Über den Ukraine-….. berichten viele Medien einseitig

Über den Ukraine-….. berichten viele Medien einseitig

[von Helmut Scheben ]  Krieg heisst auch Informationskrieg – bei allen Parteien. Medien sollten die Realität so nahe wie eben möglich abbilden.

Die letzte grosse Schlacht des Zweiten Weltkrieges auf europäischem Territorium war die Einnahme von Berlin durch die sowjetische Armee. Sie fand im April 1945 statt, also vor 77 Jahren. Die SRF-Tagessschau nahm am Karfreitag den ….. in der Ukraine zum Anlass, an die Traumatisierung zu erinnern, die viele Menschen damals erlebten. Als Beispiel wird eine betagte deutsche Frau in einem Altersheim befragt, welche sagt, sie habe erlebt, wie ein Soldat der Roten Armee ihre Mutter vergewaltigte. Fertig die Geschichtslektion. Die Botschaft der Story, ob beabsichtigt oder nicht, lautet unvermeidlich: So wie der Russe damals in Berlin vergewaltigte, so tut er es heute auch in der Ukraine. Ich halte dieses Beispiel für eine Manipulation.

Aber der Reihe nach. Die Frau sagt mit hoher Wahrscheinlichkeit die Wahrheit. Dass es damals zu zahlreichen Vergewaltigungen kam, ist ausführlich dokumentiert. Das sowjetische Oberkommando hatte zwar einen Tagesbefehl herausgegeben, demzufolge Plünderern und Vergewaltigern das Kriegsgericht oder die unverzügliche Erschiessung drohte. Das änderte jedoch nichts daran, dass die sowjetischen Truppen aus Wut und Frustration über ihre hohen Verluste – bei den Kämpfen um die Hauptstadt waren etwa 80’000 von ihnen gefallen – zahlreiche Racheakte an der Zivilbevölkerung begingen. Über die Verrohung, Abstumpfung und Bestialisierung von Soldaten im Krieg ist viel geschrieben worden.

Es stimmt also alles an diesem Beitrag, es stimmt alles zu gut, und trotzdem ist er manipulativ. Der Beitrag zeigt, wie man mit hartem Framing einen winzigen Teil der Ereignisse aus einem Kontext herausschneidet, nämlich den Teil, der zu der angestrebten Aussage passt. Wenn beim Publikum vom Inhalt dieses Beitrags eines hängen bleibt, dann wohl die «Information»: Der Russe ist nicht nur heute in der Ukraine der Schuldige, er war es auch schon im letzten Weltkrieg.

Geschichte verdrehen, bis sie ins Narrativ passt

Die Sowjetunion hat ihren Sieg über das Hitler-Regime mit mehr als 25 Millionen Toten bezahlt. Wenn in einem TV-Beitrag angekündigt wird, der Krieg in der Ukraine erinnere an die Traumata des letzten Weltkrieges, und dann nichts anderes zu erwähnen ist, als die Erinnerung an einen sowjetischen Soldaten, der sexuelle Gewalt ausübt, so ist das der Versuch, Geschichte so zu verdrehen, dass sie in ein konfektioniertes Narrativ passt. Und dieses Narrativ lautet derzeit: Der Russe war schon immer der Böse, und wir sind die Guten.

Wenn es um die Traumata des letzten Weltkrieges geht, hätte man zum Beispiel auch die systematischen Massaker erwähnen können, welche die Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) unter Führern wie dem Faschisten Stepan Bandera mit Hilfe der deutschen Besatzungsmacht ab 1942 an Polen und Juden verübte. Der polnische Senat und das Parlament stuften dies 2016 als Völkermord ein. Bandera wird in Kiew heutzutage als Nationalheld verehrt.

Die meisten westlichen Medien stützen sich heute in ihren Berichten über den ….. in der Ukraine fast ausschliesslich auf Quellen der Regierung in Kiew sowie der Regierungen der Nato-Staaten oder auf Aussagen von Aktivisten, Augenzeugen und Flüchtlingen, welche die russische Seite beschuldigen.

