Vertrag fielen, die aber problemlos Moskau erreichen könnten. Zu erwähnen auch die Beschießung syrischer und afghanischer Stellungen durch Marschflugkörper von US-Flugzeugträgern aus dem Mittelmeerraum, andererseits die Beschießung syrischer IS-Stellungen durch russische Mittelstreckenraketen vom Kaspischen Meer aus mit Reichweitern über 1500 Kilometern.[8]

Eine Aktualisierung bestehender Rüstungskontrollverträge ist absolut überfällig.

Was folgt?

Damit sind wir bei der Frage, ob der INF-Vertrag reformierbar ist und was aus seiner Kündigung folgen könnte. Zur Beantwortung dieser Frage muss noch einmal zurückgeblättert werden: So wie der INF Vertrag vor dreißig Jahren als Geschenk an Europa ging, so wird Europa dieses Geschenk heute entzogen. Was wir gegenwärtig erleben, ist die Zerstörung der dreißig Jahre währenden europäischen Illusion sich unterhalb des Wettrüstens in einem Schutzraum vor der atomaren Bedrohung wegdrücken zu können. Das geschieht heute im Gegensatz zu 1987 in einer Zeit, die charakterisiert wird durch den Niedergang der USA und das Heraufkommen neuer Mächte, aus der ehemals von Europa und zwischenzeitlich zunehmend von den USA kolonisierten Teilen der Welt.

Zwar sind einige von ihnen – China, Indien, Pakistan, Südkorea, Nordkorea und Israel – mit ihren landgestützten Systemen inzwischen in den Kreis der Atommächte aufgerückt. Hauptkonkurrenten sind jedoch mit Abstand nach wie vor die USA und Russland, in deren Händen sich nach Angaben des Friedensforschungsinstitutes SIPRI immer noch 90% des nuklearen Potentials befinden.[9] Damit ist Russland, trotz seines Niederganges nach der Auflösung der Sowjetunion, heute Hauptgegner im Kampf der USA um die Erhaltung ihres Imperiums.

Anders gesagt, Russland rangiert aus dieser Position heraus nolens volens als Schutzmacht, besser gesagt vielleicht als Frontmacht für die Völker und Staaten, die sich der Aufrechterhaltung der US-Hegemonie widersetzen.

In dieser Situation ist die Kündigung des INF-Vertrages im Wesen nichts anderes als ein Teil der Fraktionierungspolitik, d.h. der Anwendung des alten imperialen Prinzips von Teile und Herrsche, mittels dessen die USA heute ihre Hegemonie aufrecht zu erhalten trachten. Die Auflösung des vom INF-Vertrag versprochenen Schutzraumes Europa ist vor diesem Hintergrund faktisch nichts anderes als der Versuch, Europa, konkret die Europäische Union und Russland, weiter als in den letzten Jahren schon geschehen, gegeneinander in Stellung zu bringen und damit beide zu schwächen. Damit hätten die USA sich gleich zwei Konkurrenten vom Hals geschafft.

Wie weiter?

Was bleibt zu tun, wenn der vermeintliche Schutzraum wegfällt? Sich für die Erhaltung des Vertrages einsetzen? Ihn ausweiten auf alle Länder, die landgestützte Potenziale unterhalten? Seine ersatzlose Streichung hinnehmen?

Keine dieser Varianten hält einer Realitätsprobe stand:

Den Vertrag zu erhalten, so wie er als Abkommen zwischen den USA und der Sowjetunion seinerzeit geschlossen wurde, käme der Erneuerung der geplatzten Illusion gleich. Das gälte auch, wenn jetzt gegenseitige Kontrollen zwischen den USA und Russland über die Einhaltung des Vertrages vereinbart würden und selbst wenn die NATO eine Kontrolle der in Rumänien und Polen stationierten Abschussrampen zugestände. Europa, die EU wäre in dem Falle nicht Vertragspartner, d.h. Europa bliebe, wie schon 1987 als Objekt außen vor.

Den Vertrag  auf alle Länder ausweiten zu wollen, die inzwischen über landgestützte Mittelstreckenstreckenraketen verfügen oder zur Zeit danach streben, scheitert an den Staaten, deren Potential wesentlich auf landgestützten Systemen beruht. China beispielsweise wäre erst dann bereit, sich einem solchen Vertrag anzuschließen, wenn zuvor die interkontinentalen Langstreckenpotenzen, allen voran diejenigen der USA, aber auch Russlands abgebaut würden. Das ist eine klare Logik, denn ein einseitiger Abbau von landstützten Mittelstreckenraketen bei Beibehaltung der interkontinentalen Suprematie der USA und Russlands käme einer nuklearen Entwaffnung und Unterordnung Chinas gleich. Das ist von  Peking nicht zu erwarten. Aus Chinas Sicht müsste vor jeder Ausweitung nuklearer Kontrolle nach Art des INF mit  der Reduzierung der interkontinentalen Potenzen begonnen werden.[10] Ähnliches gilt notwendigerweise für die anderen kleineren Atommächte.

Bleibt die ersatzlose Streichung des Vertrages. Das wäre angesichts der realen Bedeutungslosigkeit und Überholtheit des Vertrages im strategischen Kräfteverhältnis ‚eigentlich‘ kein Problem – wenn seine Abschaffung nicht zum Vorwand für eine neue Runde, sagen wir, eines kleinen zusätzlichen Rüstungswettlaufs genommen werden könnte, dessen einziger erkennbarer Zweck dann die Vertiefung der Konfrontation zwischen EU und Russland wäre mit dem Ziel Russland so wie seinerzeit die Sowjetunion totzurüsten und Europa in der Konfrontation mit Russland zu erschöpfen.

Zu fordern wären:

  • eine Umwandlung des bilateral zwischen den damaligen Großmächten Sowjetunion und USA geschlossenen INF-Vertrages in einen Rüstungskontrollvertrag zwischen Russland und der Europäischen Union, statt zwischen Russland und den USA. Er hätte die Aufstellung von langgestützten Mittelstreckenraketen zwischen Russland und der Europäischen Union zu untersagen und unter ein klares Kontrollregime dieser beiden Staaten zu stellen.

 

  • Initiativen der deutschen Bundesregierung in Brüssel und über Brüssel hinaus, die in die Vereinten Nationen zur Erneuerung der allgemeinen Rüstungsbeschränkungen eingebracht werden. Gelegenheit dazu gibt das START II-Abkommen zwischen den USA und Russland zur Begrenzung strategischer Interkontinentalraketen, das 2021 ausläuft. Es muss erneuert und um weitere Partner und um die Erfassung neuer Waffensysteme ergänzt werden.

Es ist klar, dass eine solche Politik nur möglich ist, wenn eine engagierte Friedensbewegung der mit der Kündigung des INF-Vertrages verbundenen Feinderklärung gegenüber Russland aktiv entgegenwirkt.

