Merkel und Putin treffen sich am Wochenende in Schloss Meseberg, um einen Fahrplan für die Lösung der angestauten Probleme zu entwickeln. Leicht wird es für die beiden nicht. Der US-Kongress will, dass der Westen Russland für seine „aggressive Außenpolitik“ bestraft. Den US-Herrschaftseliten ist eine Einigung mit Russland zuwider.
In Washington zielt man auf die Beschädigung der russischen Industrie, droht dem eigenen Präsidenten mit Impeachement, sollte er sich zu sehr auf Moskau einlassen. Die EU will es sich mit den mächtigen Amerikanern nicht verderben. Aber wie weit kann sie die US-Handlungen mittragen?
Manche Beobachter hoffen, dass die EU sich endlich von der amerikanischen Politik emanzipiert und eigene Wege nach Russland sucht. Leicht wird es nicht. Denn innerhalb der EU existieren Staaten, die eher die amerikanische Kriegstreiberei als deutsche Vermittlungsversuche bezüglich Russlands unterstützen.
Für Merkel könnte Putins neue Humanitäre Initiative in Syrien der Schlüssel zum Erfolg ihrer letzten Kanzlerschaft werden. Der Krieg in Syrien ist zu Ende, Assad hat – mit russischer Hilfe – gegen die Rebellen gesiegt. Nun steht der Wiederaufbau an. Russland will nicht nur wie ein Kriegsherr behandelt werden, sondern will demonstrieren, dass es im Nahen Osten nachhaltig für Stabilität sorgen kann.
Wenn Russen, Iraner, Türken, Europäer und nicht zuletzt die Amerikaner beim sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbau der Region an einem Strang ziehen, wie sie es seinerzeit im Irak, Afghanistan und viel früher in Ex-Jugoslawien getan hatten, kann die Massenmigration aus dem Nahen Osten nach Europa rückläufig gemacht werden. In Europa gestrandete Flüchtlinge könnten in ihre Heimat zurückkehren. Wer in der EU könnte etwas dagegen haben?
Merkel wird einigen Mut aufbringen müssen, um sich in der Frage der US-Sanktionen auf die Seite Moskaus zu stellen. Sie muss es nicht direkt tun, aber dennoch klar machen, dass sich Deutschland nicht alles von den Amerikanern gefallen lassen kann. Merkel muss deutsche Unternehmen schützen, die für ihr künftiges Wirtschaftsengagement in Russland oder Iran, von den Amerikanern mit harten Sanktionen bestraft werden sollen.
Während die USA ihre Sanktionen gegen Russland verschärfen, denken manche EU Staaten über ihre Lockerung nach. Der Schlüssel dafür liegt in der Realisierung des Minsker Abkommens. Eine Verlegung einer UN-Friedenstruppe in die Ostukraine ist überfällig. Moskau und Kiew haben dem im Prinzip zugestimmt, jetzt geht es um die einzelnen Details. Merkel könnte in Meseberg diesen gordischen Knoten zerschlagen. Im Donbass leben Millionen Menschen, die ebenfalls Aufbauhilfe dringend benötigen – eine Aufgabe für die Blauhelme.
Streng genommen, müssten Merkel und Putin über ein grundsätzliches Thema sprechen, von dem alle Konflikte abhängen: Die zukünftige europäische Sicherheitsarchitektur. Einige gute Ideen, wie beispielsweise ein europäischer Sicherheitsrat, liegen auf dem Tisch. Angesichts des Zerwürfnisses mit den USA bezüglich der Rolle der NATO wäre es doch an der Zeit, dass die EU ihre eigene Sicherheit selbst in die Hand nimmt. Man braucht keine NATO-Osterweiterung, sondern eine sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen EU und Eurasischer Union. Warum sollte diese nicht möglich sein? Das Konzept eines gemeinsamen Raumes vom Atlantik bis zum Pazifik bleibt aktuell.
Noch sind die in diesem Beitrag aufgezählten Themen utopisch. Zunächst müssen EU und Russland irgendwie versuchen, einen Weg aus der Feindschaft zu finden und zur Partnerschaft zurückzukehren. Es wäre viel gewonnen, wenn Putin und Merkel sich dazu durchringen könnten, die aufs Eis gelegten Regierungskonsultationen wieder aufzunehmen und gemeinsam beim Petersburger Dialog im Oktober aufzutreten.
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