Die meisten unserer Journalisten scheinen auch überzeugt zu sein, dass sie die Wahrheit wiedergeben, wenn sie «Erkenntnisse des britischen Geheimdienstes» verbreiten. Dagegen wird die russische Kriegspartei oft nur mit dem Standardsatz zitiert: «Der Kreml leugnet diese Kriegsverbrechen.» Schon das moralisch-inquisitorische Wort «leugnen» signalisiert, dass derjenige, der es benutzt, die Wahrheit kennt, welche geleugnet wird. Die Formulierung «Kiew leugnet die Kriegsverbrechen, die ukrainische Truppen seit 2014 im Donbass begangen haben», war noch nirgendwo zu lesen.

«Putin-Versteher»: der dümmere Teil der Bevölkerung

Der Zürcher Tages-Anzeiger berichtete am 20. April unter dem Titel «Die jungen Putin-Versteher», eine zuverlässige Umfrage habe ergeben, dass in der Schweiz fast jede und jeder Dritte zwischen 18 und 34 Jahren den Krieg zwar verurteilt, aber Verständnis für die Motive der russischen Regierung aufbringe. Bei der Altersgruppe zwischen 35 und 49 Jahren sei es immerhin jeder Vierte.

Interessant ist nicht dieses Meinungsbild, sondern die Erklärung, welche die Zeitung zu geben sucht.

Sie zitiert den Politologen Michael Hermann, welcher angibt, die Leute dieser Altersgruppe informierten sich vor allem über die sozialen Medien und seien daher «vielen unterschiedlichen Einflüssen ausgesetzt – eben auch den Lügen der gut funktionierenden russischen Propaganda».

Da wird mit Autorität und Bestimmtheit entschieden, wer im Recht ist und wer im Unrecht. Was Propaganda ist und was nicht. Dass ein paar Millionen Menschen in diesem Land in der Lage sein könnten, die Argumente der einen und der anderen Kriegspartei kritisch zu prüfen und zu dem Schluss kommen könnten, die russische Seite habe wegen der aus russischer Sicht bedrohlichen Umzingelung der Nato auch Gründe für ihr Handeln, ist laut diesem Artikel im Tagesanzeiger nur möglich, weil diese Leute zu «beeinflussbar» – auf gut Deutsch zu dumm – sind, um Propagandalügen zu erkennen.

Der abgenutzte Satz von der Wahrheit, die das erste Opfer im Krieg sei, gehört zum Textbaukasten der meisten Journalisten. Paradoxerweise sind es oft dieselben, die sich heute überzeugt geben, dass die Wahrheit nur in Moskau ein Opfer des Kriegs wird, nicht aber in Washington.

Es besteht kein Zweifel, dass die russische Regierung Propaganda betreibt, wenn sie beispielsweise behauptet, sie müsse die Ukraine von Nazis säubern oder es sei gar kein Krieg im Gange. Moskau betreibt Propaganda. Macht Kiew keine Propaganda? Professionelle Propaganda wird auf allen Seiten betrieben, um die Öffentlichkeit zu beeinflussen. Die ukrainische Regierung hat ihre kosmetischen Fähigkeiten schon im Jahr 2018 unter Beweis gestellt, als sie einem Journalisten Schusswunden mit Schminke beibrachte und ihn in eine Lache von Schweineblut legte, um ein russisches Attentat vorzutäuschen.

Die Erinnerung scheint verblasst

Wenn man bedenkt, wie häufig unsere grossen Medien von Nato-Staaten belogen wurden, ist es frappierend zu sehen, dass Journalisten auch dieses Mal häufig verbreiten, was die Nato offiziell verlauten lässt, ohne geringste Zweifel zu äussern. Die Erinnerung scheint verblasst: US-Aussenministerin Hillary Clinton behauptete 2011 vor laufenden Kameras, der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi setzte «die systematische Vergewaltigung als Kriegswaffe ein». Als «Beweis» diente ein einziger Fall einer Vergewaltigung. Die Sache erwies sich später als frei erfundene Propaganda, wurde aber anfangs von einer auf Sensationen bedachten Journalistenmeute eifrig weitergesponnen bis zu der grotesken Version, Gaddafi lasse Container voller Viagra importieren, damit seine Anhänger vergewaltigen könnten.

US-Aussenminister Colin Powell behauptete im Brustton der Überzeugung, der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen.