Kai Ehlers, www.kai-ehlers.de

[1] Siehe dazu: Kai Ehlers, Betrachtungen zur neuen Unordnung in unserer Welt:  https://kai-ehlers.de/2003/01/ortsbestimmung-betrachtungen-zur-neuen-unordnung-unserer-welt/

[2] Siehe dazu Nachruf zu Brzezinski:  https://kai-ehlers.de/2017/05/sbigniew-brzezinskis-erbe-der-andere-nachruf/

[3] Kurze Übersicht zu den hier zitierten Verträgen: https://www.fr.de/politik/wichtigsten-vertraege-begrenzung-atomwaffen-11727968.htm

[4] a.a.O.

[5] Siehe dazu: Kleiner Service zur aktuellen „Sicherheitsstrategie“ der USA, https://kai-ehlers.de/2017/12/kleiner-service-zur-aktuellen-nationalen-sicherheitsstrategie-der-usa-vom-dez-2017/

[6] Skizze dieser Entwicklung unter: https://kai-ehlers.de/2017/12/russland-eu-nato-ist-frieden-moeglich/

[7] Siehe zum Thema der „Grauzonen“ die sehr aufschlussreiche Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik: https://www.swp-berlin.org/publikation/der-inf-vertrag-vor-dem-aus/

[8] a.a.O.

[9] SIPRI Yearbook 2018: https://www.sipri.org/sites/default/files/2018-06/yb_18_summary_en_0.pdf

[10]  Chinas Position zum INF-Ausstieg: https://www.dw.com/de/warum-china-keinen-neuen-inf-vertrag-will/a-47350873

 

COMMENTS

WORDPRESS: 6
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    Übrigens: Gerade noch einmal den 2+4-Vertrag durchgelesen:

    DEUTSCHLAND HAT SICH SOWOHL DURCH DIE BETEILIGUNG AN VÖLKERRECHTSWIDRIGEN KRIEGEN (JUGOSLAWIEN) WIE AUCH DURCH BETEILIGUNG AN DEN FEINDSELIGKEITEN GEGEN RUSSLAND SEIT 2014 EINDEUTIG DES VERTRAGSBRUCHS SCHULDIG GEMACHT!

    Erstens ist es Deutschland verboten sich an Kriegen oder feindseligen Auseinandersetzungen gegen irgendeinen der anderen Vertragspartner zu beteiligen, wie ihm auch nicht erlaubt ist, sich an Kriegen überhaupt zu beteiligen, die nicht auf der Basis einer UN-Rechtsgrundlage beruhen.

    Drittens ist Deutschland VERPFLICHTET mit an einer europäischen Friedensordnung mitzuwirken, die Feindseligkeiten auf dem europäischen Kontinent unmöglich macht. Das schließt Vereinbarungen mit Russland und die Unterlassung von Feindseligkeiten gegen Russland ein.

    Diese ganze üble Kriegs-, Hass- und Konfrontationspolitik, die zudem zur Schwächung anderer Gesellschaften durch divide et impera auf die Erzeugung von innerem Unfrieden und Bürgerkriegen zielt, in die wir unter der Knute der USA eingespannt sind, ist schlichtweg von vorne bis hinten RECHTSBRÜCHIG, GESCHICHTSVERGESSEN und MÖRDERISCH.

    Das besonders Üble aber ist, dass durch den geopolitischen Missbrauch sinnvoller innenpolitischer Auseinandersetzungen Demokratie sui generis UNMÖGLICH gemacht wird. Denn wenn eine Bevölkerung sich mit ihrer eigenen Regierung nicht mehr selbst ins Benehmen setzen kann, ohne dass jemand von außen dies als Zündstoff für seine eigene hegemoniale Politik nutzbar macht, die die Völker nur zu Fußablegern der US-Konzerne und der US-Administration macht, dann wird alle Politik unendlich vergiftet.

    Unter dem irre aufgeblasenen US-Machtapparat und seiner Schurkenpolitik ist es somit in den letzten Jahrzehnten zu einer orwellianischen Umformung aller Grundbegriffe der europischen Geistesgeschichte gekommen. Das, womit wir es zu tun haben, trägt alle Übel der schlimmsten welthistorischen Katastrophen mit sich.

    Daran dass dieser bösartige Akteur in einem großen internationalen Zusammenschluss in seine Schranken gewiesen wird, wird vermutlich das Überleben der Menschheit abhängen.

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    Ich möchte meine Kritik an diesem in den meisten Punkten zuzustimmenden Beitrag zunächst an einer verbalen Unbedachtheit aufziehen, die aber zum Kern des Problems führt:

    Kai Ehlers nennt die Tatsache, dass durch die vermittels des ABM-Vertrags, INF-Vertrags und des START-Abkommens erreichte Versicherung an die Europäer, nicht zum primären und vollständiger Vernichtung ausgesetzten Schlachtfeld eines tödlichen Machtkampfs zweier Staaten zu werden „ein Geschenk“. Dabei müsste das eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, es sei denn, man sei bereit, die Position eines zynischen und grenzenlosen Rechtspositivismus einzunehmen, die alles für erlaubt erklärt, was politische Macht muskulär durchsetzen kann. Aber dann können wir auch jedes öffentliche Gedenken des durch den Nazismus erzeugten Leidens unterlassen, denn dann hat auch nur der Gefreite Adolf Hitler in der Welt nur angestellt, was er halt anzustellen imstande war. UN-Charta und alle weiteren Vertragswerke und institutionellen Organe der Vereinigten Nationen wären damit komplett obsolet und die Mühe nicht wert, als Kasperletheater weiterzubestehen.

    Nur welchen Beitrag haben europäische politische Funktionäre zu der derzeitig offenkundigen Situation internationaler Rechtlosigkeit beigetragen?

    Jeder, der intellektuell Grundlagen von Politik und Recht begreift und über die oberflächlichen Polit-Narrative flüchtiger Leitmedienrezeption hinaus wissenschaftliche Darstellungen (die universitären Kriterien genügen, keine Lobbypublikationen sogenannter „Thinktanks“)und Primärquellen liest, konnte klar und nüchtern sehen, dass die Vereinigten Staaten in der Tat im Triumphalismus des „gewonnenen Kalten Krieges“ eine solche unbeschränkt rechtspositivistische Position einnahmen. Und dies bereits seit Bill Clinton. Ich habe nicht vergessen, dass schon dieser Präsident den Niederlanden mit einem Angriffskrieg gedroht hat, sollte der Internationale Gerichtshof in Den Haag sich je vermessen, US-Soldaten wegen begangener Kriegsverbrechen zu belangen.

