Sergej Lawrow in Berlin. Kein Schritt zurück oder die Holzfällerversion einer Friedensinitiative

Sergej Lawrow in Berlin. Kein Schritt zurück oder die Holzfällerversion einer Friedensinitiative

[von Dr. Thomas Fasbender] Hart und unnachgiebig soll der russische Außenminister Sergej Lawrow bei seinem jüngsten Auftritt in Berlin gewirkt haben. Nach drei Jahren Streit zwischen Russland und dem Westen sind die letzten Argumente ausgetauscht: die Parteien verharren weiterhin bei ihren Positionen. Gibt es am gemeinsamen europäisch-russischen Horizont noch Hoffnung? Dr. Thomas Fasbender mit den Einzelheiten.

Eine Mördergrube hat Sergej Lawrow aus seinem Herzen am vergangenen Donnerstag nicht gemacht. Die putzig präsentierten Fallen der Moderatorin im Berliner Adlon umschiffte der gewiefte Top-Diplomat mühelos. Dass man dem Schlachtross der russischen Außenpolitik das Parkett nicht so einfach unter den Füßen wegzieht, war von vornherein klar.

Was dennoch auffiel, war die geschliffene Härte, mit der der Minister die Moskauer Narrative vortrug. Das war nicht der Appell eines Botschafters, der um Verständnis wirbt und Kompromisse in Aussicht stellt. Das war der Auftritt einer Konfliktpartei, die erkannt hat: Es geht nicht mehr darum, wer Recht hat und wer Unrecht. Alle Argumente sind bekannt, wer mag sie noch hören? Drei Jahre des Streits liegen hinter uns. Es geht nur darum, wer als letzter noch steht.

Lawrows Botschaft war unmissverständlich: Wir haben unsere Version der Wahrheit, Ihr Eure. Weil Ihr an universale Werte und die eine Wahrheit glaubt, muss Euch das mehr stören als uns, und so verfallt Ihr in Russophobie und Überlegenheitskomplexe. Zudem betreibt Ihr ein doppeltes Spiel. Auf dem Papier propagiert Ihr Werte, in der Realität verfolgt Ihr Interessen. Wir Russen haben es leichter; wir verfolgen nur Interessen. Wir brauchen keine doppelten Standards und spielen mit offenen Karten.

Lawrows Rede war ein Manifest des Widerstands, gespickt mit Sarkasmus und herber Kritik, verpackt in die elegante Rhetorik des altgedienten Profis. Schon die Wahl der Sprache kam einer Herausforderung gleich. Der Minister, der perfekt Englisch spricht, bediente sich im Adlon seiner Muttersprache. Die Zahl der Zuhörer, denen das Russische geläufig ist, hielt sich in Grenzen.

Neue Argumente hatte er nicht mitgebracht.

Zur Ukraine: Der Kiewer Umsturz Ende Februar 2014 war ein Putsch rechtsextremer Kräfte mit westlicher Unterstützung. Das Krim-Referendum und der Sezessionsbeschluss des dortigen Parlaments, ebenso der Anschluss an Russland, waren demokratisch legitimiert. Der Minister wörtlich: „Im Frühjahr 2014 war das Parlament der Krim die einzige legitime gesetzgebende Versammlung in der ganzen Ukraine.“ Auch stellten die Sezession und der Anschluss an Russland weder einen Bruch der Charta von Paris von 1990 noch des Budapester Abkommens von 1994 dar. Das Szenario eines Putsches oder gewalttätigen Umsturzes in einem der betroffenen Staaten sei in diesen Dokumenten überhaupt nicht berücksichtigt gewesen. Wer es anders sehen will – bitte sehr.

Zu Syrien: Russland unterstützt nicht die Person Baschar al-Assad, sondern das Recht der Syrer, ihre Zukunft selbst zu bestimmen. Im Übrigen sei das russische Einschreiten auch eine Antwort auf die Inkompetenz des Westens. Nach Irak und Libyen dürfe man nicht auch noch Syrien dem programmierten Chaos überantworten.

Was noch auffiel: Mit keinem Wort erwähnte Lawrow die eurasische Alternative, die chinesische Karte als Szenario der vollendeten Entfremdung Russlands vom Westen. Damit barg seine Rede, so unnachgiebig sie in den Kernpunkten auch klang, immerhin einen kleinen Olivenzweig. Gleich mehrfach erinnerte der Minister daran, dass es zur russischen Mentalität gehöre, nicht nachtragend zu sein. Sein Auftritt war, wenn man so will, die Holzfällerversion einer Friedensinitiative – unter einer wesentlichen Bedingung. Ans Eingemachte wird nicht gerührt, da gilt das altbewährte Motto: Kein Schritt zurück.

Ob die Botschaft beim deutschen Publikum verfängt, ist fraglich. Am ehesten noch in der Wirtschaft, wo man der politischen Rivalitäten redlich müde ist. Inzwischen wächst der deutsch-russische Handel zwar wieder, doch es könnte deutlich mehr sein. Und was noch stärker wächst, ist der Ärger über die blühenden Russlandexporte der Amerikaner, die sich politisch bei den Sanktionen großtun und wirtschaftlich von ihnen profitieren.

 

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