Wer schwere Waffen ablehnt und Verhandlungsbereitschaft fordert, wird als pazifistischer Verbrecher bezeichnet

Gegenwärtig bekommt man fast den Eindruck, dass viele Medien Politiker zu einem sogenannten «gerechten Krieg» treiben. Dass dieser – zu Ende gedacht – nur auf die völlige Zerstörung der Ukraine und schlimmstenfalls einen nuklearen Schlagabtausch hinausläuft, scheint den vielen, die jetzt vom bequemen Bürostuhl aus mehr schwere Waffen für die Ukraine fordern, nicht bewusst oder nebensächlich zu sein. «Dieser Pazifismus ist ein Verbrechen» titelt die Neue Zürcher Zeitung und zitiert eine ukrainische Historikerin in Berlin, die den deutschen «Friedenskitsch» nicht mehr erträgt und die Forderung nach einem Einlenken der Regierung in Kiew als einen «Aufruf zur Sklaverei» betrachtet. Ein Neutralitätsstatus der Ukraine und eine Föderative Autonomie des Donbass wären in dieser Sichtweise Sklaverei, bekannt von den Sklavenstaaten Österreich oder Schweiz. Der Zürcher Tagesanzeiger bläst zur Hexenjagd: «Putin-Versteher können gefährlich sein». Das Gewaltpotential der «Szene» sei gross. (24. 04.2022)

Zur Einseitigkeit gehört auch, dass die meisten unserer Zeitungen kaum darüber informierten, dass vor der russischen Invasion die Kampfhandlungen im Donbass offenbar extrem eskalierten und Tausende Bewohner zur Flucht nach Russland trieben. Die Statistiken der OSZE sprechen von täglich Hunderten von Explosionen.

Die Russen sind «ein Sklavenvolk»  

Die neuen kalten Krieger fordern, dass alle Russen bestraft werden, die sich nicht lautstark von Putin distanzieren. Ob Kulturschaffende, Sportler oder Unternehmer, wer einen russischen Pass hat, dem soll der Zutritt zur westlichen Wertegemeinschaft, ihren Banken und ihren Veranstaltungen verwehrt werden. Das Sippenhaft-Konzept wird auf eine Nation ausgedehnt und als moralische Verpflichtung propagiert.

Der in der Schweiz lebende russische Schriftsteller Michail Schischkin gehört zu denen, die keinen Zweifel an der Kollektivschuld der Russen haben. Im März schrieb er in der Neuen Zürcher Zeitung: «Was ist es denn: Eine Diktatur gebiert ein Sklavenvolk, oder ein Sklavenvolk treibt eine Diktatur hervor? Es ist wie mit dem Huhn und dem Ei.»

Schischkin nennt Russland «das letzte Imperium der Welt» und schreibt: «Der imperiale Gedanke muss aus den Köpfen wie ein bösartiger Tumor entfernt werden». Der Mann hat schon in früheren Schriften die Auffassung vertreten, Gehorsam und Untertanengeist sei den Russen von der Zarenzeit bis zur Sowjetunion so eingepflanzt worden, dass das Übel praktisch «genetisch» geworden sei. Es liege dem Russen im Blut. Wer solche Theorien über andere Nationalitäten aufstellen würde, käme wohl gemäss Artikel 261 des Strafgesetzbuches wegen Rassismus vor den Richter. Nicht so, wenn es gegen die Russen geht.

Der Gedanke, dass die russische Sicht auf die Weltpolitik – auf eine selbsternannte Ordnungsmacht USA, die seit 9/11 ununterbrochen offene und verdeckte Angriffskriege führt und dabei Hunderttausende von «kollateralen» Ziviltoten in Kauf nimmt – Elemente von Realität und Rationalität enthalten könnte, wird in der Spirale der Empörung nicht geduldet.

Manchmal gibt es während der ganzen Propagandawalze auch einen Lichtblick. Die SRF-Sendung Rendez-vous am Mittag liess am 13. April den Militärexperten Frank Sauer von der Bundeswehr-Universität München zu Wort kommen, der trocken festhielt, dass die Satelliten-Bilder, mit denen so allerhand russische Gräueltaten bewiesen werden sollen, nicht unbedingt zuverlässig seien.

Sauer sagt, man dürfe nicht glauben, die Lage vor Ort wirklich zu kennen: «Ganz eindeutig leben wir in einer Informationslandschaft, die primär von der Ukraine gestaltet wird (…) Die Ukraine hat natürlich von Anfang an diesen Informationskrieg offensiv geführt und – muss man sagen – auch auf der ganzen Linie gewonnen.»

Mit freundlicher Genehmigung von Infosperber.ch>>>

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