    Diese Sprache sprechen gleichfalls alle außenpolitischen Dokumente und Richtlinien, die US-Außenministerium und Pentagon seit 1990 publiziert haben, auch alle programmatischen Artikel von führenden US-Politikern, politischen Beratern und hohen Militärs im renommierten Journal „Foreign Policies“, strategisch durchsichtige Veröffentlichungen wie die von Kai Ehlers erwähnte Buchpublikation des dreifachen US-Präsidentenberaters Zbgniew Brzezinskis („The Great Chessboard“, zu dessen deutscher Ausgabe übrigens Hans-Dietrich Genscher das Vorwort verfasst hat) sowie unzählige aufschlussreiche Reden von US-Präsidenten. Im Falle Barack Obamas möchte ich nur an dessen aufschlussreiche Rede vor der US-Militärakademie in Westpoint von 2014 erinnern, die deutsche Leitmedien in einer Weise interpretierten, als hätten sie eine ganz andere Rede gehört. Obama macht darin ganz deutlich klar, dass der einzige Maßstab der US-Politik die Wahrung der globalen US-Hegemonie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln sei und die USA nicht die geringste Einschränkung akzeptierten, weder durch irgendein rechtliches internationales Regelwerk, noch durch sogenannte Verbündete. Was er an der Politik seines Vorgängers kritisierte, war, dass er die Gleichgültigkeit rechtlicher Verträge und politischer Allianzen so deutlich gezeigt und in zu geringem Maße Soft-Power genutzt habe, um das einzige Primat der US-Politik, nämlich „American Interest“ und „American global leadership“ (also schlicht: Weltherrschaft), so weit als möglich so durchzusetzen, dass es zumindest einen rechtlich basierten und bündnisorientierten Anschein habe. US-Hegemonialpolitik solle so multilateral und rechtlich verbunden scheinen wie möglich und so monolateral und eigenmächtig auftreten wie nötig – was nichts anderes heißt, als dass es taktisch klug sei, bei der auch in seinen Augen uneingeschränkt durchzusetzenden Machtpolitik der USA, den Anschein zu bewahren, als spielten Menschenrechte, internationales Recht und die Belange von Bevölkerungen fremder Staaten noch irgendeine Rolle.

    Die deutsche Presse aber entschied sich, diese problematische Rede als vermeintlich pazifistisches Meisterwerk abzufeiern. Hierfür feierten sie den ganz und gar nicht pazifistisch gemeinten Satz, „Just because you have got the biggest hammer, it does not mean that every problem is a nail“, als große friedenspolitische Verkündigung.

    Wenn führende deutsche Außenpolitiker glauben, seit Donald Trump die Welt nicht mehr zu verstehen, ist das unverständlich: Denn die Entwicklung geschah in aller Offenheit. Trotz dieses Unverständnisses überrascht es mich dennoch nicht: Denn da ich mir in den letzten vier Jahren regelmäßig das genau angeschaut habe, was die beiden größten außenpolitischen „Thinktanks“ in Deutschland, die DGAP (hier vor allem Äußerungen von Herrn Meister) und SWP als „Studien“ herausgeben, dann wurndert mich die mangelnde Fähigkeit der politischen Wirklichkeitswahrnehmung im Auswärigen Amt und im Kanzleramt nicht die Bohne. Hier arbeiten so offensichtlich Leute, die sich noch nie bemüht haben, ohne ideologische Scheuklappen empirisch-analytisch zu forschen, sondern sich darin beschränkten, sich der eifrigsten Erstellung konstruktivistisch und diskurstheoretisch generierter politischer Fiktion befleißigten, dass nüchternen Beobachtern unseres politischen Umfelds nur schlecht werden konnte.

    Offensichtlich gewann die ideologische Autosuggestion eine derartige Dominanz in den politischen Schaltstellen Europas, zumindest in Berlin, dass selbst die rudimentärste Kommunikation zwischen verschiedenen Akteuren des deutschen politischen Betriebs nicht mehr funktionierte – gerade, was die Orientierung der deutschen Russlandpolitik betrifft. Denn wenn die deutsche politische Funktionselite in ernsthaft überrascht ist, welche klamme Situation Europa, das offensichtlich erneut von den USA zum nuklearen Schlachtfeld für US-Weltherrsschaftsansprüche erkoren wird – und zwar einer USA, deren führendes Funktionspersonal im Pentagon und Militär immer unverhohlener herausposaunt, die USA hätten doch nicht so schöne Nuklearwaffen, um sie im Zweifelsfall nicht auch einzusetzen, dann ist unser außenpolitisches Personal samt seiner „Analytiker“ nicht nur sehr wenig erlesen (also keine „Elite“), sondern gänzlich inkompetent.

    Dass es nämlich seit den 90ern Ziel ein fest zementiertes Ziel der USA gewesen ist, Russland völlig geographisch einzuschnüren, sowohl die US-Kontrolle über Russlands Zugang zur Ostsee wie zum schwarzen Meer, also die Herrschaft über ihren Meerzugang insgesamt zu erlangen – und es – gemeinsam übrigens mit Serbien – aus der europäischen Entwicklung gänzlich auszuschließen, wurde zahlreichen europäischen Verteidigungs- und Außenministern von hochkarätigen Vertretern des US-Außenministeriums, des Pentagons und des American Enterprise Institutesn (das außenpolitische Institut schlechthin der republikanischen Partei) bereits offen und feierlich im Mai 2000 auf der Konferenz von Bratislava mitgeteilt, auf der auch Deutschland vertreten war. Und zwar mindestens von dem Vizepräsidenten der parlamentarischen Versammlung des Bundestags und des vormaligen Staatssekretärs im Verteidigungsministeriums Helmut Kohls unter Volker Rühe, Willy Wimmer, der alarmiert die Verkündigungen der US-Regierung in einem offenen Brief an Bundeskanzler Gerhard Schröder mitteilte. In diesem Brief wurde aber auch dokumentiert, dass die USA offen aussprach, dass ab nun, zur Erreichung dieses Ziels der kompletten Isolation und politischen Marginalisation Russlands nötig sei, dass die Europäer sich ab jetzt unter Negation ihrer eigenen verfassungrechtlichen Fundamente und rechtspolitischen Vorstellungen alleine dem politischen Hegemonialwillen der USA als Hilfkräfte zur Verfügung zu stellen hätten. Gemäß der auf der Konferenz geäußerten Ausdrucksweise lautete diese US-Anweisung so:

    „5. Die europäischen Verbündeten hätten beim Krieg gegen Jugo-slawien deshalb mitgemacht, um de facto das Dilemma über-winden zu können, das sich aus dem im April 1999 verabschie-deten «Neuen Strategischen Konzept» der Allianz und derNeigung der Europäer zu einem vorherigen Mandat der UN oderOSZE ergeben habe.

