Kremlchef Vladimir Putin hat den Abend mit dem Valdai-Klub in Sotschi kurzweilig verbracht. Zwar wirkte er phasenweise müde und bei manchen Fragen gereizt. Sein Satz „Falls die eine Atombombe auf uns abwerfen, sterben wir als Märtyrer und kommen ins Paradies – die anderen in die Hölle, weil sie keine Zeit haben werden, Buße zu tun“- ließ viele aufschrecken.
Seit 15 Jahren besteht in diesem internationalen Klub die Tradition des offenen Austausches. Manche verbalen Ausrutscher Putins sind inzwischen legendär.
Die Kernaussagen Putins überraschten niemanden: Ja, die russisch-chinesischen Beziehungen waren noch nie so eng wie heute und die russischen Handelsvolumina mit der EU und Asien gleichen sich an. Nein, Russland wird niemals als Erster eine Atombombe gegen einen Gegner einsetzen. Nein, der kurzsichtige Westen soll im Dialog mit Russland nicht auf Überheblichkeit und Stärke setzen. Ja, Russland ist jederzeit bereit, zu einer konstruktiven Kooperation zurückzukehren. Mit der Türkei liefe beispielsweise die Zusammenarbeit in Syrien einwandfrei. Auch mit US-Militärs würde Russland, anders als mit US-Politikern, eine gemeinsame Sprache finden. Früher, als er im KGB arbeitete, habe er sein Land kaum gekannt: jetzt sei er ein echter Patriot.
Es folgten einige kritische Fragen: Russland unterliege einem gesellschaftlichen Wandel. Putin habe in ganz Russland an Beliebtheit verloren. Putin schmetterte den Ball zurück: die EU befände sich in noch größerem Wandel!
An manchen Stellen ging es lustig zu. Ein russischer Farmer bedankte sich ironisch bei Bundeskanzlerin Merkel für die Sanktionen. Er wolle ihr ein Denkmal setzen, denn ohne westliche Sanktionen wäre die russische Landwirtschaft niemals so erfolgreich geworden. Der Farmer verkauft übrigens seinen Hartkäse schon nach Berlin.
Putin unterhielt sich 3 Stunden mit den Gästen. Dann war Schluss. Der Präsident wollte noch eine Runde im Olympiastadion Eishockey spielen.
Mittags waren die Klubgäste noch mit dem russischen Außenminister Lawrow zusammengetroffen. Dieser hatte bedauert, dass der vom damaligen Bundesaußenminister Steinmeier ausgearbeitete Friedensplan für die Ukraine – die Grundlage für das Minsker Abkommen – von Kiew boykottiert wird.
Putin spottete am Ende über die Ukraine. Die Wirtschaft sei dort völlig kaputt, die Rente erbärmlich, transnationale Konzerne hätten das Land kolonisiert, es blute aus. Die EU hätte die Ukraine nicht aus einer Partnerschaft mit Moskau herausreißen dürfen. Jemand im Saal schüttelte den Kopf, ein anderer nickte.
Alle russischen Medien kommentierten alles ausführlich. Deutsche Medien blieben dem Event merkwürdigerweise fern, dabei hätten sie hier, in den Korridoren des Skihotels auf 1389 Meter Höhe, das eine oder andere interessante Gespräch, auch zum Thema Skripal, führen können.
Zweifelsfrei bleibt der Valdai-Klub wichtig! Wo sonst kann man heute diese Streitgespräche mit den Russen führen? Wo sonst, wenn nicht im Valdai-Klub, funktionieren noch die letzten Netzwerke? Wo sonst kann man die heranwachsenden Führungseliten Russlands so nah studieren? Politik zum Anfassen.
Die manchmal geäußerte Sicht, Valdai sei nichts anderes, als ein Jahrmarkt der Eitelkeiten, stimmt nicht. Russische Politologen brennen darauf, den akademischen Austausch mit den Europäern zu vertiefen, an westliche Think Tanks eingeladen zu werden, dort ihre Studien vorzustellen.
Aber auch neugierige Intellektuelle aus Europa, Asien und dem Nahen Osten lassen sich die jährlichen Klubsitzungen, trotz engem Terminkalender und Strapazen der beschwerlichen Anreise ans Schwarze Meer, nicht entgehen.
Mit Hochdruck wird schon an den Themen für das nächste Treffen im Jahre 2019 gearbeitet. Die Organisatoren versprachen, die intellektuelle Planke der Debatten anzuheben. In keinem anderen Land wird in den Herrschaftseliten mit einer solchen Begeisterung über die Konturen der multipolaren Weltordnung gestritten, wie in Russland.
Putin hat für die nächsten Wochen noch viel vor. Ende Oktober wird er zusammen mit Erdogan die Bundeskanzlerin treffen, um einen Stabilitätspakt für Syrien auszuarbeiten. Wenn das klappt, könnten syrische Flüchtlinge aus Deutschland in ihre Heimat wieder zurückkehren.
Vor Weihnachten trifft Putin auf US-Präsident Trump in Paris, wo dem Ende des Ersten Weltkrieges gedacht wird. Im Winter 2019 planen Putin und Trump ein Treffen im Weißen Haus in Washington.
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