Kolonisierung Europas –  Russlands auf der „Finanznadel“Jefim Berschin

Kolonisierung Europas – Russlands auf der „Finanznadel“

Einer der Betreiber der neuen Sanktionen der Vereinigten Staaten gegen Russland, Senator Lindsey Graham, erklärte Folgendes: „Unser Ziel ist, den Status quo zu ändern und lähmende Sanktionen und andere Maßnahmen gegen Russland solange zu verhängen, bis es zu existieren aufhört …“

In den frühen neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts haben die meisten Einwohner Osteuropas und Russlands nicht verstanden, was in Wirklichkeit passiert ist. Damals waren alle von Euphorie überschwemmt, weil es möglich war, das kommunistische Regime loszuwerden. Alle sprachen vom Beginn der Demokratie, vom Ende des Kalten Krieges, von der Befreiung der Welt durch die atomare Bedrohung, von einer neuen Ära der Zusammenarbeit zwischen den Staaten. Kurz gesagt, alle glaubten, dass bereits in absehbarer Zukunft Wohlstand eintreten  und der Lebensstandard der Menschen in ungeahnte Höhen steigen würde. Natürlich hat der Zusammenbruch der Sowjetunion und Jugoslawiens die Hitzköpfe etwas abgekühlt. Aber selbst die barbarische „Schocktherapie“ in der russischen Wirtschaft und die zahlreichen Kriege, die am Rande der Union ausbrachen, führten nicht dazu an der Richtigkeit des gewählten Weges zu zweifeln. Im Ergebnis wurden Russland wie auch eine ganze Reihe der neuen osteuropäischen Demokratien langsam, aber sicher zu Kolonien.

Das Schema der Kolonisation neuen Typs war einfach. In den baltischen Ländern und Rumänien, Bulgarien und einigen anderen Ländern wurden die führenden Unternehmen, wurden über Jahrzehnte funktionierende Märkte einfach geschlossen. Die Märkte wurden auf diese Weise für die Expansion von Waren aus den wirtschaftlich entwickelten westeuropäischen Staaten freigemacht. Um zumindest die Kaufkraft der eroberten Länder zu erhalten, erhielten diese Kredite zum Zinssatz des IWF, der Weltbank und anderer Finanzinstitutionen, Kredite, die sie nicht zurückgeben konnten. Aber um irgendwie zu überleben, brauchten diese Länder immer mehr Kredite. Damit verloren sie faktisch ihre Unabhängigkeit. Sie wurden wie Drogensüchtige auf eine Art finanzielle Nadel gepflanzt, ohne die sie nicht mehr leben konnten. In der Folge konnten sie politisch nicht unabhängig werden. Sie mussten einfach dem politischen Weg der Länder folgen, von denen sie das Geld erhielten. Dies ist das Bild, das wir heute in der Ukraine sehen, wo die besten, technologisch gut ausgerüsteten Unternehmen geschlossen wurden. So zum Beispiel die berühmte Südliche Fabrik für Maschinenbau und eine Reihe anderer.

In den neunziger Jahren wurden in Russland etwa zweieinhalbtausend Unternehmen geschlossen, die meisten von ihnen High-Tech-Anlagen. Ja, sie brauchten Reformen und technische Umrüstung. Aber weder die neuen westlichen Freunde noch lokale Oligarchen waren daran interessiert. Die Fabriken wurden einfach aufgekauft und für einen Hungerlohn weiterverkauft. Meistens wurden sie einfach geschlossen. Die Oligarchen brauchten den schnellen Profit, der fast ausschließlich durch den Verkauf und Weiterverkauf von natürlichen Ressourcen erzielt werden konnte, um die sich ein echter Krieg entfaltete. Öl, Buntmetalle, Mineraldünger, Holz, Kohle – das alles stand im Mittelpunkt der Interessen der neuen Milliardäre. Die Interessen der westlichen „Partner“ lagen in einem neuen, frei gewordenen Markt, über den Überschüsse der eigenen Produktion abgebaut werden konnten. Auf diese Weise hat Russland faktisch seine Industrie verloren. Ganze Produktionszweige sind verschwunden. Das Land wurde abhängig von Importen von Nahrungsmitteln, Medikamenten und anderen notwendigen öffentlichen Gütern. Die Staatsschulden gegenüber dem IWF stiegen mit einer astronomischen Geschwindigkeit. Klar, dass Russland in dieser Situation seine eigenständige Politik verlor. Es ist kein Zufall, dass der damalige Außenminister Andrei Kosyrew öffentlich erklärte, dass Russland keine eigenen Interessen habe. In einem Zustand fast vollständiger Abhängigkeit konnte es die nicht geben.

Die russische Zeitung Wedomosti schrieb damals, dass der Internationale Währungsfonds Anfang der 90er Jahre das „böse Genie der russischen Regierung“ genannt wurde. Man wies darauf hin, dass die gesamte Wirtschaftspolitik der Gaidar Regierung durch das „Diktat“ des IWF bestimmt wurde, dass in einer noch nie dagewesenen Wirtschaftskrise Russland keine Kredite auf dem freien Finanzmarkt erhalten konnte und dass für Russland lebenswichtig war, Darlehen internationaler Organisationen wie des  IWF und der Weltbank zu erhalten. Um deren Forderungen gerecht zu werden, wurden wirtschaftspolitische Erklärungen erstellt und die Inflation öffentlichkeitswirksam bekämpft. Das erste Darlehen des IWF in Höhe von einer Milliarde Dollar wurde der Regierung von Gaidar im August 1992 gewährt. Insgesamt belief sich die Verschuldung Russlands gegenüber dem IWF im Jahr 1999 auf 15,3 Mrd. USD. Das bedeutet, Russland wurde zur Kolonie.

Viele Menschen denken fälschlicherweise, die neue Konfrontation zwischen Russland und dem Westen habe in neuester Zeit begonnen und hänge mit den Ereignissen in der Ukraine oder in Syrien zusammen. Das ist jedoch ganz und gar nicht so. Die scharfe Kritik an Russland und seinem Präsidenten begann bereits 2005. Genau in diesem Jahr konnte Russland das  Schema der weiteren Kolonisierung durchbrechen, weil es ihm gelang die Schulden an den IWF vollständig zurückzuzahlen und damit nicht nur einen Schlussstrich unter die ganze Etappe dieser neueren Geschichte zu ziehen, sondern auch seine Souveränität wiederzuerlangen. Genau das hat den „Partnern“ jedoch nicht gefallen. Weil ein unabhängiges Russland nicht in ihren Interessen lag. Es ist bezeichnend, dass, während mit dem IWF für die baldige Rückkehr der Schulden relativ schnell eine Einigung erzielt wurde, andere Kreditgeber – der Pariser Club – sich hartnäckig weigerten ihr eigenes Geld zurückzunehmen.

Inzwischen ist ganz klar, dass das Hauptproblem in den Beziehungen zwischen Russland und einer Reihe von westeuropäischen und amerikanischen Ländern gerade die Wiederbelebung eines unabhängigen Russland liegt. Gerade weil es zu einem Stolperstein der weiteren Kolonisierung der Welt wurde. Die ausgedachten (manchmal sogar lächerlichen) Begründungen für die Einführung und Erweiterung neuer Sanktionen – sind nur der Deckmantel für die wahren Ziele der Vernichtung des potenziellen Konkurrenten. Das wurde von Senator Lindsay Graham (siehe oben) eindeutig erklärt.

Jefim Berschin / russland.NEWS

Übersetzung durch Kai Ehlers

Das russische Original ist hier >>>

 

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