    6. Unbeschadet der anschließenden legalistischen Interpretationder Europäer, nach der es sich bei dem erweiterten Aufgabenfeldder NATO über das Vertragsgebiet hinaus bei dem Krieg gegen Jugoslawien um einen Ausnahmefall gehandelt habe, sei es selbstverständlich ein Präzedenzfall, auf den sich jeder jederzeitberufen könne und auch werde.

    7. Es gelte, bei der jetzt anstehenden NATO-Erweiterung die räumliche Situation zwischen der Ostsee und Anatolien so wiederherzustellen, wie es in der Hochzeit der römischen Ausdehnung gewesen sei.

    8. Dazu müsse Polen nach Norden und Süden mit demokrati-schen Staaten als Nachbarn umgeben werden, Rumänien undBulgarien die Landesverbindung zur Türkei sicherstellen, Serbien(wohl zwecks Sicherstellung einer US-Militärpräsenz) auf Daueraus der europäischen Entwicklung ausgeklammert werden. 9. Nördlich von Polen gelte es, die vollständige Kontrolle überden Zugang aus St. Petersburg zur Ostsee zu erhalten.

    10. In jedem Prozess sei dem Selbstbestimmungsrecht der Vorrang vor allen anderen Bestimmungen oder Regeln des Völkerrechts zu geben.

    11. Die Feststellung stieß nicht auf Widerspruch, nach der die NATO bei dem Angriff gegen die Bundesrepublik Jugoslawien ge-gen jede internationale Regel und vor allem einschlägige Bestim-mungen des Völkerrechts verstoßen habe.“
    https://www.perseus.ch/PDF-Dateien/bracher-wimmer.pdf

    Wer vor diesem Hintergrund so tut, als sei die Eskalation der Ereignisse auf dem Maidan nach Steinmeiers gemeinsame Initiative mit dem französischen und polnischen Außenminister zur Verabredung einer Neuwahl mit Viktor Janukowitsch, die Frau Nuland sprachlich sehr klar mit ihrem „Fuck the EU“ zum Ausdruck brachte, je etwas anderes gewesen, als die unmissverständliche Demonstration der USA, dass sie – und allein sie- die Eskalationsdominanz in den EU-europäischen-russischen Beziehungen völlig in Anspruch nehmen – und zwar in grenzenlosem Umfang, der leistet obstinate politische Wirklichkeitsverweigerung. Und dass dies, bis zur Gefahr eines Welkriegs auf europäischem Terrain, die USA beanspruchen und hierbei von ihren „europäischen Vasallen“ (Brzezinski)grenzenlose Fügsamkeit bis hin zur Selbstauslieferung der blanken physischen Existenz der Europäer verlangen, war mehr als nur deutlich.

    Dass gerade für die USA die Europäer in diesem Spiel keine Rolle spielten, wurde selbst der US-Öffentlichkeit mit schonungsloser Umschweife mitgeteilt: Der vielgelobte US-Präsident Obama sagte, für jeden per Suchmaschine live anzuhören, „Putin was taken by surprise when we brokered the deal of the transition of power in Ukraine“ nicht in einem geheimen Hinterzimmergespräch, sondern offen in einem Interview auf CNN. Und zur gleichen Zeit (2014/15) prahlte US-Präsident Joe Biden bei einer öffentlich gefilmten Vorlesung vor Harvard-Studenten, man habe den Europäern ein wenig die Arme verdrehen müsssen, damit sie die selbstzerstörerischen Mitteln des die eigenen Volkswirtschaften schwer schädigenden Wirtschaftskriegs bedingungslose mitmachten. Im politischen Jargon Bidens heißt es, „the Europeans had to be embarassed into sanctions“, kaum verhohlen für: wurden erpresst.

    US-Politiker zeigten also völlig offen und demonstrativ, in öffentlichen Selbstinszenierungen in den USA, dass sie ihr Verhältnis zu den Europäern so definierten, wie dies Brzezinski bereits in seinem programmatischen Werk „The Great Chessboard“ (deutsch: „Die einzige Weltmacht“ – wie erwähnt: mit einem Vorwort Hans-Dietrich Genschers) dargelegt hatte – wobei man ihm fairerweise zugestehen muss, dass er dies selbst nicht für einen gesunden Zustand hielt:
    „Tatsache ist schlicht und einfach, dass Westeuropa und zunehmend auch Mitteleuropa weitgehend ein amerikanisches Protektorat bleiben, dessen alliierte Staaten an Vasallen und Tributpflichtige von einst erinnern. Dies ist kein gesunder Zustand, weder für Amerika, noch für die europäischen Nationen.“ (S.92)
    http://tazelwurm.de/wp-content/uploads/2015/02/Die-einzige-Weltmacht.pdf

    Wie musste unter diesen offen beobachtbaren Bedingungen nüchtern beobachtbaren deutschen Bürgern die völlig surreale politische Selbstdarstellung der politischen und medialen Klasse unseres Landes erscheinen? Was mutete die Bundesregierung solchen ihrer Bürger zu, denen sie ernsthaft die Illusion abverlangte, sie vertrete die Bevölkerung dieses Landes auch nur im Ansatz auf der Grundlage des Grundgesetzes und ihrer eidestattlichen Verpflichtungen (Amtseid)?

    Denn diese Illusion war schlicht für intelligente Menschen nur unter der Bedingung aufrechtzuerhalten, dass sie bereit wären, im permanenten Zustand kognitiver Dissonanz zu leben – was nicht geht. So verliert jeder gescheite Mensch den Verstand. Deshalb verlegten sich Bundesregierung und loyale Leitmedien darauf, die Menschen zu beschwören, kritisches Nachfragen, Protestieren oder Diskutieren doch bitte zugunsten blinden Glaubens an ihre Güte und Kompetenz (gegen besseres Wissen) einzustellen. Dies erfolgte in der an den deutschen Untertanengeist mantrahaft an die Menschen appellierenden Bitte doch obrigkeitlich „zu vertrauen“. Schließlich ist die rapide Erosion des Rückhalts von politischen Institutionen und Leitmedien in der Bevölkerung, auch gerade in Deutschland, sind nicht zu verkennen – und es wird sich auch als völlig nutzlos erweisen, weiter mantrahaft darauf zu beharren, dies sei auf die „russische Destabilisierung“ durch „hybride Kriegsführung“ zurückzuführen: Denn nicht nur ist das, was die Russen in Sachen Soft-Power aufzuweisen haben, geradezu lachhaft nicht nur im Vergleich zu dem ungleich massiveren US-dominierten transatlantischen Beeinflussungspotenzial, sondern selbst gegenüber dem, was die Sowjetunion einsetzen konnte, als sie zum Zweck der Werbung für einen anderen ideologischen Gesellschaftsentwurf noch auf Unterstützung historiscnoch her Restbestände westdeutscher Kommunisten und einen ganzen realsozialistischen deutschen Zweitstaat bauen konnte. Das weiß jeder, der in Westdeutschland im Kalten Krieg aufgewachsen ist. Und wie viel Zustimmung bekam die DKP bitte bei freien Wahlen? Nein, die rapide Erosion politischer Unterstützung durch die deutsche Bevölkerung haben deutsche Funktionseliten der völligen Surrealität der eigenen politischen Selbstinszensierung und ihres eigenen Handelns zu verdanken.

    Denn wie sieht diese aus? Die Schizophrenie des europäischen, vor allem aber des deutschen politischen und medialen Funktionspersonals besteht darin, sich in lautem Pathos als die politische Verkörperung schlechthin eines multilateralen, gleichberechtigten und auf universalen Rechtsvorstellungen basierenden Politikansatz zu inszenieren, den sie auch exportieren zu dürfen beanspruchen, was sich aber mit der vollständigen Unterordnung unter eine sich offen rechtspositivistisch definierende, eine über allem Recht stehend wähnende und allein der eigenen Weltherrschaft verpflichteten Hegemonialmacht USA, die immer offener auch nicht mehr hegemonial, sondern despotisch auftritt, bis zur Agonie beißt. Um diese Allianz verkaufen zu können, obgleich ihre rechtspolitische Grundlage durch völkerrechtswidrige Handlungen und offene Rechtsfeindlichkeit des bestimmenden Akteurs längst noch nicht einmal mehr als Attrappe Bestand hat.

    Um dennoch das als Allianz dargestellte Verhältnis von Hegemon und Vasall mit der rechtsstaatlichen Selbstreferenz rhetorisch kompatibel in die Öffentlichkeit zu transferieren, änderte die politischen Klasse der Bundesrepublik ihren Jargon: Statt der FDGO, der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, wurden „Werte“ zur Grundlage der Gemeinsamkeit erhoben und anstelle der Rechtsbindung die „auf Werten“ beruhende „Identität“. Da diese im post-rechtsstaatlichen Zeitalter erstens zu unbestimmt waren und zweitens die global aufgekündigte Souveränität von Staaten zu unbestimmt sind – und von der Sache her sein müssen -, als dass sich Politik auf dieser Grundlage diskursiv-argumentativ begründen ließe, ersetzen endgültig seit 2014 hysterische Medienkampagnen im Modus der Dauerempörung jede politische Debatte und diffamieren jeden Bürger, der es wagt, Entscheidungen der Regierung (oder bloße Umsetzung des Drucks durch die Hegemonialmacht) nicht euphorisch für weise zu befinden, sondern in Frage zu stellen.

    Nicht nur ich, sondern viele andere Bürger, die sich gerade immer für aktive Partizipienten und Träger eines demokratischen Rechtsstaats erachtet haben, haben seit 2014 Erfahrungen in unserem veröffentlichten Diskurs gemacht, die in ihnen die mehr als nur mulmige Gewissheit weckte, dass die Demokratie in Deutschland und Europa zu einer Fassade geworden ist, hinter der sich eine durch und durch autoritäre politische Realität verbirgt. Sprachlich verriet sie sich in der Vokabel der „Alternativlosigkeit“. Denn was „alternativlos“ ist, steht nicht ernshaft diskursiv zur Debatte. Es hat verfügt zu werden. Und in der rhetorischen Diffamierung von jedem, der die Wahrnehmung der Legitimität russischer Sorgen (und keineswegs der eines einsamen Putin) anmahnte, als, pejorativ gemeint, „Putin-“ oder „Russlandversteher“, wenn nicht gar als bezahlter oder unbezahlter „Kreml“-Troll, dem wahlweise in schäbigstem Diffamierungsduktus Sympathien für autoritäre Alleinherrscher, Demokratiefeindlichkeit oder Verklärung von Despotismus vorgeworfen wurde, auch wenn keine seiner politischen Äußerungen dergleichen je hergaben. Der nicht mehr nur autoritäre, sondern sogar offen despotische Hegemoniediskurs ging sogar soweit, Proteststimmen gegen die anti-russische Konfrontationspolitik in den Ruch zu bringen, in Wahrheit politischen Ideologien anzuhängen, die Hitler an die Macht gebracht hatten: und zwar vermittels der ahistorischen Verwendung der Vokabel „Querfront“, eines Begriffs, der mit dem gescheiterten Putschversuch Kurt von Schleichers gegen die Weimarer Republik mit Unterstützung rechter Zirkel innerhalb des ADGBs und des Strasser-Flügels der NSDAP im Oktober 1932 verbunden ist. Eine weitere Diskreditierungsformel für die Einbeziehung russischer Bedenken in die politische Diskussion war die des seit dem Mord an John F. Kennedy in den USA durch die CIA geprägte Wortfügung „Whataboutismus“ (für eine tu-quoque-Argumentation). Während es seit der Wiederentdeckung des julianischen Rechts durch die Universität Bologna das „audiatur alter pars“ zum konstitutiven Bausteins europäischen Rechtsverständnisses gehört, wurde nun medial und von dem herrschenden Diskurs ergebenden Foristen jeder mit Hilfe des stupiden Vorwurfs des „Whataboutismus“ zu jemandem erhoben, der sich mit einem ’spezfisch russischen‘ Kniff ‚russischer Desinformation‘ als bezahlter ‚Kreml-Troll‘ aus der ‚Troll-Fabrik‘ in Sankt Petersburg entlarvt habe. Und das, obwohl die Bundesregierung selber weiß, dass eine überwältigende Mehrheit der Deutschen trotz einer permanenten Kriegspropaganda gegen Russland in den Medien durchgängig von ihr verlangt hat, auf eine friedliche Wiederherstellung der Beziehungen zu arbeiten und den Konfrontationsmodus, der sich von Anfang an in diesem Konflikt barg, entgegenzuwirken?
    Wurde nicht deshalb Angela Merkel – ernsthaft – als „Königin Europas“ – gefeiert, als sie – scheinbar – mit den Verhandlungen zu Minsk II die damals schon unverhohlen deutlich werdende Kriegsrhetorik eines General Breedlove konterte? Nur dass ihr in der Folge offensichtlich von den USA nicht erlaubt wurde, von der Ukraine auch die Erfüllung ihres Teils des Abkommens einzufordern. Auch dies war also nur – Show für die dumme Masse des deutschen Publikums, die aber deutlich nicht mehr zieht.

    Worüber, also, sind die Bundesregierung und ihre nationalen politischen Berater entsetzt? Darüber dass unter Donald Trump die US-Politik gegenüber dem politischen Selbstverständnis, dem wirtschaftlichen Gedeihen und sogar dem blanken Überleben der Europäer in gleichgültig-feindlich gegenüber eingestellt sind oder nur, weil vor einer Politik, die immer schon auf das Leben der EU-Europäer wie der Russsen keinen Pfifferling gegeben hat, der illusorische Schein inszenierter Werterhetorik zerschnitten wurde?

    Wenn die reale Politik jeder Rationalität spottet und jede Achtung vor menschlicher Integrität und menschlichem Leben in den Funktionsstellen der Macht aufgeben wird, als ob, die, die dies fahrlässig oder absichtlich betreiben, sich einbilden, sie seien gegen die Gefahren und Leiden, die sie anderen zumutet, immun, ist die Klärung der Motiviation dahinter, hierbei mitzuspielen, eh für keinen integren Menschen mehr nachvollziehbar: Gut möglich, dass die, die in Berlin sitzen, zu der Überzeugung gekommen sind, dass eh nichts dagegen zu machen sei, dass die Welt, an den Rande des Vulkans gerückt, am Ende in diesen stürzen müsse, sie aber zumindest bis zum Schluss einen privilegierten Logensitz einnehmen wollen können. Schon möglich aber auch, dass sie sich ihr Gewissen und ihre Denkfähigkeit eh abgewöhnt haben, um, so lange es eben geht, das Funktionieren in eingespielten sozialen Abläufen in der Selbsttäuschung einer dauerhaft aufrechtzuerhaltenden „Normalität“ aufrechtzuerhalten – aber eine funktionierende Regierung im Sinne noch selbst Hobbescher Kriterien haben wir damit schon lange nicht mehr.

    Denn wie will ein Staat sein Gewaltmonopol aufrechterhalten, dessen führenden politischen Kräfte nicht nur das Leben der eigenen Bürger einer despotischen Macht ausliefern, die keinen Zweifel daran lässt, wie die vom Pentagon nicht geahndeten vollmündigen Verkündigungen ihrer höchsten Militärs, auf Dauer sei der Krieg, selbst der Nuklearkrieg, gegen Russland und China vermutlich unvermeidbar, sondern die diese Auslieferung auch noch als pathetisch-identitäre „Werte-Show“ über vier Jahre inszeniert haben und – mithilfe einer steuerfinanzierten Nato-Netzstruktur zur „Informationskriegsführung“ – jeden Einspruch ihrer Bürger dagegen propagandistisch in übelst diffamierender Weise an den Pranger gestellt haben?

    Denn nicht nur die 500 PR-Berater der Bundesregierung und die 27 000 des Pentagon machen gemäß des Hilfrufes von Tom Curley 2009, dem Chef der größten US-amerikanischen Nachrichtenagentur AP im Jahr 2009, eine unabhängige politische Berichterstattung unmöglich, sondern es sorgen, weil das wohl nicht ausreicht, neben zwei East StratCom TaskForces zusätzlich noch 24 Nato-Exzellenzzentren dafür, dass die leitmediale Kriegspropaganda durch systematisch zu diffamierende Friedensstimmen unbehelligt zum Erfolg gebracht wird. Ich zitiere aus der „Erfolgsbroschüre“ einer Konferenz des mir nächsten dieser Zentren, der JAPCC in Kalkar, vom November 2015, die wie jede ihrer in Essen abgehaltenen Konferenzen unter Anweisenheit von 250 Alphajournalisten und Vertretern politischer Parteien abgehalten wurde. Thema dieser Konferenz war, mit welchen PR-Strategien Nato und Medien gemeinsam Bevölkerungen nötigen können, NATO-Luftkriege zu unterstützen, zumindest aber sie soweit zu paralysieren, dass sie keinen Protest hinbekommen:
    https://www.tagesanzeiger.ch/ausland/amerika/27000-PRBerater-polieren-Image-der-USA/story/20404513
    (zitiert nach meiner folgenden Programmbeschwerde:)
    https://www.termiten.net/node/487

    „Key Principles for NATO Strategic Communication:
     
    Emphasize the human rights aspect of the conflict
    NATO also needs to publicly and aggressively challenge the lawfare movement and uphold the traditional law of Armed Conflict rules of using force.
    NATO must recognize its current struggles in strategic communication and in justifying military operations‘ necessity to the general public.That the public in some key NATO countries does not understand the requirement for NATO collective defence  means that NATO needs a fundamental revision of strategic communication frameworks. NATO needs to commit far more resources and efforts to basic communication with the public.
    There is a need for large specialized information agencies to leed the battle for strategic communications.“
    „Conference attendees were united in the belief that it is perception that matters. In attendance to shape public perceptions and, perceptions perhaps of senior political-policy makers the media is a key conduit via which such shaping activities can be affected. The second session oft he conference therefore considered the relationship between the military and the media with a view to considering how NATO might best improve its media messaging. Several current and former senior media player fromt both print journalism and TV participated in a fascinating session during which certain key dynamics were drawn out.“
    Dabei war diesen NATO-Führern durchaus klar, dass trotz aller propagandistischen Liebesmühe die immer noch von zwei Weltkriegen und einem hahnebüchenen atomaren Schreckensszenario von vielen Jahrzehnten die Mehrheit gerade der deutschen Bevölkerung Kriege nicht unterstützen würde:

    „The German case study shows a marked contrast with the American and the English one. After WWII the German pacifist sentiment was very strong and remains so. The public opinion oft he armed forces is almost the opposite of the British and oft he American one. In any case of NATO using force, the Germans are far more susceptible for disinformation campaigns and anti-military campaigns than most other NATO nations. In short, a variety of political and cultural factors make Germany a very problematic case of supporting NATO military operations and to agreeing in any use of force in service of NATO.
    The study of Italy very closely resembles that of Germany with a strong leftist and pacifist sentiment in the general public and also a public that opposes a use of force even if a NATO country were directly invaded.“

    Ja, die deutsche Bevölkerung würde auch bei einer False-flag-Inszenierung, bei der wieder einmal ab „5 Uhr 45“ zurückgeschossen würde, weder in das Geschrei für den „totalen Krieg“ (denn etwas Totaleres als der Nuklearkrieg ist wirklich nicht denkbar) ausbrechen, noch mehrheitlich „Jeder Schuss ein Russ“ rufen, so wie sie auch Joschka Fischers ausgiebig propagandistisch ausgefeiltes „Serbien muss sterbien!“ nicht mitskandierten.

    Im Gegenteil: Da die anti-russische Umpolung der Grünen unverkennbar Teil der allgemeinen Mobilmachung gegen Russland ist und war, ist zu befürchten, dass sich das verfassungsmäßige Recht auf Widerstand, für das sich, anders als in den 80ern, durch das perfide Diffamierungs-Management keine demokratisch institutionalisierte Struktur bilden durfte, solche Kräfte nehmen, die mit dem Rechtsgrundlagen des Grundgesetzes nichts zu schaffen haben. Denn außer denen, die die Entsorgung unserer verfassungsmäßigen Grundlagen deutscher Politik reflektiert haben, gibt es auch die, die dies nur intuitiv merken. Und unter denen mögen sich zivilisierte und unzivilisierte Kräfte befinden. Nur durch die Zementierung der „Alternativlosigkeit“ einer dehumanisierten offiziellen Politik, wird eine politische und mediale Klasse, die alle Möglichkeiten, dem Widerspruch gegen eine systematische Politik des Rechtsbruchs und des Krieges eine zivilisierte Form zu geben, im Einklang mit dem Medienchor mit destruktivster Aggression begegnete, niemanden mehr unter den moralischen Druck zu setzen, sich für „das kleinere Übel“ zu entscheiden.

    Wer noch ein moralisches Fundament hat, wird keine Entscheidung für irgendeine Politik der Amoralität treffen und treffen können. Die totalitäre Durchsetzung des Schmittschen Antagonismus, „wer nicht für uns ist, ist gegen uns“, ist spätestens da mit Mitteln der „soft power“ nicht mehr möglich, wo offizielle Politik blind in einen Welkrieg marschiert, weil die USA mit Drohungen Kollaboration europäischer Politiker für die dauerhafte Degradierung der Europäer zu US-amerikanischem Schlachtvieh einfordert.

    Anders ausgedrückt: Die Unterordnung unter einen Hegemon, der sich jeder rechtlichen Einschränkung entledigt hat, ist nicht mehr mit der Aufrechterhaltung staatlicher Gewalt auf der Grundlage unseres Grundgesetzes vereinbar.

    Artikel 26 (1) erhebt die Friedensverpflichtung, nicht nur politischer Repräsentanten, sondern auch der Bürger, in den Verfassungsrang:

    Artikel 26
    (1) Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.
    Die Allianz mit den USA ist aber schlichtweg nicht mit dem „friedlichen Zusammenleben der Völker“, der die Bundesregierung verpflichtet ist, vereinbar. Sie ist eine verfassungswidrige Straftat und damit, wenn sie seitens der Regierung erfolgt, auch noch als „alternativlose Politik“, gegen die jeder Widerstand unerbunden wird, ein Angriff auf unsere staatliche Ordnung. Damit aber hat eder Bürger das Recht zum Widerstand:

    Artikel 20
    (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
    (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
    (3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
    (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

    Die Bundesregierung und alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien, können ergo unter einer unsere Rechtsgrundlagen missachtenden US-Regierung keine Bündnispolitik machen, ohne zugleich die verfassungsmäßige Grundlage zu zerstören, durch die sie sich überhaupt befugt betrachten dürfen, uns zu repräsentieren.

    Ohne also gegen die aktuelle US-Politik in den offenen Widerstand zu treten und, wenn es nicht anders geht, das Bündnis zu beenden, wird die Bundesregierung auf Dauer keine staatliche Ordnung aufrechterhatlen können. Damit ist als weitere Bedrohung ein Staatskollaps oder ein Bürgerkrieg eine erwartbare Folge des politischen Wegs, den alle in den letzten Jahren in der Bundesregierung vertretenen Parteien mit beschritten haben.

    Das Untragbare und Unerträgliche der Politik seit 2014 ist bereits am Dezember 2014 von über 60 politischen Persönlichkeiten der Bonner Republik, darunter mehrere Bundeskanzler und Bundespräsidenten, in einem flammenden Aufruf in der Zeit dargelegt worden. Er trägt die Namen „Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen.“ Die ebenso flammenden 1446 Kommentare, die hierunter in wenigen Stunden folgten, zeigen, wie die vielen auf ein Ende der Konfrontationspolitik flehentlich drängenden Kommentare darunter, was die Bundesrepublik tun muss, will sie nicht an allen Europäern, darunter an Russen und Deutschen, nicht in gleicher Weise schuldig werden, wie die Verheerer der Weimarer Republik.

    Die USA setzen seit den 1990ern daran, Russland, was immer innenpolitisch an ihm zu bemängeln sei, systematisch einzuschnüren, es volkswirtschaftlich zu zerstören sowie mit allen Mitteln zu unterwerfen und ihm seine Zweitschlagkapazität zu rauben. Sie sagen offen, dass sie, wenn sie diese Zerstörung, die selbst, wenn sie „friedlich“ gelänge, eine Sicherheitskatastrophe für ganz Europa wäre, nicht mit Mitteln der Erpressung und des Wirtschaftskriegs, der auch Europa ruinieren wird, an diesen Punkt bekämen – und damit rechnen sie selber nicht mehr, dass sie es dann kriegerisch zerstören werden, unter Einsatz auch von Nuklearwaffen. Die Russen ihrerseits haben ebenso unmissverständlich dagegengesetzt, dass sie sich nicht einseitig zerstören und hinmetzeln werden lassen, sondern dann mit gleicher Münze zurückschlagen werden. Die Verantwortung dafür läge beim Aggressor.

    Wie viele Menschen in diesem Land habe ich seit vier Jahren in äußerster Unruhe die Finger wund geschrieben – durch Kommentare, Artikel, wo ich sie unterbringen konnte, und Hunderte von Briefen und Emails an Politiker und Zeitungsredaktionen. Nach Umfragen teilen meine Sorge um einen Weltkrieg 30% der Deutschen – darunter die Initiatoren des obigen Aufrufs. Mit Recht schreib Helmut Schmidt, die Bürger dieses Landes (wie der der anderen um uns rum) hätten ein Recht darauf, nicht unter Kriegsgefahr und Kriegsangst zu leben.

    Wenn die Bundesregierung nicht endlich ihre Politik ändert, vergeht sie sich an unserem Leben und dem unerer Kinder. Und am Leben der Menschen in Russland.

    Will sie das an den Deutschen verbrechen, was selbst Hitler, Goebbels und Görung nicht hinbekommen haben? Und an den Russen? Und an den Bevölkerungen anderer osteuropäischer Länder?

    Im Namen der Kinder dieses Landes flehe ich und fordere ich von der Bundesregierung, endlich die Verantwortung für unser Leben zu übernehmen. Für alle Gefahren, die sich auftun, wenn sie das unterlässt, ist jeder einzelne ihrer Vertreter und der Parlamentarier des Bundestags verantwortlich.

    In brennender Sorge,
    Anja Böttcher

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    M. Finger 6 Jahren

    Nach meinem Dafürhalten existiert die Friedensbewegung der 80er Jahre in dieser Form nicht mehr, sondern ist in der Öko-Bewegung aufgegangen, deren vorgebliches Ziel es ist, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten. Viele Menschen engagieren sich, um dem Bienensterben, dem CO2-Ausstoß, dem Plastikmüll entgegenzuwirken, aber ich sehe derzeit nirgendwo ein von nennenswerten Teilen der Bevölkerung getragenes Engagement, das dem Frieden und der Verständigung zwischen Europa und Russland dient. Was ich beobachte, ist das Gegenteil: die Wiederauferstehung des bereits überwunden geglaubten Feindbildes, die medial unterstützte Verhärtung der Fronten.

    Ich sehe andererseits auch nicht, dass die europäischen Politiker in der Lage oder Willens wären, eine eigene Entspannungpolitik zu verfolgen, die Europa von den USA unabhängiger macht. Die EU müsste sich bei der vorgeschlagenen Lösung gegen die Stationierung der Abschussrampen in Polen und Rumänien aussprechen, sich in dieser Sache also gegen die USA und die NATO stellen: diese Lösung scheint mir noch illusorischer zu sein als die, in der sich Europa durch den INF-Vertrag gewiegt hat. Die EU unterstützt ja sogar Sanktionen gegen Russland, die den eigenen wirtschaftlichen Interessen entgegenlaufen.

    Eine Wiederholung des Rüstungswettlaufs wie schon mal gehabt, ist aber dennoch nicht zu erwarten. Erstens ist davon auszugehen, dass Putin diese Strategie durchschaut hat. Das zeigt sich daran, dass er den Rüstungsetat nicht in dem Maße erhöht, wie das für den „Wettlauf“ notwendig wäre. Wenn ich es recht weiß, hat er die Rüstungsausgaben 2016-18 prozentual sogar gesenkt. Zweitens sind die USA wie übrigens auch Europa wirtschaftlich dahingehend angeschlagen, dass immer größere Milliardenbeträge in immer komplexer und bürokratischer werdenden Systemen versickern, ohne dass ein materieller Gegenwert daraus entsteht. Ob das in Russland auch so ist, weiß ich nicht. Ich glaube aber, dass man die Situation heute neu bewerten muss und nicht mit den 80er Jahren vergleichen kann.

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    Horst Beger 6 Jahren

    Die Kündigung des INF-Vertrages ist das Ergebnis der NATO-Ziele: „Amerika in Europa zu halten, Russland draußen zu halten und Deutschland klein zu halten“, wie der erste NATO-Generalsekretär das formuliert hat. Und Deutschland hat sich diesen Zielen von Anfang an masochistisch untergeordnet, weil es nicht mehr anders denken kann als in militärischen Kategorien. Diesen pathologischen Militarismus hat schon Theodor Fontane im Berlin des achtzehnten Jahrhunderts als „die niedrigste Kulturform, die je da gewesen ist“ bezeichnet. Diese hat zu zwei Weltkriegen geführt, und die Bundesregierung ist dabei einen Dritten Weltkrieg vorzubereiten, der der „Kulturnation“ ein Ende bereiten wird.

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    Frank Werner 6 Jahren

    Der Analyse kann man soweit zustimmen, auch wenn sie unerwähnt lässt, dass Russland offensichtlich schon seit Jahren den INF-Vertrag verletzt.

    Die Forderung bzgl. eines Rüstungskontrollvertrages in dieser Form zwischen Russland und der Europäischen Union ist zu hinterfragen. Einmal weil dieses nur unter Einbeziehung der NATO zielführend wäre (hier wird wohl auf Differenzen zwischen Europa und den USA gehofft), zum anderen wird Russland wohl kaum komplett auf Mittelstreckenraketen verzichten bzw. wäre es in der Lage, diese in kürzester Zeit wieder zu besitzen bzw. zu verlegen.

    Zum anderen käme das einer Entwaffnung West-Europas gleich (konventionell hat die EU ohne die transatlantischen Partner bereits kein ausreichendes Verteidigungspotential mehr), da darunter – je nach Gestaltung – auch das Potential der Force de frappe und der UK Nuclear Deterrent Forces fallen würde.

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      Europa hat keine „transatlantisschen Partner“, sondern ist Vasall sich selbst ermächtigender Schlächter in Übersee, die skrupellos für ihre Weltherrschaft sämtliche 450 Millionen Einwohner EU-Europas und 147 Millionen Russen nuklear ermorden und ihre Länder auslöschen zu können beanspruchen.

      Diese Schlächter haben nicht vor, auch nur einem einzigen Europäer die Macht einzuräumen, ihre eigene Elimination zu verhindern, wenn es ihnen beliebt, auf den roten Knopf zu drücken.

      Offensichtlich haben Sie nicht begriffen, dass da oben steht, dass die USA zu keinem Zeitpunkt irgendetwas anderes gemacht haben, als die Substanz aller drei Abrüstungsverträge zu eliminieren und daran zu arbeiten, die dicht bewohnten Gegenden Russland jederzeit in strahlende Asche verwandeln zu können, ohne Gegenschläge befürchten zu müssen.

      Just das bedeutet die Unterminierung der russischen Zweitschlagkapazität. Einseitig zuschlagen zu können. Das ist an sich eine Kriegserklärung.

      Eigentlich versteht das ein Grundschüler. Ihr obstinates Missverständnis aller völlig klaren Darlegungen der tödlichen Gefahr, die für Russland und EU-Europa aus dem Selbstverständnis der US-Administration ausgeht und ihre Obsession, seit Jahren hier nichts anderes zu tun, als mantrahaft jede russophobe Unterstellung und jede propagandistische Phrase, sei sie noch so unsinnig, wiederzukäuen, zeigt eine nicht mehr rational erklärbare Motivation. In Ihrem geschichtsrevisionistischen Kommentar zum nazistischen Völkermord an der Bevölkerung Leningrads wurde das schon sehr gut deutlich.

      Es scheint in Deutschland immer wieder Menschen zu geben, die den Russen so wenig verzeihen können, sie mit massivem Blutzoll von Nazismus befreit zu haben, dass ihnen der eigene Selbstmord als Preis nicht zu hoch ist, um bloß Russland bluten zu sehen.

      Offensichtlich eine periodisch unter Deutschen immer wiederkehrende Erscheinung.

      Die politischen Weltherrschaftsansprüche einer sich über alle rechtlichen Grundlagen, die seit der Antike entwickelt wurden, hinwegsetzenden despotischen US-Macht, die Russland gegenüber die Einstellung Cathos des Älteren aufbringt („Karthago muss zerstört werden“), kommt solchen Leuten offensichtlich ganz zupass, auch wenn sie es selbst nicht überleben dürften.

      Offensichtlich können manche Deutsche den wagnerischen Drang nach kollektivem Selbstmord nicht überwinden, vor dem Bert Brecht schon 1951 warnte:

      „Das große Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr aufzufinden.“
      Offener Brief an die deutschen Künstler und Schriftsteller, 1951
      Zitat von Bertolt Brecht